Dieses Interview wurde von Cumali Yağmur im Namen von Fremdeninfo geführt.

von Cumali Yağmur

Ahmet Alma – Muttersprachlicher Lehrer
 von:  Cumali Yağmur 

Fremden Info: Wo in der Türkei wurden Sie geboren?
Ahmet Alma: Ich wurde am 8. April 1954 in HATAY, Türkei, geboren. In meinem Heimatdorf wurde Arabisch statt Türkisch gesprochen. Türkisch lernte ich erst, als ich in die Grundschule kam. Nach der Grundschule besuchte ich die Mittel- und Oberschule. In dieser Zeit entwickelte sich mein Türkisch neben dem Arabischen sehr gut. Ich lernte beide Sprachen sehr gut und kann sie lesen, schreiben und sprechen. Nach dem Abitur studierte ich  derei  Jahre lang Deutsch am Pädagogischen Institut in Istanbul. Ich habe in der Türkei nicht als Lehrer gearbeitet, sondern als Beamter.

F.I: Wann sind Sie nach Deutschland gekommen?
A.Alma: Ich kam als Tourist aus der Türkei zu meinem älteren Bruder nach Tuttlingen, Deutschland. An der Universität Freiburg lernte ich „Deutsch als Fremdsprache“. Ich unterrichtete Deutsch an einer Berufsschule. So begann ich mein Berufsleben in Deutschland. Ich lernte die deutsche Gesellschaft und die Lebensweise der Menschen kennen. Da keine Gesellschaft homogen ist, gibt es in jeder Nation gute und schlechte Menschen sowie Rassisten und Nationalisten. Die Gesellschaft als Ganzes zu betrachten, ist völlig falsch. Ich glaube, dass man sich in dieser Hinsicht um Verallgemeinerungen bemühen sollte. Deutschland ist geprägt von einer entwickelten Industrie und einem Verständnis für Zivilgesellschaft. In dieser Gesellschaft haben sich einige Wertvorstellungen geändert, und dieser Wandel ist natürlich unaufhaltsam. Da wir heute im Zeitalter des Internets leben, müssen wir uns an das Internetzeitalter anpassen.

F.I: Warum sind Sie nach Niedersachsen, also nach Hannover, gekommen?
A.Alma: Ich musste hierher kommen, weil ich in Hannover eine Frau kennengelernt habe. Hier führe ich mein Leben mit Frau und Kindern fort. Ich bin jemand, der sich schnell an jeden Ort und jede Gesellschaft anpasst. Ich bewahre meine eigenen kulturellen Werte und glaube, dass keine Kultur einer anderen überlegen ist und Kulturen sich ständig im Wandel befinden. Kulturen sind niemals das Privateigentum einer Nation, und jede Kultur hat positive und negative Aspekte. Ein freiwilliger Kulturaustausch findet im Zusammenleben statt, ob man will oder nicht. Freiwilliger Kulturaustausch ist ein sehr positives Phänomen. Jeder sollte die kulturellen Werte des anderen respektieren und in Frieden zusammenleben.

F.I: Wann sind Sie nach Niedersachsen, Hannover gekommen?
A.Alma: 1984 begann ich als Türkischlehrer an der IGS im Stadtteil Hannover Linden. Dort unterrichtete ich nicht Vollzeit, sondern 22 Stunden pro Woche. Auf eigenen Wunsch verließ ich diese Schule 1998. An der KGS begann ich erneut als Türkischlehrer zu unterrichten.Danach arbeite ich an der Grundschule Egestorfscule  bis zu meiner Pensionierung im Jahr 2003 als Türkischlehrer. Obwohl wir ausländische Lehrer die gleiche Arbeit wie deutsche Lehrer leisten, verdienen wir weniger Geld als sie. Deutsche Lehrer arbeiten als Beamte. Wir ausländische Lehrer haben keinen Beamtenstatus. Selbst wenn man die deutsche Staatsbürgerschaft annimmt, erhält man nicht den Status deutscher Lehrer. Wenn man dieser Diskriminierung ausgesetzt ist, fühlt man sich natürlich ausgeschlossen. Diskriminierung birgt im Grunde Ausgrenzung und Rassismus in sich.

F.I: Sie sind im Ruhestand, denken Sie darüber nach, dauerhaft in die Türkei zu gehen?
A.Alma: Meine Kinder leben hier, meine Enkelkinder wurden hier geboren. Man kann sich nicht von ihnen trennen und das Land, in dem man viele Jahre gelebt hat, einfach verlassen. Das Gesundheitssystem in Deutschland ist sehr entwickelt, und die Gesundheitssituation in der Türkei ist weit hinter der Deutschlands zurück, weshalb wir hier nicht weg können. Man gewöhnt sich an das sehr bequeme und etablierte Leben in Deutschland. Daher können wir nicht plötzlich hier abrechen und in die Türkei gehen. Wenn ich für ein paar Wochen in die Türkei fahre, vermisse ich Deutschland. Man möchte hier bis zum Tod leben und nach dem Tod hier begraben werden, da die Familie hier ist. Wir haben hier jahrelang friedlich zusammengelebt und sind ein fester Bestandteil dieser Gesellschaft geworden. Man kann ein Teil nicht vom Ganzen trennen.

F.I: Stört Sie der zunehmende Aufstieg der fremdenfeindlichen AfD nicht?
A.Alma: Natürlich beunruhigt uns der zunehmende Aufstieg der fremdenfeindlichen AfD in der öffentlichen Meinung. Wenn wir an die dunkle Vergangenheit Deutschlands denken, sind wir natürlich sehr betroffen. Die demokratischen Parteien in der Bundesrepublik können den Wünschen des Volkes nicht gerecht werden. Unzufriedene Wählerschichten wählen die AfD. Die AfD steigt derzeit auf, da sie allein nicht an die Macht kommen kann. Keine Partei möchte eine Koalition mit der AfD eingehen. Wenn es die Möglichkeit gäbe, dass sie allein an die Macht kommt, wäre mein Wunsch, dass sie verboten wird. Dieser Aufstieg der AfD betrifft nicht nur Migranten, sondern auch Deutsche. Wir müssen in dieser Angelegenheit gemeinsam handeln. Wir können den Aufstieg der faschistischen Partei nicht einfach tatenlos hinnehmen. Der Kampf muss weitergehen.

F.I: Möchten Sie noch etwas hinzufügen?
A.Alma: Deutschland ist für uns zur „Vaterland“ geworden. Die Türkei akzeptieren wir als „Mutterland „. Wir werden zwischen beiden hin und her pendeln. Ich danke Ihnen für die gegebenen Informationen.

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