Deutschland suhlt sich ein wenig im Elend. Wie wäre es mit einem Wir-schaffen-das-Geist?

von Fremdeninfo

 

Artikel von Henning Rasche

Düsseldorf. Hätte Angela Merkel 2015 etwa sagen sollen: Wir schaffen das nicht? Am Umgang mit ihrem berühmtesten Satz zeigt sich, welcher Wandel hinter der Gesellschaft liegt. Inzwischen geben die destruktiven Stimmen den Ton an, die Deutschland zwar lieben wollen, es aber klein und schwach reden. Schade, es ginge anders.

Düsseldorf. Hätte Angela Merkel 2015 etwa sagen sollen: Wir schaffen das nicht? Am Umgang mit ihrem berühmtesten Satz zeigt sich, welcher Wandel hinter der Gesellschaft liegt. Inzwischen geben die destruktiven Stimmen den Ton an, die Deutschland zwar lieben wollen, es aber klein und schwach reden. Schade, es ginge anders.

Wollte Zuckowski auf seine alten Tage noch einmal einen großen Hit landen, bräuchte er bloß einige Wörter tauschen. Denn davon, dass man es schaffen kann, wenn man es versucht, will kaum einer mehr so recht etwas hören. 2025 könnte der Refrain eines Charterfolges lauten: „Wir schaffen es nicht!“, gesungen vom Deutschland-Chor.

Als Kronzeugin für diese Entwicklung ließe sich die Bundeskanzlerin außer Dienst, Angela Merkel, aufrufen. Kein Satz ihrer politischen Karriere hat so polarisiert, keiner wurde ihr so sehr „um die Ohren gehauen“, wie sie es in ihrer Autobiografie schreibt, wie dieser, den sie wie beiläufig fallen ließ: „Wir schaffen das“. 2015 war das, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingsbewegung nach Deutschland.

Seither ist die deutsche Flüchtlingspolitik immer restriktiver geworden. Inzwischen kontrolliert die Bundespolizei auf Geheiß der neuen Bundesregierung gar sämtliche Grenzen, ein Verstoß gegen die europäische Grundidee und das Schengen-Abkommen. Schwarz-Rot nimmt dies in Kauf, weil die Koalition hofft, die Wähler würden von der AfD schon zu den Parteien der Mitte zurückkehren, wenn sie nur hart genug mit flüchtenden Menschen umgeht. Dies dürfte sich als Irrweg erweisen.

Zehn Jahre nach Merkels Satz wird diskutiert, ob wir es denn nun geschafft haben. Doch darauf kommt es bei der Frage, ob der Satz richtig oder falsch war, gar nicht an. Denn auch, wenn es manche glauben mögen, Deutschland hatte sich diese zugegebenermaßen gewaltige Aufgabe nicht ausgesucht. Hätte Merkel etwa sagen sollen: Wir schaffen das nicht?

Ihr Satz war kein Imperativ und keine sachliche Feststellung. Merkel versuchte sich kurz in der Rolle des Kinderbarden Rolf Zuckowski: Wir schaffen das schon! Sie probierte einen Mutmachsatz. Sie vergaß die weiteren Strophen, und auch wie der Refrain klang, wusste sie schon bald nicht mehr. Ja, Angela Merkel versäumte 2015 ff. manches. Vor allem blieb sie eine Kommunikation schuldig, die die gesellschaftlichen Umwälzungen greifbar gemacht hätte. „Wir schaffen das“ blieb eine leere Skizze, die Merkel nie ausmalte.

<cs-card „=““ class=“card-outer card-full-size “ card-fill-color=“#FFFFFF“ card-secondary-color=“#E1E1E1″ gradient-angle=“112.05deg“ id=“native_ad_inarticle-3-e18f143e-d134-4af5-b5ce-5ef97c1a7b75″ size=“_2x_1y“ part=““>

Das ist kein kleines Versäumnis, wenn man bedenkt, dass die Rechtsextremen die Deutungshoheit über dieses Thema gewannen. Sie konnten die Geschichte eines überforderten Landes im Kontrollverlust erzählen, weil niemand, vor allem die Kanzlerin nicht, eine andere erzählte. Bei all der wohligen Selbstzufriedenheit, die Merkel heute ausstrahlt: Auch das gehört zu ihrem Erbe. Die Destruktiven geben jetzt den Ton an.

Gerade diejenigen, die vorgeben, stolz auf Deutschland zu sein, Deutschland zu lieben, attestieren dem Land, unfähig zu sein. Unfähig, Herausforderungen zu meistern, über sich hinauszuwachsen, auf die eigenen Stärken zu vertrauen. Das ist so offensichtlich widersprüchlich, dass es ein wenig peinlich ist, darauf hinweisen zu müssen. Es zählt zu den ungeklärten Fragen unserer Zeit, warum gerade die zynische „Wir schaffen das nicht“-Mentalität Grundlage eines neuen, dumpfen Nationalismus wurde.

Ja, Integration verlangt allen Beteiligten sehr viel ab, auf allen Seiten. Klar, gelingt da nicht alles. Klar, manchmal ist man überfordert. Klar, ärgert man sich auch, weil es nicht so läuft wie es sollte. Aber man will doch in so einen komplexen Prozess nicht in der Absicht und Motivation gehen, es gar nicht schaffen zu wollen oder können.

Was Deutschland bräuchte, da es sich ein wenig im Elend suhlt (die Wirtschaft brummt nicht, die Bahn fährt nicht, die Regierung streitet schon wieder, etc.), wäre ein Wir-schaffen-das-Geist. Liest man Merkels Satz als Aufforderung, es doch bitteschön wenigstens zu versuchen, an die eigenen Kräfte zu glauben, dann bekommt er universelle Gültigkeit. Man könnte ihn in Kitas, Schulen, Betrieben, Konzernen, Behörden, Kabinettssälen, Krankenhäusern, Fabriken, Parlamenten, Wohnzimmern, Vorgärten, Vereinsheimen und an Stammtischen an die Wand malen. Wir! Schaffen! Das! Warum denn auch nicht?

Doch die Dinge liegen ein wenig anders. Der Nach-Nachfolger von Merkel, Friedrich Merz, bestreitet, dass wir es geschafft haben und auch, dass wir es schaffen. Er muss seine Klientel bei Laune halten, klar. Aber würde es zu dem Mann, der endlich anpacken und aufräumen, der es schaffen will, nicht besser passen, wenn er mehr an die eigenen Kräfte im Land glaubte?

Deutschland hat den Vorteil, aus mehr als 80 Millionen Menschen zu bestehen. Wenn Maike es schon alleine schafft, wie Rolf Zuckowski sang, dann sollte das für uns gemeinsam doch erst recht gelten.

(her atrie)

Ähnliche Beiträge