Wegen Abschiebung: Unsicherheit im Klassenzimmer

von Cumali Yağmur

Von: Frankfurter Rundschau

Immer wieder werden Minderjährige aus dem Klassenverband gerissen und abgeschoben. An den Schulen regt sich Widerstand. Zwei Beispiele aus Hessen.

Im April dieses Jahres wurde die Familien Kapoor mit ihren zwei Söhnen Angad und Gunit nach Indien abgeschoben. Die zwölf und 15 Jahre alten Jungen, Schüler der Frankfurter Johanna-Tesch-Schule, hatten gerade Osterferien, als die Familie in die Ausländerbehörde beordert und dort in Abschiebegewahrsam genommen wurde. Bereits seit 2018 sei die Familie ausreisepflichtig gewesen und hatte deshalb nur einen Status der Duldung. Die Familie hatte angegeben, aus Afghanistan zu kommen, die Behörden schrieben ihnen jedoch eine indische Staatsbürgerschaft zu. Auf FR-Anfrage teilte das Hessische Innenministerium damals mit, dass der Grund für die Abschiebung „ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse […] aufgrund einer Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Straftat“ gewesen sei. Worum es konkret geht, blieb genauso offen wie die Tatsache, um welches Familienmitglied es sich handelt. Viele Schülerinnen und -schüler der Johanna-Tesch-Schule waren geschockt, als sie von der überraschenden Abschiebung erfuhren. Sie forderten auf mehreren Kundgebungen und Demonstrationen die Rückführung ihrer beiden Mitschüler Angad und Gunit.

Inzwischen hat die Jugendhilfe der Johanna-Tesch-Schule keinen Kontakt mehr zu der abgeschobenen Familie. Es hat sich im Anschluss jedoch ein Bündnis im Viertel gegründet, um zukünftig schneller handeln zu können. „Hätten wir frühzeitiger davon gewusst, hätten wir vielleicht mehr machen können“, meint die Sozialarbeiterin Nele Kaulbersch. Mehr Beratungsangebote und ein offenes Ohr für das Thema seien jetzt wichtig. „Denn auch bei den anderen Schülerinnen und -schülern hat die Abschiebung Ängste und Sorgen ausgelöst“.

An der Fürst-Johann-Ludwig Schule in Hadamar im Landkreis Limburg-Weilburg machen sich ebenfalls Kinder, Eltern und Lehrkräfte gegen die Abschiebung von Mitschüler:innen stark. Die palästinensische Familie A. hätte bereits Anfang Juli nach Rumänien abgeschoben werden sollen. Laut der Dublin Verordnung können Menschen nur in dem europäischen Land Asyl beantragen, welches sie als erstes betreten haben beziehungsweise wo sie zuerst registriert worden sind. Für die staatenlose Geflüchtete Aziza A. mit ihren beiden Töchtern war das Rumänien. Dort lebten die drei längere Zeit auf der Straße, bevor sie den Entschluss fassten, weiterzureisen. Im November 2021 sollen sie in Deutschland eingereist sein, ihr im Februar 2022 gestellter Asylantrag sei ein halbes Jahr später abgelehnt worden.

Als die Polizeibeamten im Juli vor der Wohnung standen, war die alleinerziehende Mutter der beiden Töchter Janna und Joud nicht anwesend, weshalb die geplante Abschiebung verschoben werden musste. Seitdem ist viel passiert: Eine Petition wurde abgelehnt, woraufhin der Schulelternbeirat einen Härtefallantrag stellte, der vergangene Woche ebenfalls abgelehnt wurde. Darin enthalten waren Stellungnahmen von Lehrkräften und Mitschülerinnen und -schülern. Eine von ihnen ist Mara. Sie schreibt: „Joud ist zu einer meiner besten Freundinnen geworden. Sie bringt mit ihrem Humor immer alle zum Lachen. Bei ihr kann man sich einfach wohlfühlen und Spaß haben“. Sie wünsche sich von Herzen, dass ihre Freundin bei ihnen bleiben könne. Der Härtefallantrag habe jedoch wenig Chancen gehabt, erklärt Ramona Henrich, Lehrkraft an der Fürst-Johann-Ludwig-Schule. Trotzdem sei sie „nachhaltig geschockt“. Sie hatte Janna und Joud in der Intensivklasse, wo die beiden sehr schnell Deutsch gelernt hätten. „Die Familie kann weiterhin jeden Moment abgeschoben werden“, erklärt sie und hofft nun auf öffentlichen Druck.

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