Exiliraner demonstrieren für demokratischen Regimewechsel

von Cumali Yağmur

 

Artikel von Thomas Gutschke/FAZ

Es war März 1975. Ich landete am Flughafen Frankfurt am Main. Als ich in die Stadt kam, veranstaltete die Konföderation Iranischer Studenten (CISNU) einen großen Marsch in Frankfurt am Main. Um an diesem Marsch gegen das Schah-Regime im Iran teilzunehmen, stellte ich meinen Koffer am Frankfurter Bahnhof ab und machte mich auf den Weg.

Während des Marsches traf ich Leute, die der Gruppe der Volksfedajin nahestanden. Im Laufe der Jahre veranstalteten die Menschen zahlreiche Demonstrationen gegen das Schah-Regime. Diese Generation verging, ohne die Revolution im Iran zu erleben. Doch die nachfolgende neue Generation fordert immer noch auf den Straßen die Demokratie im Iran. Jedes Wochenende ist die neue Generation immer noch auf der Straße, um die Unterdrückung von Frauen durch das Mullah-Regime und die Stimme der Opposition in Europa zu Gehör zu bringen. Cumali Yagmur

Auch ich sehe diese jahrelangen Demonstrationen und nehme, so oft ich Zeit habe, daran teil und protestiere mit. Für Demokratie, Menschenrechte, gegen Ausbeutung und Unterdrückung sind wir immer noch auf der Straße und setzen den Kampf fort.-  Cumali YAgmur 

In Brüssel haben am Samstag mehr als 10.000 Menschen für einen demokratischen Regimewechsel in Iran demonstriert. An der Kundgebung am Atomium im Norden der Stadt nahmen hauptsächlich Exiliraner teil, die aus zahlreichen europäischen Ländern angereist waren. Organisiert wurde sie vom Nationalen Widerstandsrat Irans, einem Bündnis von Oppositionsgruppen unter Führung der Volksmudschahedin, die vor sechzig Jahren gegründet wurden.

Maryam Rajavi, die Vorsitzende sowohl der Volksmudschahedin als auch des Widerstandsrats, warb für einen „dritten Weg“: „Weder Beschwichtigung noch Krieg, sondern Regimewechsel durch das Volk und seinen organisierten Widerstand.“ Unter den Rednern waren der frühere US-Vizepräsident Mike Pence, der frühere belgische Ministerpräsident Guy Verhofstadt und der frühere Sprecher des britischen Unterhauses John Bercow.

Die 70 Jahre alte Rajavi forderte einen Sturz des Mullah-Regimes durch das Volk und freie Wahlen zu einer konstituierenden Nationalversammlung. Alle politischen Gefangenen müssten freigelassen werden. Die „reaktionären Institutionen“ der islamischen Republik sollten aufgelöst, die Revolutionsgarden und die Basidsch-Miliz entwaffnet werden. Die Diskriminierung und Unterdrückung von Frauen sei zu beenden. Sie müssten das Recht haben, selbst über ihre Kleidung und ihre Beschäftigung zu entscheiden. Der kurdischen Region solle Autonomie innerhalb des Staates gewährt werden. Die Verbrechen sowohl des Schah-Regimes als auch des Khomeini-Regimes müssten in öffentlichen Gerichtsverfahren aufgearbeitet werden.

Die Volksmudschahedin waren 1965 als Opposition gegen Mohammed Reza Schah gegründet worden. Sie trugen dazu bei, 1979 Ajatollah Chomeini an die Macht zu bringen, gerieten danach jedoch in Konflikt mit der sogenannten islamischen Revolution. Ihr Anführer Massoud Rajavi flüchtete 1981 nach Paris und baute von dort aus den Widerstandsrat auf. In Paris heiratete er 1985 auch seine Frau Maryam, die 1993 zur „Übergangspräsidentin“ für den Fall eines Regimewechsels gewählt wurde und seitdem an der Spitze des Widerstandsrats steht.

Mike Pence, US-Vizepräsident in Donald Trumps erster Amtszeit, sagte den Demonstranten in Brüssel die Solidarität der USA zu. „Wir unterstützen Ihr Ziel, einen demokratischen, säkularen, nicht-nuklearen Iran zu errichten.“ Ausdrücklich lobte Pence den Militärschlag Trumps im Juni gegen Anlagen des iranischen Atomprogramms. „Dank des überwältigenden Angriffs der Streitkräfte der Vereinigten Staaten auf das iranische Atomprogramm ist die Welt sicherer geworden“, sagte er. „Und unser Präsident Donald Trump hat dafür gesorgt, dass Iran Israel oder andere Nationen nicht mehr mit nuklearer Vernichtung bedrohen kann und dass das Regime nicht mehr über seine gefährlichste Waffe der Einschüchterung verfügt.“

Für diese Ausführungen bekam Pence kaum Beifall. Der Widerstandsrat lehnt das iranische Atomprogramm ebenso ab wie militärische Interventionen; das betrifft auch den Zwölftagekrieg. Mehr Zuspruch bekam der republikanische Politiker, als er die europäischen Verbündeten aufforderte, wieder „lähmende Sanktionen“ gegen das Regime in Teheran zu verhängen und die iranische Revolutionsgarde als Terrororganisation einzustufen. Auch Guy Verhofstadt äußerte sich in diesem Sinne.

Beides entspricht Kernforderungen des Widerstandsrats. Er unterstützt insbesondere die Wiedereinsetzung von Sanktionen im Zusammenhang mit dem Atomprogramm des Landes. Deutschland, Frankreich und das vereinigte Königreich hatten Ende August einen solchen Mechanismus ausgelöst. Damit verbleiben nun dreißig weitere Tage für eine diplomatische Lösung, bevor die Sanktionen von UN und EU wieder eingesetzt werden, die vor dem Atomabkommen mit Iran von 2015 in Kraft waren.

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