Von: ATİF- Föderation der Arbeiter*innen aus der Türkei in Deutschland/ Avrupa Demokrat
In den letzten Jahren haben Rassismus, innergesellschaftliche Verrohung und Feindlichkeit gegenüber Geflüchteten und Migrant*innen in ganz Europa stark zugenommen und die Grundlagen der Menschenrechte erschüttert. Die neu gebildete CDU/CSU–SPD-Regierung in Deutschland hat begonnen, ihre im Wahlkampf gegebenen Versprechen umzusetzen und die Flüchtlings- und Migrationspolitik massiv zu verschärfen.
Zu den am häufigsten wiederholten Wahlversprechen gehörten: die zwangsweise Rückführung von Geflüchteten in ihre Herkunftsländer, die Abschiebung in sogenannte „Drittländer“, die Wiedereinführung strenger Grenzkontrollen im Schengenraum sowie die Verhinderung neuer Fluchtbewegungen nach Europa.
Diese Forderungen sind nicht nur politische Entscheidungen, sondern eine offene Absage an die europäischen Grundwerte von Menschenwürde und universellen Rechten. Die neue Regierung hat diese diskriminierenden Positionen in den Koalitionsvertrag aufgenommen und damit auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Eine der gravierendsten Maßnahmen ist die Abschaffung des Rechts auf Familiennachzug.
Doch das Recht auf Familie ist ein durch internationales Recht geschütztes Grundrecht. Für Menschen mit anerkanntem Flüchtlingsstatus ist die Möglichkeit, Partner*innen und Kinder nachzuholen, ein unverzichtbarer Bestandteil eines menschenwürdigen Lebens. Die Abschaffung dieses Rechts greift die elementarsten sozialen Bindungen an.
GEFLÜCHTETE WIE STRAFTÄTER*INNEN ZU BEHANDELN IST EIN VERBRECHEN GEGEN DIE MENSCHLICHKEIT
Deutschland – wie auch Europa insgesamt – verweigert sich heute seiner historischen Verantwortung. Die meisten Geflüchteten sind gezwungen, vor Kriegen, Armut, Klimakatastrophen oder autoritären Regimen zu fliehen. Doch hinter vielen dieser Krisen stehen – direkt oder indirekt – die wirtschaftlichen Interessen, Waffenexporte und Ausbeutungspolitiken imperialistischer Staaten.
Allen voran Deutschland und andere westliche Länder schüren weltweit Konflikte und schließen gleichzeitig ihre Grenzen vor denjenigen, die vor diesen Konflikten fliehen. Das ist moralisch widersprüchlich und politisch heuchlerisch.
ZWANGSRÜCKFÜHRUNG HEISST: AUSLIEFERUNG AN KRIEG UND TOD
Mittlerweile werden nicht nur sogenannte „sichere Herkunftsstaaten“, sondern auch Länder wie Syrien und Afghanistan, in denen weiterhin Krieg herrscht, als Rückführungsziele festgelegt. Das bedeutet konkret: Menschen werden Tod, Folter und Traumata ausgeliefert.
Nach der Genfer Flüchtlingskonvention darf kein Mensch in ein Land abgeschoben werden, in dem Leben oder Freiheit bedroht sind. Die aktuelle deutsche Politik verstößt eindeutig gegen dieses Prinzip.
DER AUFSTEIGENDE RASSISMUS IN DEUTSCHLAND UND SEINE POLITISCHE LEGITIMIERUNG
Die jüngsten Äußerungen von Bundeskanzler Friedrich Merz im Zusammenhang mit dem Thema „Stadtbild“ zeigen die Geisteshaltung, die hinter der aktuellen Politik steht. Merz bezeichnete Geflüchtete in Reden als „Gruppen, die sich nicht integrieren und die Wirtschaft belasten“, und machte „die kulturellen Strukturen von Geflüchteten“ für Gewalt gegen Frauen verantwortlich.
Solche Aussagen missbrauchen ein globales Problem wie geschlechtsspezifische Gewalt, um Geflüchtete zu stigmatisieren und rassistische Vorurteile zu vertiefen. Unter dem Vorwand, die Rechte von Frauen zu verteidigen, werden reale Probleme unsichtbar gemacht und Hass gegenüber Schutzsuchenden geschürt.
Diese Sprache ist kein Zufall, sondern Ausdruck einer systematisch wachsenden, institutionell verankerten Diskriminierung. Sie trifft auch Millionen Menschen mit Migrationsgeschichte und vertieft die Spaltung zwischen „uns“ und „den anderen“, wodurch der gesellschaftliche Zusammenhalt gefährdet wird.
DIE ABLEHNUNG VON ASYLANTRÄGEN AUS DER TÜRKEI
Rund 95 % der Asylanträge von Menschen aus der Türkei werden abgelehnt. Diese Entscheidungen ignorieren oft politische Verfolgung, Einschränkungen der Meinungsfreiheit oder unmenschliche Haftbedingungen.
Selbst Menschen, die aufgrund ihrer Identität, Weltanschauung oder politischen Aktivitäten inhaftiert wurden, sollen abgeschoben werden – mit der Begründung, „die Haftbedingungen seien angemessen“. Das ist nicht nur ein Verstoß gegen das Flüchtlingsrecht, sondern auch gegen die menschliche Würde.
AUFENTHALTSRECHT DURCH BERUF – EINE FALLE
Neue Regelungen versprechen Geflüchteten ohne Aufenthaltstitel: „Wenn du eine Ausbildung machst, darfst du bleiben.“ Doch in der Realität ist das kaum möglich – denn für eine Ausbildung braucht man Sprachkenntnisse, und Sprachkurse sind überfüllt, teuer oder erst Monate später zugänglich. Zudem wurde das Recht auf Wiederholungskurse gestrichen. So werden Geflüchtete bewusst in eine Sackgasse geführt. Diese Politik tarnt Ausgrenzung als „Integration“.
UNMENSCHLICHE BEDINGUNGEN IN LAGERN UND UNTERKÜNFTEN
In vielen deutschen Lagern (sogenannten „Heimen“) herrschen unhaltbare Zustände: Überbelegung, fehlende Privatsphäre – oft ohne Türen –, unzureichende Sanitäranlagen und schlechte Hygiene. Erkrankte Geflüchtete erhalten keine direkte medizinische Versorgung, sondern müssen zunächst Genehmigungen beim Sozialamt einholen. Doch Gesundheit ist ein universelles Menschenrecht – sie darf nicht von Formularen oder Bürokratie abhängen.
DIE REAKTIONÄRE WELLE IN EUROPA UND UNSERE GEMEINSAME VERANTWORTUNG
Nicht nur in Deutschland, sondern in fast allen europäischen Ländern verschärft sich die Lage: Von Frankreich bis Italien, von Ungarn bis in die Niederlande werden flüchtlingsfeindliche Gesetze beschlossen und Grenzen mit Mauern befestigt.
Diese Entwicklung bedeutet nicht nur eine Bedrohung für Geflüchtete, sondern auch für die Demokratie und die Menschenrechte selbst. Jeder Angriff auf Geflüchtete ist ein Angriff auf Gleichheit, Solidarität und Humanität. Sich dem entgegenzustellen, ist heute nicht nur ein Akt der Solidarität, sondern ein Kampf für die Freiheit aller Menschen.
GEGEN RASSISMUS UND ABSCHIEBUNGSPOLITIK – GEMEINSAM KÄMPFEN!
Der Druck auf Geflüchtete ist längst kein Einzelfall mehr – er ist Teil staatlicher Politik geworden. Deshalb braucht es nicht nur juristische, sondern auch gesellschaftliche, politische und menschliche Gegenwehr.
Wir müssen den gemeinsamen Widerstand stärken, Bündnisse gegen Rassismus aufbauen und den Protest auf die Straßen tragen.
Flucht ist kein Verbrechen – sie ist ein Überlebenskampf!
Das Recht auf Asyl ist ein Menschenrecht – es darf nicht eingeschränkt werden!
Abschiebungen bedeuten Folter und Tod – sie müssen gestoppt werden!
Allen Geflüchteten müssen menschenwürdige Lebensbedingungen garantiert werden!
ATİF- Föderation der Arbeiter*innen aus der Türkei in Deutschland