Angesichts anhaltender Vorwürfe über Repressionen, antidemokratische Praktiken und Gewalt gegen Frauen innerhalb der Alevitischen Gemeinde Deutschland (AABF) haben sich langjährige Funktionärinnen mit einer gemeinsamen Erklärung zu Wort gemeldet. In dem Statement wird betont, dass die Unterzeichnerinnen die jüngsten Entwicklungen aus nächster Nähe beobachtet hätten. Die Institution sei den Interessen einer kleinen Gruppe ausgeliefert worden, während Belästigung, Beleidigung und Einschüchterung von Frauen systematische Züge angenommen hätten. Nachfolgend der volle Wortlaut der Erklärung:
Aufruf zur Gerechtigkeit gegen Gesetzlosigkeit und Unterdrückung in der AABF
Wir sind Mitglieder (Canlar), die seit Jahren in den Institutionen der AABF dienen und sich für den alevitischen Weg (Yol) einsetzen.
Wir befanden uns inmitten der negativen Entwicklungen in der AABF und wurden direkte Zeugen, wie schlecht dieser Prozess gesteuert wurde.
Mit Sorge haben wir beobachtet, wie unsere Institution den Interessen einer kleinen Profitgruppe ausgeliefert wurde und wie die Struktur, für die wir uns jahrelang engagiert haben, zu einem Machtinstrument in den Händen weniger Einzelpersonen verkommen ist.
Ihr habt Angst und Gewalt so sehr verinnerlicht, dass wir dies während der Generalversammlung am 18.10.2025 [Anm. d. Red.: Datum gemäß Originaltext] am eigenen Leib erfahren mussten.
Ego, Gier und die Sucht nach Posten haben ein solches Ausmaß angenommen, dass ihr Beleidigungen, Belästigungen, Einschüchterungen und die Unterdrückung von uns Frauen als Normalität betrachtet habt.
Ihr habt euch jedes antidemokratische und unrechtmäßige Mittel als Recht herausgenommen.
Es ist ein schmerzhafter Widerspruch, dass der Vorsitzende Hüseyin Mat, der einst rief „Aleviten gehen nicht vor Gericht“, gemeinsam mit Generalsekretär Ufuk Çakır und der Vorsitzenden des Beirats, der Juristin Esma Çakır, einen Anwalt engagiert hat, um einen 75-jährigen alevitischen Ältesten (Mahmut Erdoğan), der diese Missstände kritisierte, vor den Kadi zu zerren.
Derselbe ältere Herr hatte gefragt, warum 54.000 Euro an Erdbebenhilfen an eine private Bäckerei überwiesen wurden. Diese Frage wurde auch in Zeitungen wie Aydınlık, Odatv und Akit thematisiert. Doch gegen diese Medien habt ihr euch nicht getraut, rechtliche Schritte einzuleiten.
Obwohl Özlem Akgül offiziell immer noch die Vorsitzende des Bundes der Alevitischen Frauen in Deutschland (AAKB) ist, habt ihr verfahrenswidrig zunächst Özlem Kara und anschließend Özgür Demir als Vorsitzende eingesetzt. Obwohl die AAKB eine autonome Institution mit eigener Satzung ist und ihr wusstet, dass dies weder mit den Abläufen noch mit dem Recht vereinbar ist, habt ihr diese Praxis durchgesetzt, weil es euch opportun erschien. Damit habt ihr die unrechtmäßige Nutzung von Delegiertenrechten ermöglicht und den Boden dafür bereitet, dass die entsprechenden Personen weiterhin für Ämter kandidieren können.
Der Vorsitzende des AABF-Glaubensrates, Hasan Ali İçlek Dede, erklärte vor einiger Zeit noch: „Der Semah ist kein Schauspiel.“ Doch erst am vergangenen Wochenende teilte er Aufnahmen des von ihm geleiteten Cem-Gottesdienstes auf Facebook.
Anderen erlegt ihr Verbote auf, doch wenn es um euch selbst geht, haltet ihr dasselbe Verhalten für legitim; mehr noch, ihr betrachtet dies als Führungskompetenz. Doch das ist keine Führung – das ist der Missbrauch eines Amtes für persönliche Interessen.
Ihr habt diejenigen angegriffen, die Fragen stellten und Rechenschaft forderten. Ihr habt uns herabgewürdigt und beleidigt. Ihr dachtet, die AABF sei euer Privateigentum.
Wir jedoch werden angesichts dieser Ungerechtigkeit nicht schweigen.
Wir halten es für richtig und unterstützen es ausdrücklich, dass gegen die wenigen Personen, die für diese unserer Institution schadenden Praktiken verantwortlich sind, Strafanzeige bei der deutschen Justiz erstattet wird.
Denn wir glauben daran, dass die Läuterung in alevitischen Institutionen aus den alevitischen Institutionen selbst heraus beginnen muss.
Aus diesem Grund teilen wir der Öffentlichkeit respektvoll mit, dass wir die Einleitung des Verfahrens durch den Disziplinarrat der AABF als einen segensreichen und historischen Wendepunkt für die alevitische Bewegung betrachten.
Unser heute begonnener Kampf um Recht wird unsere Zukunft auf ein solideres Fundament stellen. Wir sind weiterhin die Sprache und der Atem derer, die nicht gehört werden. Und das werden wir auch bleiben.

Die Unterzeichnerinnen:
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Özlem Mirwald – 2. Vorsitzende des Aufsichtsrats der AABF (15. Amtsperiode)
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Yeter Eroğlu – Schriftführerin des Glaubensrats der AABF Rheinland-Pfalz und Mitglied des Glaubensrats im Cemhaus Mainz
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Dilek Şirin – 2. Vorsitzende des Disziplinarrats der AABF
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Semiha Turan – Vorsitzende des Alevitischen Kulturzentrums Bremen
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Nurten Yalnız – Ehemalige 2. Vorsitzende der Landesvertretung NRW und alevitische Kızılbaş-Geistliche (Yol Önderi)
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Filiz Eser – Vorstandsmitglied des Landesverbands NRW und Mitglied des Kultur- und Kunstausschusses im Cemhaus Neuss (Kaarster Str.)
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Elif Duman – Ana, 2. Vorsitzende des Regionalvorstands Nord der AABF
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Güllü Temiz – Vorstandsmitglied des Regionalverbands Nord
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Nurşen Yılmaz – Ko-Vorsitzende des Kultur- und Solidaritätsvereins der Dörfer Becekli und Göktepe