Ist das Diskriminierung? Friseur in Hannover bietet Rabatt an – aber nur für Frauen mit Kopftuch

von Fremdeninfo

 

  • Von: Simon Benne

Ein Friseur in Hannover bietet mittwochs „40 Prozent Rabatt auf alles“ – jedoch nur für Frauen mit Kopftuch. Werden Nicht-Musliminnen damit benachteiligt? Eine Frau sieht sich diskriminiert. Der Friseur beteuert, er wolle niemanden ausgrenzen. Doch auch Experten sehen die Aktion kritisch – und die Stadt geht diplomatisch auf Distanz.

Hannover. Als sie das Plakat sah, war sie schockiert: Eine gepflegte junge Frau, das Haupthaar sorgsam verhüllt, lächelt aus dem Schaufenster des Frisiersalons „Istanbul“ in der Nordmannpassage nahe dem Steintor. Ein Werbeslogan darunter verheißt „Mittwochs 40% auf alles“ – allerdings „Nur für Damen mit Kopftuch“.

Klara Paulmann (Name geändert) ist empört über diese Rabattaktion, die sich offenkundig vor allem an muslimische Kundinnen richtet: „Als Frau, die kein Kopftuch trägt, möchte ich nicht benachteiligt werden“, sagt sie. „Ein solches Vorgehen empfinde ich als ausgrenzend.“

Die agile 82-Jährige sieht in der Werbung eine dreiste Provokation: „Man hat schon genug damit zu tun, sich im Lande rechter Tendenzen zu erwehren“, sagt die Hannoveranerin, die sich von Fremdenfeindlichkeit ausdrücklich distanziert. Ein Rabattangebot, das faktisch muslimische Frauen bevorzuge, spalte die Gesellschaft nur.

„Wollen niemanden ausgrenzen“

Klara Paulmann hat sich bei der Antidiskriminierungsstelle der Stadt beschwert – und gefordert, dass diese das Gespräch mit dem Betreiber des Salons suchen möge.

Dieser steht an einem Freitagnachmittag in seinem Salon hinterm Tresen – und hat viel zu tun. Die Geschäfte gehen gut. „Wir wollen wirklich niemanden ausgrenzen“, beteuert Celal Kilic. „Zu uns kommen Leute ganz unterschiedlicher Herkunft und Religion, und auch die Belegschaft ist multikulturell“, sagt der massige Mann mit dem Vollbart und der tiefen Bassstimme. „Religionsfreiheit ist uns sehr wichtig.“

Der 42-Jährige, geboren in der Türkei, ist selbst muslimischer Kurde – und er ist ein erfolgreicher Geschäftsmann: Vor etwa zehn Jahren habe er das Geschäft in der Nordmannpassage eröffnet, sagt er. Mittlerweile betreibt er noch zwei weitere Läden in der Georgstraße und auf der Lister Meile.

Exklusiv für Frauen

Das Plakat habe er vor allem aufgehängt, um auf ein neues Angebot aufmerksam zu machen: Vor einigen Wochen hat er zusätzlich noch das Obergeschoss des Gebäudes in der Nordmannpassage angemietet und dort einen Bereich eingerichtet, der mittwochs exklusiv Frauen offen steht. Diese werden dann auch ausschließlich von Frauen frisiert.

Die Nachfrage sei groß, sagt Kilic: „Viele Musliminnen nehmen ihr Kopftuch nicht ab, wenn Männer dabei sind.“ Das Rabattangebot gelte prinzipiell natürlich auch für jüdische oder christliche Frauen, versichert er. „Sie müssen eben nur Kopftuch tragen.“ Für Damen ohne Kopftuch, die auch nicht auf den Frauenbereich im Obergeschoss angewiesen seien, gebe es andere gute Sonderangebote.

In vielen Städten existieren mittlerweile Frisiersalons, die spezielle Angebote für meist muslimische Frauen machen: Sie bieten diesen einen „Safe space“, einen geschützten Raum, in dem sie unbefangen das Kopftuch abnehmen können, ohne sich unliebsamen Blicken ausgesetzt zu fühlen.

Schutz oder Ausgrenzung?

Die religiöse Vielfalt im Land wächst, und damit auch der Bedarf nach solchen Dienstleistungen. Auch öffentliche Einrichtungen haben sich längst darauf eingestellt: In Vahrenwald und Stöcken etwa bieten Bäder wöchentliche Frauenschwimmzeiten an, die von Musliminnen gerne genutzt werden.

Den Wünschen der Kundschaft entsprechend haben viele Frisiersalons – insbesondere solche von muslimischen Inhabern – mittlerweile separate Frauenbereiche geschaffen. Nur, dass dies in der Regel nicht mit Rabattaktionen für Kopftuchträgerinnen verbunden ist.

Viele Musliminnen nehmen ihr Kopftuch nicht ab, wenn Männer dabei sind.

Das Beispiel des Salons in der Nordmannpassage zeigt geradezu exemplarisch, zu welchen Spannungen es in einer Gesellschaft kommen kann, die pluralistischer wird und immer wieder neu aushandeln muss, welche Regeln für wen gelten.

Der Fall rührt gleich an mehrere heikle Fragen – und an sensible Themen, aus denen rasch Kulturkämpfe erwachsen können: Wann schlägt der Schutz einer Minderheit um in eine Ausgrenzung anderer Gruppen? Ist Kritik am Kopftuchrabatt nicht automatisch Wasser auf die Mühlen der Rechtsradikalen, die alles Muslimische ohnehin pauschal ablehnen? Doch fördert nicht andererseits eine Rabattaktion, die das Tragen von Kopftüchern belohnt, auch eine konservative Spielart des Islam? Und steht das Kopftuch dabei nicht auch für die Unterdrückung von Frauen?

Kopftuchrabatt ist „irritierend“

„Meine Erfahrung ist: Musliminnen, die Kopftuch tragen, finden den Vorwurf, sie seien Opfer von Unterdrückung und Fremdbestimmung, absurd“, sagt Prof. Wolfgang Reinbold. Der Experte für Interreligiösen Dialog leitet das Haus der Religionen in der Südstadt, das sich seit Jahren für die Verständigung unter den Glaubensgemeinschaften einsetzt.

Das Rabattangebot halte er indes für „irritierend“, so Reinbold: „Es widerspricht faktisch dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Religionen.“ Ein Rabatt, der sich ausschließlich an Frauen mit Kopftuch richte, sei ebenso diskriminierend, wie es ein Rabatt wäre, der nur für Menschen mit Kruzifix-Kette gelten würde: „Für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ist so etwas nicht förderlich.“

Nach der Kritik von Klara Paulmann hat sich auch das Rathaus mit dem Fall beschäftigt. Eine Stadtsprecherin wägt ihre Worte sorgsam, als sie sich dazu äußert: „Unsere Stadt lebt von ihrer Vielfalt. Dazu gehören selbstverständlich auch Frauen, die ein Kopftuch tragen“, betont sie. Muslimische Frauen würden vielfach benachteiligt, sagt die Sprecherin vorausschickend.

Stadt geht auf Distanz

Andererseits sei es nachvollziehbar, dass Klara Paulmann sich irritiert fühle, wenn sie anders behandelt werde als Frauen mit Kopftuch, erklärt die Stadtsprecherin dann – und geht diplomatisch auf Distanz zu der Rabattaktion.

„Wir setzen uns dafür ein, dass alle Menschen die gleichen Chancen haben und den gleichen Respekt erfahren. Dazu müssen bestehende Hürden abgebaut werden – Kundenwerbungen wie diese sind dazu aus unserer Sicht aber nicht geeignet“, erklärt sie. „Unser Ziel ist eine Stadtgesellschaft, in der Unterschiede nicht trennen, sondern bereichern.“

Als Frau, die kein Kopftuch trägt, möchte ich nicht benachteiligt werden.

Klara Paulmann hat mittlerweile Antwort von der Antidiskriminierungsstelle bekommen. Man nehme ihre Wahrnehmung, benachteiligt zu werden, ernst, versichert diese. Einschreiten will die Institution indes nicht: Das Tragen eines Kopftuchs sei eine persönliche Entscheidung, gedeckt von der Religionsfreiheit. Und bei der Werbeaktion handele es sich um eine privatwirtschaftliche Angelegenheit: „Wir als Antidiskriminierungsstelle können daher in diese unternehmerischen Entscheidungen nicht eingreifen.“

Diese Antwort reicht Klara Paulmann nicht aus. „Ich finde das unbefriedigend“, sagt die 82-Jährige. Die Debatte um Rabatte ist für sie noch lange nicht abgehakt.

HAZ

P.S. Fremdeninfo 

  • Die Forderung nach ermäßigten Haarschnitten für Frauen mit Kopftuch in einem Friseursalon in Hannover hat eine neue Debatte ausgelöst.
  • Solche Diskriminierungen sind gesellschaftlich unerwünschte Phänomene. Die Tatsache, dass andere Kunden von diesem Rabatt ausgeschlossen werden, wird als Diskriminierung und Rassismus empfunden.
  • ALLE MENSCHEN SIND VOR DEM GESETZ GLEICH: Solch ein Verhalten würde Wunden in der Gesellschaft reißen, daher sollte solchen Phänomenen kein Raum gegeben werden.“

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