In der vorigen Woche sorgte eine Nachricht aus Pakistan für Aufsehen: Pakistanische Behörden nahmen in der Nacht zum Donnerstag nach Angaben eines Polizeisprechers mindestens 20 Afghanen fest, die eine Aufnahmezusage von Deutschland haben. Die Reaktionen fielen kritisch bis empört aus.
Wie ist die Lage in Pakistan?
Derzeit warten mehr als 2.000 Afghanen im Rahmen der verschiedenen Bundesaufnahmeprogramme in Pakistan auf eine Ausreise nach Deutschland. Sie sind vielfach ehemalige Ortskräfte – also lokale Mitarbeiter, die der Bundeswehr, dem Auswärtigen Amt oder Entwicklungshilfeorganisationen während des Afghanistan-Einsatzes zur Hand gingen – oder gelten als besonders gefährdet. Da die deutsche Botschaft in Kabul seit dem Fall Afghanistans an die islamistischen Taliban geschlossen ist, durchlaufen die Betroffenen in Pakistan ein Prüfverfahren. Allein bis zum Gespräch mit den Sicherheitsbehörden vergehen oft Monate.
Nun teilte ein Sprecher des Auswärtigen Amts mit, dass 211 Afghaninnen und Afghanen mit einer grundsätzlichen Aufnahmezusage aus Deutschland inzwischen aus Pakistan in ihr Herkunftsland abgeschoben wurden.
Was ist der Grund für die Festnahmen?
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat alle Bundesaufnahmeprogramme der Ampelkoalition stoppen lassen. Er befindet sich damit prinzipiell im Einklang mit dem Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD, demzufolge die Aufnahmeprogramme „so weit wie möglich“ beenden werden sollten. Die Entscheidung trifft übrigens auch Regimegegner aus Russland und Belarus, die keine Visa mehr bekommen. Anders als Dobrindt ist Außenminister Johann Wadephul (CDU) der Meinung, dass Deutschland rechtsstaatlichen Grundsätzen folgen müsse. Wer eine Aufnahmezusage bekommen habe, der müsse auch kommen dürfen, findet er. Pakistan hatte den Druck stetig erhöht.
Dobrindt reagierte auf die neuesten Nachrichten mit dem Hinweis, die pakistanischen Behörden seien darüber informiert worden, dass sich unter den Betroffenen auch Menschen in Aufnahmeprogrammen befänden. Es gebe Kontakt zu diesen Menschen – und Unterstützung für sie. Es werde außerdem in jedem Einzelfall geprüft, ob eine rechtsverbindliche Verpflichtung zur Aufnahme bestehe. Daneben finde eine Sicherheitsüberprüfung statt.
Die Flüchtlingsschutzorganisation Pro Asyl hat dessen ungeachtet gemeinsam mit dem Patenschaftsnetzwerk Ortskräfte, dessen Kern aus ehemaligen Bundeswehr-Soldaten besteht, Strafanzeige gegen Dobrindt und Wadephul gestellt. Beide hätten sich unter anderem der unterlassenen Hilfeleistung schuldig gemacht, teilten sie mit.
Ebenfalls am Freitag wurde bekannt, dass das Auswärtige Amt im Rechtsstreit um die Erteilung von Visa für Flüchtlinge aus Afghanistan seine Beschwerde gegen eine Eilentscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts zurückgenommen hat. Das Gericht hatte am 7. Juli entschieden, dass Deutschland einer afghanischen Familie, die 2023 eine Zusage im Rahmen des Bundesaufnahmeprogramms erhalten hatte, Visa zur Einreise erteilen muss. Ein Sprecher des Berliner Gerichts sagte auf Anfrage, dort habe es seit Juli insgesamt 20 ähnlich gelagerte Eilbeschlüsse gegeben. In sämtlichen Fällen sei das Auswärtige Amt mit einer einstweiligen Anordnung verpflichtet worden, den jeweiligen Antragstellenden Visa auszuhändigen.
Wie steht es sonst um die Flüchtlingspolitik?
Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion geht hervor, dass Deutschland für die schon im September letzten Jahres angeordneten Grenzkontrollen bis Ende Juni insgesamt 80,5 Millionen Euro ausgegeben hat. Der größte Posten ist demnach die „Mehrarbeitsvergütung“, also die Bezahlung von Überstunden. Von Mitte September 2024 bis Ende Juni 2025 entfielen darauf 37,9 Millionen Euro.
Dobrindt betonte indes zuletzt erneut die Erfolge. Laut Bundesinnenministerium sind vom 8. Mai bis zum 4. August zwar nur insgesamt 493 Menschen an deutschen Landesgrenzen zurück worden, die ein Asylgesuch gestellt hatten. Die Gesamtzahl der Zurückweisungen gehe allerdings weit darüber hinaus und betrage mehrere Tausend, heißt es. Bei einem Besuch der Bundespolizei in Duderstadt (Niedersachsen) dankte der Minister den Beamten – und stellte klar, dass die Kontrollen lediglich gelten sollten, bis das neue Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) wirke.
Wie geht es weiter?
Ob das Bundesinnenministerium mit Blick auf die Bundesaufnahmeprogramme bei seiner harten Haltung bleibt, ist ungewiss. Ähnliches gilt für die Zurückweisung von Asylbewerbern an den Landesgrenzen. Zwar hat das Verwaltungsgericht die Zurückweisung von drei Somaliern an der Grenze zu Polen für rechtswidrig erklärt. Die meisten Experten weisen dem Urteil eine grundsätzliche Bedeutung zu.
Dobrindt wartet hingegen auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes. Die wiederum kann es erst geben, wenn ein anderes Gericht den EuGH anruft. Genau das halten Fachleute für unwahrscheinlich. Schließlich seien die Zurückweisungen so offensichtlich europarechtswidrig, dass gar keine Anrufung nötig sei.
Von :Artikel von Markus Decker / RND Redaktion Netzwerke Deutschland