Geschlechtertrennung an Unis: Muslimischer Einfluss sorgt für Streit – in ganz Europa
Von telepolis Logbuch
Hübsch, hübsch, aber so idyllisch geht es an den Unis nicht zu. Bild: FamVeld/ Shutterstock.com
Männer vorn, Frauen hinten? Was in Kiel und Berlin für Ärger sorgt, bewegt auch andere EU-Staaten. Drei Beispiele zeigen: Das Problem ist größer.
Die Geschlechtertrennung an Universitäten, ausgelöst durch muslimische Hochschulgruppen, sorgt derzeit für heftige Debatten in Deutschland und anderen europäischen Ländern. Die jüngsten Fälle an der Universität Kiel und der Berliner Charité haben eine Kontroverse über Religionsfreiheit, Gleichberechtigung und die Rolle der Hochschulen als säkulare Institutionen entfacht.
Die Frage ist nun: Werden hier zwei im Grunde unbedeutende Fälle aufgebauscht? Der Blick auf die Hauptfächerebene zeigt: nein. Das Problem ist größer als erwartet.
Frauen nach hinten, Männer nach vorne
Während einer „Islamwoche“ im Mai an der Universität Kiel wurden Studierende im Hörsaal nach Geschlechtern getrennt platziert: Männer saßen vorne, Frauen wurden nach hinten verwiesen. Zusätzlich sollten Frauen und Männer unterschiedliche Eingänge benutzen. Die verantwortliche Islamische Hochschulgruppe (IHG) sprach von einem „freiwilligen Angebot“, kündigte aber an, künftig darauf zu verzichten. Die Universitätsleitung distanzierte sich klar und prüft seitdem das Vergabeverfahren für Räume an studentische Gruppen.
Auch an der renommierten Berliner Charité kam es zu Veranstaltungen, bei denen Männer und Frauen im Hörsaal strikt getrennt saßen. Organisiert wurden diese von der muslimischen Hochschulgruppe „Medislam Collective“, die zudem geschlechtergetrennte Freizeitaktivitäten wie einen „Brüder Activity-Day“ mit Sport oder einen „Schwestern“-Tag mit Kalligrafie-Workshop anbietet. Die Universitätsleitung betonte, dass es sich nicht um offizielle Lehrveranstaltungen handele, prüft aber mögliche Verstöße gegen die Grundsätze der Hochschule.
Kontroversen auch im europäischen Ausland
Doch nicht nur in Deutschland sorgen solche Vorfälle für Aufsehen. Auch in anderen europäischen Ländern gab es in den vergangenen Jahren immer wieder Versuche muslimischer Gruppen, eine Geschlechtertrennung bei Veranstaltungen an Hochschulen durchzusetzen:
Am University College London (UCL) versuchte die Islamic Education and Research Academy (iERA) 2013, Männer und Frauen im Publikum zu trennen. Nach öffentlicher Kritik untersagte die Universität die Praxis und verbot der iERA weitere Veranstaltungen auf dem Campus.
An der Universität Amsterdam forderte 2015 eine muslimische Studierendenvereinigung eine geschlechtergetrennte Sitzordnung. Die Universitätsleitung intervenierte und erklärte, dass solche Praktiken nicht mit den Werten der Universität vereinbar seien.
2017 schlug eine muslimische Studentenorganisation an der Universität Stockholm eine Geschlechtertrennung vor. Nach Protesten von Studierenden und Lehrenden wurde die Trennung aufgehoben. Die Universitätsleitung stellte klar, dass Gleichstellung und Nichtdiskriminierung zu den Grundwerten der Hochschule gehören.
In der Regel reagierten die Universitätsleitungen mit einem Verbot derartiger Praktiken und betonten die Unvereinbarkeit mit den Grundsätzen der Gleichstellung und Antidiskriminierung. Gerichtliche Entscheidungen zu dem Thema gibt es bislang nicht; die Durchsetzung erfolgt über hochschulinterne Sanktionen, politische Kontrolle und allgemeine Antidiskriminierungsgesetze.
Rechtslage eindeutig – Umsetzung eine Herausforderung
Die rechtliche Situation ist in den meisten europäischen Ländern klar: Geschlechtertrennung bei universitären Veranstaltungen ist grundsätzlich unzulässig, es sei denn, sie ist vollständig freiwillig und diskriminiert niemanden. In Deutschland verbieten die Gleichstellungsgesetze der Länder sowie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) eine Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts an Hochschulen.
Ähnlich sieht es im europäischen Ausland aus: In Großbritannien betont die Gleichstellungskommission, dass eine Geschlechtertrennung nur dann zulässig ist, wenn sie nachweislich und vollständig freiwillig erfolgt – was in der Praxis nur schwer sicherzustellen ist. Auch in den Niederlanden, Schweden, Österreich und Belgien untersagen die Antidiskriminierungsgesetze eine Ungleichbehandlung an Bildungseinrichtungen.
Dennoch bleiben die praktische Umsetzung und der Umgang mit religiös motivierten Forderungen nach Geschlechtertrennung eine Herausforderung für die Hochschulen. Sie müssen eine Balance finden zwischen Religionsfreiheit, Gleichstellungsgebot und ihrem Selbstverständnis als weltanschaulich neutrale Orte des Lernens und der freien Entfaltung.
Hintergründe zu den Fällen in Kiel und Berlin
Der Fall an der Universität Kiel hat eine breite gesellschaftliche Debatte ausgelöst. Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) forderte Aufklärung und Konsequenzen. Der Landtag befasste sich mit dem Thema, der Bildungsausschuss lud Hochschulvertreter und Experten zu einer Anhörung. Die Universität leitete eine interne Untersuchung ein, entzog der IHG Privilegien wie die Raumbuchung und verschärfte die Vergabekriterien.
An der Berliner Charité sorgte vor allem für Kritik, dass die geschlechtergetrennten Veranstaltungen des „Medislam Collective“ über einen längeren Zeitraum und wiederholt stattfanden, ohne dass die Hochschulleitung einschritt. Erst durch Bilder und Videos in sozialen Medien wurde die Praxis einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Die Charité kündigte an, mögliche Verstöße gegen ihre Grundordnung zu prüfen und gegebenenfalls Konsequenzen zu ziehen.
Beide Fälle zeigen exemplarisch, wie muslimische Hochschulgruppen versuchen, eine Geschlechtertrennung mit Verweis auf religiöse Gebote zu etablieren. Sie sehen darin ein „freiwilliges Angebot“ – Kritiker sprechen dagegen von sozialem Druck und einer schleichenden Unterwanderung der Gleichstellungsprinzipien. Eine offene Diskussion über die Grenzen religiöser Praktiken an säkularen Bildungseinrichtungen erscheint dringend geboten
Hübsch, hübsch, aber so idyllisch geht es an den Unis nicht zu. Bild: FamVeld/ Shutterstock.com
Männer vorn, Frauen hinten? Was in Kiel und Berlin für Ärger sorgt, bewegt auch andere EU-Staaten. Drei Beispiele zeigen: Das Problem ist größer.
Die Geschlechtertrennung an Universitäten, ausgelöst durch muslimische Hochschulgruppen, sorgt derzeit für heftige Debatten in Deutschland und anderen europäischen Ländern. Die jüngsten Fälle an der Universität Kiel und der Berliner Charité haben eine Kontroverse über Religionsfreiheit, Gleichberechtigung und die Rolle der Hochschulen als säkulare Institutionen entfacht.
Die Frage ist nun: Werden hier zwei im Grunde unbedeutende Fälle aufgebauscht? Der Blick auf die Hauptfächerebene zeigt: nein. Das Problem ist größer als erwartet.
Frauen nach hinten, Männer nach vorne
Während einer „Islamwoche“ im Mai an der Universität Kiel wurden Studierende im Hörsaal nach Geschlechtern getrennt platziert: Männer saßen vorne, Frauen wurden nach hinten verwiesen. Zusätzlich sollten Frauen und Männer unterschiedliche Eingänge benutzen. Die verantwortliche Islamische Hochschulgruppe (IHG) sprach von einem „freiwilligen Angebot“, kündigte aber an, künftig darauf zu verzichten. Die Universitätsleitung distanzierte sich klar und prüft seitdem das Vergabeverfahren für Räume an studentische Gruppen.
Auch an der renommierten Berliner Charité kam es zu Veranstaltungen, bei denen Männer und Frauen im Hörsaal strikt getrennt saßen. Organisiert wurden diese von der muslimischen Hochschulgruppe „Medislam Collective“, die zudem geschlechtergetrennte Freizeitaktivitäten wie einen „Brüder Activity-Day“ mit Sport oder einen „Schwestern“-Tag mit Kalligrafie-Workshop anbietet. Die Universitätsleitung betonte, dass es sich nicht um offizielle Lehrveranstaltungen handele, prüft aber mögliche Verstöße gegen die Grundsätze der Hochschule.
Kontroversen auch im europäischen Ausland
Doch nicht nur in Deutschland sorgen solche Vorfälle für Aufsehen. Auch in anderen europäischen Ländern gab es in den vergangenen Jahren immer wieder Versuche muslimischer Gruppen, eine Geschlechtertrennung bei Veranstaltungen an Hochschulen durchzusetzen:
Am University College London (UCL) versuchte die Islamic Education and Research Academy (iERA) 2013, Männer und Frauen im Publikum zu trennen. Nach öffentlicher Kritik untersagte die Universität die Praxis und verbot der iERA weitere Veranstaltungen auf dem Campus.
An der Universität Amsterdam forderte 2015 eine muslimische Studierendenvereinigung eine geschlechtergetrennte Sitzordnung. Die Universitätsleitung intervenierte und erklärte, dass solche Praktiken nicht mit den Werten der Universität vereinbar seien.
2017 schlug eine muslimische Studentenorganisation an der Universität Stockholm eine Geschlechtertrennung vor. Nach Protesten von Studierenden und Lehrenden wurde die Trennung aufgehoben. Die Universitätsleitung stellte klar, dass Gleichstellung und Nichtdiskriminierung zu den Grundwerten der Hochschule gehören.
In der Regel reagierten die Universitätsleitungen mit einem Verbot derartiger Praktiken und betonten die Unvereinbarkeit mit den Grundsätzen der Gleichstellung und Antidiskriminierung. Gerichtliche Entscheidungen zu dem Thema gibt es bislang nicht; die Durchsetzung erfolgt über hochschulinterne Sanktionen, politische Kontrolle und allgemeine Antidiskriminierungsgesetze.
Rechtslage eindeutig – Umsetzung eine Herausforderung
Die rechtliche Situation ist in den meisten europäischen Ländern klar: Geschlechtertrennung bei universitären Veranstaltungen ist grundsätzlich unzulässig, es sei denn, sie ist vollständig freiwillig und diskriminiert niemanden. In Deutschland verbieten die Gleichstellungsgesetze der Länder sowie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) eine Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts an Hochschulen.
Ähnlich sieht es im europäischen Ausland aus: In Großbritannien betont die Gleichstellungskommission, dass eine Geschlechtertrennung nur dann zulässig ist, wenn sie nachweislich und vollständig freiwillig erfolgt – was in der Praxis nur schwer sicherzustellen ist. Auch in den Niederlanden, Schweden, Österreich und Belgien untersagen die Antidiskriminierungsgesetze eine Ungleichbehandlung an Bildungseinrichtungen.
Dennoch bleiben die praktische Umsetzung und der Umgang mit religiös motivierten Forderungen nach Geschlechtertrennung eine Herausforderung für die Hochschulen. Sie müssen eine Balance finden zwischen Religionsfreiheit, Gleichstellungsgebot und ihrem Selbstverständnis als weltanschaulich neutrale Orte des Lernens und der freien Entfaltung.
Hintergründe zu den Fällen in Kiel und Berlin
Der Fall an der Universität Kiel hat eine breite gesellschaftliche Debatte ausgelöst. Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) forderte Aufklärung und Konsequenzen. Der Landtag befasste sich mit dem Thema, der Bildungsausschuss lud Hochschulvertreter und Experten zu einer Anhörung. Die Universität leitete eine interne Untersuchung ein, entzog der IHG Privilegien wie die Raumbuchung und verschärfte die Vergabekriterien.
An der Berliner Charité sorgte vor allem für Kritik, dass die geschlechtergetrennten Veranstaltungen des „Medislam Collective“ über einen längeren Zeitraum und wiederholt stattfanden, ohne dass die Hochschulleitung einschritt. Erst durch Bilder und Videos in sozialen Medien wurde die Praxis einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Die Charité kündigte an, mögliche Verstöße gegen ihre Grundordnung zu prüfen und gegebenenfalls Konsequenzen zu ziehen.
Beide Fälle zeigen exemplarisch, wie muslimische Hochschulgruppen versuchen, eine Geschlechtertrennung mit Verweis auf religiöse Gebote zu etablieren. Sie sehen darin ein „freiwilliges Angebot“ – Kritiker sprechen dagegen von sozialem Druck und einer schleichenden Unterwanderung der Gleichstellungsprinzipien. Eine offene Diskussion über die Grenzen religiöser Praktiken an säkularen Bildungseinrichtungen erscheint dringend geboten.