Die Grünen-Politikerin Berivan Aymaz, hier bei einer Podiumssitzung als Oberbürgermeisterkandidatin

von Fremdeninfo

Artikel von Sina Zehrfeld/ RP-Online

Düsseldorf. Am Sonntag geht es in die Stichwahl. Dann könnte die Politikerin Berivan Aymaz die erste grüne Oberbürgermeisterin einer deutschen Millionenstadt werden, sofern sie sich gegen den SPD-Kandidaten Torsten Burmester durchsetzt. Für Aymaz ist ihre eigene Einwanderungsgeschichte ein Antrieb

Berivan Aymaz ist Landtagsabgeordnete, sie ist Vize-Präsidentin des nordrhein-westfälischen Parlaments – im Politikbetrieb auf dieser Ebene ein alter Hase. Nun will sie erste grüne Oberbürgermeisterin der größten Stadt Nordrhein-Westfalens werden, überhaupt die erste grüne Oberbürgermeisterin einer deutschen Millionenstadt.Als Person mit Migrationsgeschichte – das ist ein Punkt, den sie selbst hervorhebt. „Köln hat meiner Familie und mir vor 45 Jahren eine Heimat gegeben, als wir keine mehr hatten“, schreibt sie ganz oben auf ihrer Homepage zum Kommunalwahlkampf. Jetzt wolle sie dafür sorgen, dass die Stadt Heimat sei für alle Kölnerinnen und Kölner.

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Die 53-jährige Aymaz stammt aus der Provinz Bingöl in der Türkei. Sie kam als Sechsjährige nach Deutschland. Damals noch nicht unter dem Vorzeichen, dass es für immer sein würde: Ihr Vater war gerade Kulturattaché im diplomatischen Dienst geworden und holte Frau und Kinder nach. Doch mit dem Militärputsch in der Türkei im Jahr 1980 wurde, so Aymaz‘ Schilderungen, alles anders. Es wurde klar, dass dem Vater wegen seiner kurdischen Herkunft Gefahr drohte, und die Familie blieb in Deutschland. Genauer: in Köln. Dort ging Aymaz zum Gymnasium, machte 1990 das Abitur, studierte – schlussendlich jeweils ohne Abschluss – Rechtswissenschaften und Politikwissenschaften, arbeitete als Übersetzerin.

Persönliche Erfahrungen als Antrieb des eigenen Handelns

Berivan Aymaz beschreibt sich selbst als von Jugend an familiär politisch geprägt. Nicht zuletzt durch ihren Vater, der in der Türkei auch Bürgermeister gewesen war. „Politik ist Alltag bei uns am Küchentisch gewesen“, sagte sie unserer Redaktion. „Ich habe aber auch sehr früh erleben müssen, zu welchen persönlichen Schicksalen es führt, wenn Demokratien abgeschafft werden. Für mich und meine Familie bedeutete das, von einem privilegierten Diplomatenstatus in ein Exilleben zu rutschen.“ Diese Erfahrung, so die Politikerin, habe sie „zu einer Verteidigerin für eine offene, lebendige und gerechte Gesellschaft gemacht“.

Schon früher hat Aymaz ihre persönliche Lebenserfahrung in Worte gefasst: „Ich weiß, was es bedeutet, in ein Land zu kommen, dessen Sprache man nicht spricht. Sich neu einzubringen. Ich kenne die Hürden, aber auch die Chancen einer Migrationsgesellschaft.“ Als junge Frau war sie 1993 Mitbegründerin der Kurdischen Gemeinde Deutschland, ein Jahrzehnt blieb sie deren Generalsekretärin. Mitglied der Grünen ist sie seit 2009, und in den folgenden Jahren ging es für sie politisch recht rasant voran: Bundestagskandidatin 2013, Einzug in den Stadtrat 2014, in den Landtag 2017 – damals noch über die Liste. 2022 gewann sie das Landtagsdirektmandat.

Als erste Frau mit Migrationsgeschichte zur Landtagsvizepräsidentin gewählt

Offensichtlich legte Aymaz in der Vergangenheit stets Wert auf den Blick über Deutschlands Grenzen hinaus. In der Grünen-Landtagsfraktion ist sie heute jedenfalls Sprecherin für Europa, Internationales und Eine Welt. Über das Programm „Demokratie-Brücken“, in dem Abgeordnete Patenschaften für verfolgte Parlamentarier und Menschenrechtsaktivisten erklären können, hat sie eine solche für den in der Türkei inhaftierten Politiker Selahattin Demirtaş übernommen.

Zu ihrer besonderen Rolle im Landtag sagt sie: „Dass ich dort als erste Frau mit Migrationsgeschichte zur Vizepräsidentin gewählt wurde, war ein starkes Zeichen.“ Aber Oberbürgermeisterin von Köln zu werden, das wäre „noch einmal etwas anderes“.

Binnen der letzten zehn Jahre sei Köln sichtbarer, vielfältiger und internationaler geworden, und das sei ein Gewinn, hat Aymaz in der Wahlkampfphase in einem Interview mit t-online erklärt. Nur könnten manche Bereiche damit nicht mithalten: Mobilität, Wohnen, die soziale Infrastruktur. Zu ihren lokalpolitischen Zielen gehören – neben Dingen wie Klimaneutralität bis 2035 und mehr Schwimmunterricht an Schulen – Angebote gegen Drogenszene und Obdachlosigkeit, mehr genossenschaftliche Wohn- und Bauprojekte.

Bei der Kommunalwahl am 14. September holte Berivan Aymaz beim Rennen um den Chefsessel im Kölner Rathaus rund 28 Prozent der Wählerstimmen. Damit lag sie zwar vorn, aber mit einem überschaubaren Abstand. Ihr Konkurrent, der SPD-Kandidat Torsten Burmester, kam auf rund 21 Prozent. Am Sonntag, 28. September, geht es nun bei der Stichwahl zwischen den beiden um das wichtigste Amt für die viertgrößte Stadt Deutschlands.

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