Von: Isa Turan/Schweden
Wohin steuert Europa?
Mit dem Migrationspaket, das im Juni 2026 in Kraft treten soll, versucht Europa, sich als eine Art Küstenfestung zu inszenieren. Es heißt, die Wellen würden „eingedämmt“ und die Grenzen sicherer gemacht werden… Doch in Wahrheit zielen diese Festungsmauern nur darauf ab, eine unsichtbare Mauer zu errichten, den Menschenstrom zu verlangsamen und umzuleiten. Die Behauptung, die Integration würde erleichtert, klingt zwar gut; doch hinter diesen Worten verbirgt sich der Versuch, die rechtsextremen und nationalistischen Winde in Europa zu besänftigen.
Dabei ist Migration ein unaufhaltsamer Fluss. Diese Strömung, genährt von Krieg, Armut, Unterdrückung und Hoffnungslosigkeit, wird immer wieder über die Ufer treten. Angesichts der alternden Bevölkerung und des Arbeitskräftebedarfs in Europa basieren die Dämme, die gegen diesen Fluss errichtet werden, nicht auf der Realität, sondern auf einer Illusion. Dies ist keine langfristige und rationale Strategie, sondern ein Eingriff, der lediglich einen vorübergehenden Eindruck erwecken soll.
Das neue Paket ist zum Teil ein Versuch, den Erwartungen jener Wähler gerecht zu werden, die sich der Illusion hingeben, der „Fluss werde vollständig versiegen“. Aber ist es möglich, den Lauf eines Gewässers zu stoppen? Werden Menschen, die vor dem Tod und vor Unterdrückung fliehen und nach Hoffnung suchen, einfach vor den Grenzen stehen bleiben und warten? Asylanträge, die in Zentren außerhalb der EU bearbeitet werden, ändern den Lauf des Flusses nicht; sie schaffen lediglich eine Strömung fernab der Öffentlichkeit, die in Vergessenheit gerät.
Im Kern der Entscheidung liegt das Ziel, schnellere, umfassendere und weiter entfernte Überflutungen zu verhindern. Es ist bemerkenswert, wie sehr sich die EU-Institutionen zunehmend vom sicherheitspolitischen Wind der extremen Rechten treiben lassen: automatische Warnungen, verbindliche Rückführungsanordnungen, beschleunigte Verwaltungsverfahren… Hier herrscht eine technokratische Verwaltung, bei der nicht nur Effizienz im Vordergrund steht, sondern die Kontrolle über das Recht gestellt wird – wie ein menschlicher Eingriff, der das Flussbett verändert.
Doch Europas institutionelle Strukturen, demokratische Normen und das kulturelle Gefüge sind angesichts dieses Stroms nicht zusammengebrochen und werden es auch nicht. Große gesellschaftliche Veränderungen können nicht den Migranten angelastet werden, die wie dieser Fluss strömen. Der Diskurs, der Migration als Bedrohung darstellt, erzeugt nur Angst und Illusionen und verzerrt die Realität.
Europa steht heute an einem Scheideweg; es sucht ein Gleichgewicht zwischen den an seinen Ufern emporragenden Festungsmauern und der Kraft des Flusses. Kurzfristige Sicherheitsreflexe erheben sich im Schatten langfristiger Werte. Die eigentliche Frage lautet: Welche Werte werden angesichts dieses Flusses aufgegeben, und wer wird den Preis dafür zahlen?