Migranten als nationale Minderheit: Ein notwendiger Schritt für Deutschlands Demokratie

von Fremdeninfo

Uwe Schmidt/Berlin
„Ihr jahrelanger Kampf für die Belange von Migranten ist aus meiner Sicht von unschätzbarem Wert. In Europa, und insbesondere in Deutschland, führen Sie den notwendigen Kampf gegen Rassismus und Nationalismus mit großer Entschlossenheit. Ich weiß nur zu gut, wie steinig, gewunden und herausfordernd dieser Weg ist.

In einer Zeit, in der die deutsche Gesellschaft nach rechts rückt, ist es eine Tatsache, dass dieser Kampf sowohl schwieriger als auch entscheidender geworden ist. Ihre Bemühungen, die in allen gesellschaftlichen Bereichen ausgegrenzten, herabgesetzten und diskriminierten Migranten zu sensibilisieren, damit sie für ihre eigenen Belange eintreten, sind höchst anerkennenswert.

Dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, wird zwar theoretisch akzeptiert, doch in der Praxis werden die entsprechenden Voraussetzungen nicht erfüllt. Dieser Status bleibt oft nicht mehr als ein bloßer Slogan. Ich schließe mich der Theorie von Herrn Cumali Yağmur von Fremdeninfo, Migranten als eine ‚Minderheit‘ anzuerkennen und ihnen alle damit verbundenen Rechte zu gewähren, von ganzem Herzen an.

Migranten sind seit über einem halben Jahrhundert über verschiedene Generationen hinweg zu einem festen Bestandteil der deutschen Gesellschaft geworden. Dass diese Menschen noch immer nicht den Status einer Minderheit genießen, ist ein historischer Irrtum. Einige deutsche Politiker sind aufgrund ihrer nationalistischen, rassistischen und chauvinistischen Haltung derart verblendet, dass sie die Realität nicht mehr sehen können.

Es ist ein Phänomen, das begrüßt werden muss, dass Migranten in Deutschland trotz aller Hindernisse aus eigener Kraft aufsteigen und Erfolge erzielen. Diese Menschen, die trotz Ausgrenzung um ihren Platz in der Gesellschaft kämpfen, sollten gewürdigt werden. Der Weg, um die Ziele rechter und faschistischer Parteien, die ihre Strategien auf Migrantenfeindlichkeit aufbauen, zunichtezumachen, besteht darin, Migranten als Minderheit anzuerkennen und ihnen alle demokratischen Rechte zu gewähren. Den Migranten diese Rechte aus Angst vor Wählerverlusten vorzuenthalten, ist mit demokratischen Werten nicht vereinbar.

Deutschland muss aus den Fehlern der Vergangenheit lernen; diese Fehler dürfen sich niemals wiederholen. Solange man die im Land lebende migrantische Minderheit schützt und unterstützt, kann sie vollends in die Gesellschaft integriert werden. Wer Migranten ausgrenzt, grenzt letztlich sich selbst aus und isoliert sich. Für die Institutionalisierung der Demokratie und um ein Abdriften der Gesellschaft nach rechts zu verhindern, fungieren Migranten als eine Art ‚Puffer‘. Der gemeinsame Kampf für die Demokratie – zusammen mit der 25 Millionen Menschen starken migrantischen Bevölkerung – gegen das Erstarken faschistischer Parteien in Deutschland ist der einzige Weg, die Demokratie zu bewahren.

Warum verweigert Deutschland den Migranten diese Rechte, während es anderen Minderheiten im Land Minderheitenrechte zugesteht? Das ‚Rahmenübereinkommen des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten‘ sollte auch auf Migranten Anwendung finden.

Wir müssen die von Herrn Yağmur angestoßene Debatte konsequent gemeinsam weiterführen, um zu erreichen, dass dieses Rahmenübereinkommen des Europarates auch für Migranten anerkannt wird. Sollte dies auf politischem Wege nicht gelingen, müssen wir bereit sein, bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ziehen, um dies durchzusetzen.

Ich werde den Lesern im Folgenden erläutern, was das ‚Rahmenübereinkommen des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten‘ beinhaltet und welche Volksgruppen es derzeit offiziell als Minderheiten anerkennt.“

Nationales und internationales Minderheitenrecht

Der Schutz der nationalen Minderheiten in Deutschland sowie ihrer Sprachen wird durch Vorschriften des deutschen Rechts als auch durch internationale Abkommen gewährleistet.

 

Inhaltsverzeichnis

Unsere Verfassung verbietet jede Form von Diskriminierung wegen der Sprache oder auf Grund von Heimat und Herkunft (Artikel 3 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz). Daran sind neben der Gesetzgebung auch die Verwaltung auf allen staatlichen Ebenen sowie die Rechtsprechung gebunden. Bereits dadurch sind Minderheiten in Deutschland geschützt. Darüber hinaus gibt es weitere Regelungen und Vereinbarungen.

Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten

Externer LinkÜbersicht der Berichte der Bundesrepublik Deutschland zum Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten und Stellungnahmen des Europarates

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Das Übereinkommen des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten verbietet jede Diskriminierung einer Person wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit. Ebenso schützt es die Angehörigen dieser Minderheiten vor einer Assimilierung gegen ihren Willen. Ferner verpflichtet es die Mitgliedstaaten zum Schutz der Freiheitsrechte und zu umfänglichen Fördermaßnahmen zu Gunsten der nationalen Minderheiten.

Für Deutschland ist das Rahmenübereinkommen am 1. Februar 1998 in Kraft getreten und hat Geltung im Rang eines Bundesgesetzes.

Die Unterzeichnerstaaten müssen innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten den Europarat umfassend über die Umsetzung informieren. Danach müssen sie alle fünf Jahre Bericht erstatten. Ein beratender Ausschuss unabhängiger Experten unterstützt den Europarat bei seinen Kontrollaufgaben.

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Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen

Traditionell in einem Staat gesprochene Minderheiten– und Regionalsprachen sollen mit der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen als bedrohter Aspekt des europäischen Kulturerbes geschützt und gefördert werden.

In Deutschland werden sechs Minderheitensprachen nach der Sprachencharta geschützt:

  • Dänisch
  • Nordfriesisch
  • Saterfriesisch
  • Romanes
  • Niedersorbisch
  • Obersorbisch

Als eigenständige Sprache ebenfalls geschützt wird die Regionalsprache Niederdeutsch, die in acht der sechzehn deutschen Bundesländer gesprochen wird.

Die nach der Sprachencharta vorgesehenen staatlichen Maßnahmen beziehen sich etwa auf verschiedene Lebensbereiche.

Dazu gehören folgende Maßnahmen:

  • Unterricht der Sprache und in der Sprache
  • Verwendung der Regional- oder Minderheitensprachen vor Verwaltungsbehörden
  • Nutzen der Sprache in Rundfunk und Presse, bei kulturellen Tätigkeiten und Einrichtungen sowie im wirtschaftlichen und sozialen Leben

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Umsetzung der Sprachencharta

Die Unterzeichnerstaaten haben die Möglichkeit, aus den oben genannten Lebensbereichen zwischen mehreren Verpflichtungen zu wählen. Jede Vertragspartei muss dabei mindestens 35 Paragrafen oder Absätze aus den in der Sprachencharta aufgeführten Verpflichtungen anwenden.

Für die Umsetzung der Sprachencharta sind in der Bundesrepublik Deutschland vor allem die Länder und nur in geringem Umfang der Bund zuständig. Vor der Unterzeichnung der Sprachencharta durch die Bundesrepublik Deutschland wurde daher den Ländern die Möglichkeit eröffnet, sich angepasst an die unterschiedlichen Lebensbedingungen der einzelnen Minderheiten– und Sprachgruppen vor Ort situationsgerecht zur Umsetzung einzelner Maßnahmen zu verpflichten. Die Verpflichtungen der jeweiligen Länder variieren daher im Detail – je nach der dort angesiedelten Minderheit und/oder Sprachgruppe.

Die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen ist ebenfalls ein Abkommen des Europarats. Sie trat am 1. Januar 1999 für Deutschland in Kraft. Wie das Rahmenübereinkommen gilt die Sprachencharta in Deutschland als Bundesgesetz. Deutschland muss wie alle übrigen Unterzeichnerstaaten dem Europarat alle drei Jahre, ab Juli 2021 alle fünf Jahre, einen Bericht über die Umsetzung der Sprachencharta vorlegen. Der Europarat wird bei seinen Kontrollaufgaben durch einen Sachverständigenausschuss unterstützt.

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Bundestagswahlrecht und Parteienrecht

Die sogenannte Fünfprozentklausel besagt, dass bei Bundestagswahlen bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur die Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf Prozent der Zweitstimmen erhalten haben. Diese Regelung gilt für Parteien nationaler Minderheiten nicht (§ 4 Abs. 2 Satz 3 Bundeswahlgesetz).
Im Bundeswahlgesetz wurden zudem für die Kreiswahlvorschläge und die Landeslisten von Parteien nationaler Minderheiten Sonderregelungen im Hinblick auf das Erfordernis von Unterstützungsunterschriften getroffen (§ 20 Abs. 2 Satz 4, § 27 Abs. 1 Satz 4 Bundeswahlgesetz).

Nach dem Parteiengesetz werden Parteien nationaler Minderheiten bei der staatlichen Finanzierung sowie beim Sammeln ausländischer Spendengelder privilegiert (§ 18 Abs. 4 Satz 3, § 25 Abs. 2 Nr. 3b Parteiengesetz).

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Roma-Strategie der Europäischen Union

Externer LinkGleichstellung, Inklusion und Teilhabe der Roma in der EU

zur Webseite der Europäischen Kommission

Die Europäische Kommission hat unter deutscher Ratspräsidentschaft im Oktober 2020 einen neuen strategischen EU-Rahmen zur Gleichstellung, Inklusion und Teilhabe der Roma bis 2030 vorgelegt.

In Ergänzung hierzu hat das Bundeskabinett am 23. Februar 2022 das nationale Handlungskonzept „Antiziganismus bekämpfen, Teilhabe sichern!“ beschlossen.

Über dessen Umsetzung informiert die Bundesregierung ab 2023 alle zwei Jahre im Rahmen eines Berichtes. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) schreibt das nationale Handlungskonzept fort und koordiniert die Erstellung der Berichte.

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