In unsicheren Zeiten braucht es starke Männer.

von Cumali Yağmur

Von: Diden Zeylan

Man sagt:
In unsicheren Zeiten braucht es starke Männer.
Mit Krawatte, Kanzel, Kommando und klarer Kante.
Die „das Ruder übernehmen“,
aber wehe, wenn Frauen es in die Hand nehmen.
Man sagt:
Wir brauchen Macher. Entscheidungsträger. Alphatiere.
Doch wer entscheidet, was Stärke ist?
Die Faust auf dem Tisch –
oder die Hand, die andere mitzieht?
Willkommen im Jahr 2025,
wo man noch immer fragt:
„Brauchen wir starke Männer?“
Aber kaum einer fragt:
Was ist mit den starken Frauen?
Die, die nicht führen – weil sie müssen,
sondern weil sie können.
Die nicht schreien – weil sie wollen,
sondern weil sie müssen.
TikTok-Trend:
Tradwife.
Traditionelle Ehefrau,
in Pastell, mit Schürze,
serviert das Abendessen mit einem Lächeln,
nachdem sie ihre Träume in Tupperdosen verstaut hat.
Und das Netz applaudiert.
Denn Retro ist wieder „in“.
Nur nicht der Feminismus.
Der wird als Umerziehung beschimpft.
Als Entmännlichung.
Als Gefahr.
Aber was ist gefährlich daran,
wenn eine Frau
ihre eigenen Grenzen definiert?
Heute haben Frauen Sitze in Vorständen –
aber oft nur,
wenn ein Gesetz sie hinsetzt.
Heute sind sie 50 % der Bevölkerung,
aber nur 32 % im Bundestag.
Heute haben sie eine Stimme,
aber oft wird sie übertönt,
von Meinungen mit Mikrofonen
und Man(n)nifesten,
die sie zurück an den Herd zitieren.
Lächelnd zurück in die Küche –
freiwillig,
aber nie ganz frei.
Manchmal wirkt es,
als würden wir zwei Schritte vor –
und drei zurück tanzen.
Denn während Frauen protestieren,
verabschieden Parlamente
Gesetze, die ihre Körper regulieren.
Während Aktivistinnen im Iran
ihr Leben riskieren
für Haare, Freiheit, Leben –
träumen andere hier
vom Heimchen-Dasein
mit gebügelter Wäsche und konservierter Seele.
Sie sagen,
wir sollen uns nicht so haben.
„Ist doch nicht so schlimm. Ist doch nur Meinung.“
Aber wenn aus Meinung Macht wird,
und aus Macht Gewalt,
dann ist es eben nicht mehr harmlos.
Dann ist es Hannah Arendt-Zeit.
Und was sagt Hannah Arendt?
„Macht entsteht, wenn Menschen gemeinsam handeln.“
Nicht wenn einer schreit.
Nicht wenn einer dominiert.
Sondern wenn viele zusammen aufstehen
für das, was sie verbindet.
Für Gleichheit. Für Freiheit. Für Würde.
Für das, was man Demokratie nennt –
wenn man es ernst meint.
Wir sind Hannahs Erben.
Nicht weil wir klüger sind.
Sondern weil wir wissen:
Macht braucht Gemeinschaft.
Und Gewalt beginnt
da, wo diese zerbricht.
Deswegen sind wir sind laut.
Weil wir leben.
Weil wir glauben.
Weil wir streiten.
Weil wir gestalten.
Weil wir nicht zurückwollen
in eine Zeit,
in der man uns nur sah,
wenn wir still waren.
Denn wir wissen längst:
Der Rückschritt trägt Anzug.
Oder trägt Lippenstift.
Oder trägt Maske.
Aber immer:
trägt er den Wunsch,
uns leiser zu machen.
Wir müssen Räume schaffen,
die Vielfalt nicht nur aushalten,
sondern feiern.
Wo Macht nicht über,
sondern mit Menschen entsteht.
Wo Männer nicht „stark“ sein müssen,
um geliebt zu werden –
und Frauen nicht „lieb“,
um gehört zu werden.
Was tun?
Vielleicht:
Nicht zurück in Rollen,
die uns kleiner machen
als wir sind.
Vielleicht:
Nicht auf die starke Hand warten –
sondern die eigene erheben.
Vielleicht:
Nicht den Mut verlieren.
Denn das ist es, was autoritäre Bilder nicht aushalten:
Widerspruch.
Und die Männer?
Die dürfen stark sein.
Aber bitte nicht im Sinne von Macht.
Sondern im Sinne von Mut.
Mut, Platz zu machen.
Mut, zu hinterfragen.
Mut, nicht zu dominieren –
sondern zu kooperieren.
Mut, auch mal nicht der Erste zu sein.
Denn Stärke ist nicht,
über anderen zu stehen.
Sondern mit ihnen zu wachsen.
Und wir brauchen starke Frauen.
Nicht weil sie Frauen sind.
Sondern weil sie Menschen sind
mit Können, Klugheit, Kraft und klarer Haltung.
Wir brauchen keine Gesellschaft,
die Frauen feiert,
solange sie leise sind,
lieb sind
und lächeln.
Wir brauchen eine Gesellschaft,
die es aushält,
wenn Frauen laut sind,
wütend sind,
und unbequem.
Zwischen Aufbruch und Rückschritt
liegt der Kampf um die Mitte.
Und die ist nicht erreicht.
Noch nicht.
Aber wir gehen weiter.
Nicht, weil wir dürfen.
Sondern weil wir wollen.
Weil wir müssen.
Weil wir können.
Denn wer uns kleinhalten will,
hat noch nie erlebt,
wie groß wir werden können,
wenn wir zusammenstehen.

 

 

 

 

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