Von: RP-Online
Düsseldorf. Nach einer umstrittenen Äußerung zur Migration sieht sich Kanzler Friedrich Merz Vorwürfen ausgesetzt. Der NRW-Integrationsrat sowie mehrere Politiker und Parteifreunde kritisieren seine Wortwahl als diskriminierend und gefährlich. Worum es geht.
Die Äußerung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) im Zusammenhang mit Migration, es gebe „im Stadtbild noch dieses Problem“, offenbart nach Ansicht des Landesintegrationsrats NRW ein „rassistisches Denkmuster“. „Solche Worte öffnen Diskursräume für rechtsextreme Ideologien“, erklärte der Integrationsrat am Donnerstag in Düsseldorf. „Sie implizieren, dass Zugehörigkeit zu Deutschland für den Bundeskanzler auf unwissenschaftlichen biologischen Kriterien basiert.“ Wer diese Unterscheidung treffe, reproduziere bewusst oder unbewusst „ein Denken in rassifizierten Kategorien“. Es handle sich um eine „Ethnisierung“ der Zugehörigkeit zur Gesellschaft, die „an längst überkommen geglaubte Rassevorstellungen erinnert“.
Merz hatte am Dienstag in einer Pressekonferenz auf eine Frage nach der Strategie gegen die AfD auf die Migrationspolitik verwiesen, in der man „sehr weit“ gekommen sei. Er ergänzte: „Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen“. Die Äußerung stieß unter anderem bei SPD und Grünen auf Kritik und wurde als Ablehnung von Migranten gewertet. Regierungssprecher Stefan Kornelius wies diesen Vorwurf zurück und erklärte, es habe sich um eine parteipolitische Stellungnahme von Merz in seiner Funktion als CDU-Chef gehandelt.
Der NRW-Integrationsrat forderte Merz auf, sich öffentlich zu entschuldigen. Politische Führung bedeute auch sprachliche Verantwortung. „Eine verantwortungsvolle Regierungspolitik benennt Migration als integralen Bestandteil der Gesellschaft und schützt die Zugehörigkeit all jener, die hier leben“, heißt es in der Erklärung. „Stattdessen wird Migration noch immer eher als Störfaktor im System betrachtet denn als Normalzustand.“
Die moderne Migrationsgesellschaft sei heterogen, dynamisch und von Mobilität und Globalisierung geprägt, erklärte der Integrationsrat. „Seit vielen Jahrzehnten ist die Vielfalt von Sprachen, Religionen und kulturellen Bezügen gesellschaftliche Normalität.“ Diese Realität finde sich nicht ausreichend in den öffentlichen Debatten wieder.
Berlins Bürgermeister Kai Wegner (CDU) ist auf Distanz zu der Äußerung gegangen. „Berlin ist eine vielfältige, internationale und weltoffene Stadt“, sagte Wegner dem Berliner „Tagesspiegel“. „Das wird sich immer auch im Stadtbild abbilden.“
Es gebe ein Problem „mit Gewalt, Müll und Kriminalität in der Stadt“, sagte Wegner am Rande eines Besuchs in Namibia weiter. „Aber das kann man nicht an der Nationalität festmachen.“ Generell warnte er insbesondere in Bezug auf Kriminalität und Tätergruppen vor verallgemeinernden Aussagen. Wegner bekannte sich allerdings auch zum Ziel verstärkter Abschiebungen ausreisepflichtiger Migrantinnen und Migranten.
Die Äußerung von Merz war vielfach kritisiert worden. Der Linken-Bundestagsabgeordnete Ferat Kocak nannte die Formulierung des Kanzlers am Donnerstag „brandgefährlich“. Er sprach von „blankem Rassismus“. Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge hatte die Worte von Merz zuvor als „diskriminierend“ eingestuft und „mehr Anstand“ von ihm gefordert.