Die taz beendet ihre gedruckte Ausgabe

von Fremdeninfo

Die deutsche Zeitung taz (die tageszeitung) hat ihre gedruckte Ausgabe eingestellt. Nach 46 Jahren täglichen Erscheinens wird die Zeitung nun ausschließlich digital veröffentlicht.

Die taz, die sich selbst als Stimme der linken, oppositionellen Öffentlichkeit versteht, vollzieht eine bedeutende Änderung in ihrem Printleben. Seit 1979 täglich am Kiosk erhältlich, wird die taz ab dem 17. Oktober nur noch einmal pro Woche gedruckt. Die Änderung, die letztes Jahr in der Genossenschaftsversammlung zur Abstimmung gestellt wurde, wurde von 77 Prozent der Mitglieder unterstützt. Journalisten nannten als Grund für diese wichtige Änderung nicht wirtschaftliche Gründe, sondern die Notwendigkeiten der Zeit.

Chefredakteurin Barbara Junge, die mit BirGün sprach, betont, dass die Einstellung der gedruckten Zeitung keine wirtschaftliche Notwendigkeit sei: „Wir stecken in keiner Krise, im Gegenteil, wir tun dies, weil es uns gut geht.“ Junge stellt fest, dass Pandemien und Kriege die Nachfrage erhöht haben, glaubt aber dennoch, dass die Zukunft des Journalismus im Digitalen liegt.
DANK DER LESER
Junge erklärt, dass sie nach der Entscheidung zunächst viel Kritik erhalten und viele Abonnenten der gedruckten Zeitung verloren hätten: „Aber die ‚taz‘ hat eine besondere Leserschaft; sie möchte, dass dieser Journalismus fortgesetzt wird. Diesen Schritt können wir nur dank der Loyalität unserer Leser und Abonnenten gehen.“ Junge betont auch, dass sich die redaktionelle Linie der Zeitung nicht ändern wird, räumt aber ein, dass die Zeitung durch das Ende der täglichen gedruckten Ausgabe in Bereichen, die nicht auf dem Bildschirm sind, weniger wahrgenommen werden wird: „Die Wochenendausgabe wird jedoch weiterhin gedruckt erscheinen. Sie wollen diese Veränderung selbst gestalten und in Zukunft keine Überraschungen erleben.“
Die Aufmerksamkeitsökonomie der sozialen Medien wirft neue Fragen auf. Algorithmen von Plattformen wie Instagram und TikTok belohnen Geschwindigkeit und Polarisierung. Tiefgehende Analysen bleiben oft unsichtbar. Junge erklärt dies so: „Wir müssen uns besser an die Logik des Internets anpassen, als wir es bisher getan haben.“ Sie glaubt jedoch nicht, dass „Überschriften um der Klicks willen“ eine Gefahr für die taz darstellen. Das Problem ist nicht nur für die taz spezifisch. Alle Medienunternehmen fragen sich, wie sie ihre Nutzer im unbegrenzten Informationsmeer finden sollen. Laut Thurman haben Printmedien hier immer noch einen Vorteil:
„Wenn Sie nur online sind, konkurrieren Sie mit Hunderten Millionen von Websites. Bei einer gedruckten Zeitung teilen Sie den Zeitungsstand mit viel weniger Marken.“ Ob die Wochenendausgabe diesen Mangel ausgleichen kann, wird sich mit der Zeit zeigen.
EIN EXPERIMENT FÜR DIE GANZE BRANCHE
Mit dem Ende der gedruckten Tageszeitung beginnt für die taz ein Experiment mit ungewissem Ausgang. „Kurz gesagt, wir fangen bei Null an. Selbst wenn die Dinge nicht ganz so laufen, wie wir es uns wünschen, haben wir derzeit Reserven. Wir können ein, zwei Jahre durchhalten, aber das System muss funktionieren.“ Etwa 60 Prozent der ehemaligen Abonnenten konnten mit großem Aufwand zum Umstieg auf Digital überzeugt werden. Das von der Geschäftsleitung erstellte Worst-Case-Szenario wurde vorerst abgewendet. Junge fügt ehrlich hinzu: „Vielleicht irren wir uns, ich weiß es nicht.“
Steffen Grimberg, Mitglied des Deutschen Journalisten-Verbandes, ist derselben Meinung: „Der Verlag ist nicht mehr so profitabel wie vor 20–30 Jahren, aber immer noch profitabel genug.“ Grimberg betont, dass Deutschland bei der Digitalisierung aus einer starken Position heraus agiere und die Pressestruktur in Deutschland diese Widerstandsfähigkeit gewährleiste: „Über 90 Prozent der Zeitungen sind regional oder lokal. Viele von ihnen sind in ihrem Bereich immer noch gut aufgestellt.“ Er fügt jedoch hinzu, dass die Probleme in den östlichen Bundesländern und ländlichen westlichen Regionen zunehmen.
DIE ERSTE ZEITUNG, DIE DIE DRUCKAUFGABE EINSTELLT
Grimberg stellt fest, dass die taz die erste nationale Zeitung ist, die die tägliche Druckausgabe einstellt, und sagt, dass sie den Prozess mit Interesse verfolgen, aber kurzfristig keine negativen Auswirkungen für die Mitarbeiter erwarten. Laut taz-Chefredakteurin Junge schreitet die Digitalisierung nicht von selbst voran. Letztes Jahr hat die Zeitung erheblich in Videoinhalte investiert, um in den sozialen Medien Aufmerksamkeit zu erregen. Judge sagt, dass die Nutzerzahl, insbesondere auf Instagram, „explodiert“ sei.
Nicht nur die taz, sondern die gesamte Branche wird die kommenden Monate genau beobachten. Grimberg vom Journalistenverband sagt, dass die taz aufgrund ihrer loyalen Leserschaft und ihrer besonderen Struktur nicht verallgemeinert werden kann: „Es werden einige Schlüsse gezogen, es wird Fehler geben, andere werden daraus lernen. Aber ich bin nicht so optimistisch zu sagen: ‚Wenn die taz es geschafft hat, schafft es jeder.‘“
Prof. Neil Thurman von der Ludwig-Maximilians-Universität stellt fest, dass die deutschen Medien bei der Digitalisierung hinterherhinken: „Der deutsche Pressemarkt unterliegt den gleichen Entwicklungen wie in anderen Ländern, nur mit etwas Verzögerung.“ Er weist darauf hin, dass in den USA und Großbritannien Zeitungen schon lange nur noch digital erscheinen. Er sagt, dass deutsche Verlage immer noch auf Kunden zählen können, die in Werbung investieren: „Auf dem Werbemarkt gibt es immer noch viele Unternehmen, die bereit sind, in Printmedien zu werben.“
Selbst wenn der digitale Übergang erfolgreich ist, ist der finanzielle Erfolg nicht garantiert. Laut Prof. Thurman sind die Leser zwar bereit, für hochwertige Online-Inhalte zu zahlen, aber dies deckt nicht die alten Abonnement- und Anzeigeneinnahmen. Für die taz ist die Situation dieselbe: „Mindestens 20 Prozent unserer Abonnenten werden nicht mit uns kommen, und das sind teure Abonnements. Denn die Abonnements unserer loyalen, älteren Kunden sind höherpreisig“, sagt Junge. Sie fügt hinzu, dass viele Verlage anfangs versucht hätten, Leser mit vergünstigten digitalen Paketen und Werbeflächen anzulocken, was auch die Einnahmen gesenkt habe. Die taz nimmt eine Sonderstellung auf dem deutschen Medienmarkt ein. Sie erzielt Einnahmen nicht nur aus Abonnements und Anzeigen, sondern auch von rund 25.000 Genossenschaftsmitgliedern. Dennoch ist die „Geldfrage“ eines der größten Hindernisse bei der Digitalisierung deutscher Zeitungen. Viele Verlage verhalten sich vorsichtig, um ihre relativ guten Zahlen nicht zu gefährden, und verfolgen eine duale Strategie: Digital langsam ausbauen, Printkunden nicht verlieren. Steigende Kosten und Arbeitslast spiegeln sich oft direkt in den Redaktionen wider; bekannt ist, dass Gehälter und Honorare seit Jahren sink

 

 

 

 

 

 

 

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