Bildungspolitik: Was bringt eine Obergrenze für Migranten an Schulen?
Artikel von Von Karin Janke/ S.Z.
Die Schülerschaft wird immer diverser, das fordert die Schulen heraus: Eine Lehrerin im Gespräch mit einer Schülerin in einem Berliner Klassenzimmer. © Maskot/IMAGO
Bundesbildungsministerin Prien denkt darüber nach, die Zahl von Schülern aus Zuwandererfamilien zu deckeln. Das löst eine Debatte aus. Widerstand kommt von Lehrern und den Schülern selbst.
Was bringt eine Obergrenze für Migranten an Schulen?
An vielen Schulen in Deutschland stehen Lehrerinnen und Lehrer vor einer enormen Herausforderung: Sie müssen – weitgehend allein – die Integration junger Menschen bewerkstelligen. Die Aufgabe, Kindern und Jugendlichen mit ganz unterschiedlichen Herkünften und Lebensgeschichten nicht nur Wissen, sondern auch Werte und Fürsorge zukommen zu lassen, ist riesig. Umso bedeutsamer ist die Frage, wie es gelingt, dass niemand um seine Bildungschancen gebracht wird. Bundesbildungsministerin Karin Prien denkt laut über eine Obergrenze für Kinder mit Migrationshintergrund nach und entfacht damit eine Debatte.
Was ist die Ausgangslage?
Deutschland ist ein Einwanderungsland, doch viele Entscheidungen der vergangenen Jahre haben dieser Tatsache nicht ausreichend Rechnung getragen. Gerade im Bildungsbereich entstanden so Probleme. Dabei ist die Gesellschaft in diesem Bereich besonders divers: Während der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund bei den Rentnern nur 14 Prozent beträgt, haben Kindergartenkinder zu 42 Prozent einen Migrationshintergrund. Aus der Diversität ergeben sich Herausforderungen für den Unterricht, auf die viele Lehrerinnen und Lehrer nicht gut vorbereitet sind. Sie müssen eben nicht nur den Schulstoff vermitteln, sondern grundlegende Integrationsarbeit leisten. Und scheitern daran immer wieder. Viel Aufmerksamkeit erhalten Fälle, in denen das Scheitern besonders eklatant wird, wie etwa jener des homosexuellen Lehrers in Berlin, der von Schülern gemobbt wurde.
Was erwägt die Bildungsministerin?
Karin Prien hält eine Obergrenze für Migranten an deutschen Schulen für „ein denkbares Modell“ neben anderen. In einem Interview mit der Welt sagte sie, dass es in dieser Frage sinnvoll sei, „sich die Erfahrungen aus anderen Ländern anzugucken“. Man könne alle möglichen Dinge ausprobieren, wenn sie funktionieren, sagte die CDU-Politikerin. Prien wies aber auch darauf hin, dass das Modell einer Deckelung bisher nicht wissenschaftlich untersucht sei. Für seine Einführung wären in Deutschland die Bundesländer zuständig.
Welche Vorteile hätte das?
Prien verweist auf bisherige Erfahrungen mit einer gesteuerten Verteilung von Schülerinnen und Schülern mit Migrationsgeschichte: So sei bereits in den Jahren nach 2015 und 2022, als jeweils viele Flüchtlinge nach Deutschland kamen, darauf geachtet worden, nicht alle Kinder einer Flüchtlingsunterkunft in der gleichen Schule unterzubringen, sondern sie zu verteilen. Das Ziel solcher Regeln ist es, Lehrkräfte zu entlasten und ein höheres Lernniveau in den Klassen zu schaffen. Die neuerliche Idee einer festen Obergrenze für Migranten stammt allerdings von der AfD: Ende Januar hatte der Brandenburger Landtag einen Vorstoß abgelehnt, der einen Anteil von maximal zehn Prozent Migranten pro Klasse gefordert hatte.
Worin liegen die Bedenken?
Die Bundesschülerkonferenz warnte an diesem Montag mit Blick auf die aktuelle Debatte vor Rassismus. Die Gedankenspiele der Ministerin setzten „ein gefährliches Signal“, dass nicht alle Kinder gleich willkommen seien: „Schulen müssen Orte der Teilhabe sein, nicht der Ausgrenzung.“ Die Bundesschülerkonferenz, die die Landesschülervertretungen bündelt, warf Prien vor, einen Migrationshintergrund mit geringerer schulischer Leistung gleichzusetzen. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Stefan Düll, hält Priens Vorstoß für nicht umsetzbar. Man dürfe nicht nur vom Migrationshintergrund ausgehen, sondern müsse den Sprachstand eines Kindes zugrundelegen, sagte Düll der Augsburger Allgemeinen.
Wie sind die Erfahrungen in anderen Ländern?
Das zitierte Vorbild im Welt-Interview war Dänemark. Dort gibt es allerdings keine gesetzliche Obergrenze für Schulen, sondern lediglich den Versuch, den Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in bestimmten Stadtteilen zu begrenzen. Dänemarks Sozialdemokraten, die für eine sehr restriktive Einwanderungspolitik stehen, fordern zwar immer wieder eine 30-Prozent-Obergrenze von ausländischen Kindern pro Schule, doch am Ende entscheiden Städte und Gemeinden selbst. Vor einigen Jahren machte ein Gymnasium in einem Vorort von Aarhus Schlagzeilen, weil dort der Schulleiter die Kinder nach dem Klang ihrer Nachnamen in Klassen einteilte: eine nur mit nicht dänischen Namen und drei Klassen mit 50 Prozent Ausländeranteil. Die Entrüstung über das Vorgehen war groß.
Welche Lösungsansätze gibt es noch?
Prien verweist darauf, dass ihr mehr noch als die Migrationsgeschichte der einzelnen Schülerinnen und Schüler deren Sprachniveau am Herzen liege. Deshalb fordert sie verpflichtende Sprachtests für Vierjährige und betont die Bedeutung der „Sprachförderung im frühen Alter“. In Bayern etwa gibt es seit März eine verpflichtende Sprachstandserhebung, die Förderbedarf schon im Kindergartenalter erkennen soll. Auch der Lehrerverband legt den Fokus auf das Sprachniveau, schließlich gebe es auch Kinder mit Migrationshintergrund, welche die Sprache beherrschten, so Stefan Düll