´Von: Cumali Yagmur
Ich habe Michail Brumlik 1976 in Frankfurt bei den Grünen kennengelernt. Innerhalb der Partei wurden wir sehr gute Freunde und Kameraden. Da er jüdischer und ich kurdischer Herkunft war, verstanden wir uns sehr gut.
Eines Tages, als die NPD (Nationaldemokratische Partei Deutschlands) in den Frankfurter Stadtrat gewählt wurde, gab es einen großen Protestmarsch. Ganz vorne im Marsch liefen Michail, ich und Michel Friedman. Als wir zufällig am Frankfurter Büro der NPD vorbeikamen, trennte sich eine Gruppe junger Leute vom Marsch und griff das NPD-Büro an. Sie schlugen die Fenster ein und versuchten, ins Gebäude einzudringen, um die Menschen darin zu verprügeln.
In diesem Moment packte mich Michail am Arm und stellte sich vor die Tür des Büros. Er drehte sich zu den jungen Leuten um und schrie: „Ich bin Jude, Cumali ist Kurde! Ihr kommt hier nicht rein, ohne uns umzubringen!“ Obwohl ich mit der Situation anfangs nicht glücklich war, stellten Michail und ich uns vor das NPD-Büro und hinderten die jungen Leute daran, hineinzugelangen.
Von einigen linken Gruppen im Marsch gab es Zwischenrufe wie: „Seit wann beschützt ihr die NPD-Faschisten?“ Diese Worte kränkten und verärgerten mich sehr, aber es war schon zu spät.
Als wir ins Büro der Grünen im Frankfurter Römer zurückkehrten, hatte Joschka Fischer bereits von dem Vorfall gehört. Er wandte sich an uns und sagte: „Ihr habt genau das Richtige getan, die Menge beruhigt und mögliche Todesfälle verhindert.“ Ich aber sprach kein Wort und starrte sehr traurig zu Boden. Joschka Fischer umarmte mich und sagte: „Kopf hoch. Ihr habt richtig und sehr gut gehandelt. Darauf solltet ihr stolz sein.“
Nachdem ich ein wenig nachgedacht hatte, verstand ich, dass wir wirklich das Richtige getan hatten. Wären diese Faschisten gelyncht worden, hätte es Festnahmen gegeben und diese jungen Leute wären ins Gefängnis gekommen. Der Kampf gegen Faschismus, Rassismus und Nationalismus wird nicht gewonnen, indem man sie tötet, sondern indem man die Massen gegen sie aufklärt, organisiert und sich ihnen wie eine Festung in den Weg stellt.
Michail war ein Freund, mit dem ich bei den Grünen zusammengearbeitet und mich sehr gut verstanden habe. Heute spüre ich den Schmerz seines Verlusts in meinem Herzen.
Ruhe in Frieden, mein Freund. Möge die Erde dir leicht sein und die Sterne deine Gefährten.