Proteste und Rechtspopulismus schaffen in Großbritannien eine Wir-gegen-die-Stimmung. Die Regierung ist
in der Defensive, sogar Premier Keir Starmer übernimmt Rhetorik vom rechten Rand. Eine Analyse
Mit seiner Rede am Dienstag sorgte Nigel Farage, Chef der rechtspopulistischen Partei Reform UK, für politische Erschütterungen im Vereinigten Königreich. Er forderte die Abschaffung zentraler Menschenrechtsgesetze sowie die Abschiebung von Hunderttausenden Asylsuchenden. Farage fabulierte von einer„Invasion“ durch irregulär eingereiste Menschen. Unter dem Titel „Operation Wiederherstellung der Gerechtigkeit“ präsentierte er ein Programm, das den britischen Diskurs über Migration in Großbritannien noch weiter nach rechts verschiebt. Britische Fernsehsender boten dem umstrittenen Politiker eine öffentliche Großbühne. Das Boulevardblatt „Daily Mail“ titelte am Mittwoch, Farage sei endlich jemand, der das Problem der illegalen Migration „verstehe“.
Jüngste Umfragen zeigen, dass Migration für fast die Hälfte der Britinnen und Briten mittlerweile das wichtigste politische Thema ist, noch vor Wirtschaft und Gesundheit. Von dieser Stimmung profitiert Reform UK. Die Rechtspopulisten liegen in den meisten Umfragen mittlerweile vor der regierenden Labour-Partei und überzeugen die Brit:innen dabei mit Parolen, die zwar griffig klingen, sich jedoch kaum umsetzen lassen. So fordert Farage Massenabschiebungen, obwohl solche Pläne in der Realität wegen rechtlicher und politischer Hürden kaum Bestand hätten. Dass Großbritannien im europäischen Vergleich wenige Geflüchtete aufnimmt, lässt er dabei ebenso unerwähnt wie die Tatsache, dass Zuwanderung Wirtschaft und Staatsfinanzen auf der Insel nachweislich stärkt. Seine Zuspitzungen leben vom politischen Effekt, nicht von der Faktenlage. Sie verfangen, weil sie Ängste schüren und Asylsuchende nicht als Menschen, sondern als gesichtslose Bedrohung darstellen. Labour gerät damit zunehmend in die Defensive, und selbst Premierminister Keir Starmer greift inzwischen Formulierungen auf, die bislang vom rechten Rand kamen.