Nach Angaben des Bundesinnenministeriums befinden sich Hunderte deutsche Islamisten weiterhin im Ausland. Auf Anfrage von Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte ein Sprecher des Ministeriums: „Von den rund 1.150 deutschen oder aus Deutschland stammenden Islamisten, die seit 2011 nach Syrien und in den Irak gereist sind, sind nach unserem Kenntnisstand etwa 35 Prozent noch im Ausland.“
Laut den Sicherheitsbehörden befindet sich ein erheblicher Teil dieser Personen immer noch in Syrien. Das Ministerium gibt an, dass es konkrete Beweise dafür gibt, dass etwa 65 Prozent der mehr als 1.000 ausgereisten Personen an Aktivitäten im Zusammenhang mit dem IS, Al-Qaida oder nahestehenden Gruppierungen beteiligt waren.
Häftlinge und der Appell der Familien
Wie die Zeitungen berichten, geben kurdische Behörden in Nordsyrien an, dass etwa 30 deutsche Staatsbürger als IS-Verdächtige in der Region inhaftiert sind. Die kurdische Autonomieverwaltung hält Tausende ausländische Kämpfer in Gefängnissen fest. Die Bundesregierung schätzt die Zahl ihrer eigenen Staatsbürger hingegen auf eine „niedrige bis mittlere zweistellige Zahl“.
Das Bundesinnenministerium erklärte, dass keine Rückführung dieser Häftlinge nach Deutschland geplant sei. Das Auswärtige Amt vertritt eine ähnliche Haltung.
Als Reaktion auf diese Situation haben die Familien von zehn deutschen Häftlingen in einem offenen Brief an die Bundesregierung die Rückholung ihrer Kinder gefordert. In dem Brief, über den die Funke Mediengruppe berichtete, heißt es von den Familien: „Unsere Söhne, Brüder oder Enkel haben sich in unserer deutschen Gesellschaft radikalisiert. Die Verantwortung dafür tragen nicht Syrien, sondern wir alle.“
Die Familien wiesen auf die schweren humanitären Bedingungen in den Gefängnissen hin und warnten: „Es besteht die große Gefahr, dass unsere Söhne, die sich am Ende des sogenannten Kalifats vom IS abgewandt hatten, unter diesen Bedingungen erneut radikalisiert werden oder schwere gesundheitliche und psychische Schäden erleiden.“
Deutschland hatte in der Vergangenheit bereits zahlreiche Frauen und Kinder aus Lagern in Nordsyrien zurückgeholt.
Transits über die Türkei und Rückkehrversuche
Die meisten der aus Deutschland zum IS Ausgereisten gelangten über die Türkei nach Syrien. Einige von ihnen lieferten symbolische Abschiedsbilder, indem sie in weißen Kaftanen vom Frankfurter Flughafen in die Türkei flogen. Diese Aufnahmen wurden später von der Polizei zur Identifizierung verwendet.
Einige Personen, die vor dem Grenzübertritt nach Syrien in Lagern nahe Gaziantep ausgebildet wurden, mussten hohe Summen an die Lagerleitung zahlen, um zurückkehren zu können, als sie ihre Meinung änderten. Es wird berichtet, dass die Lagerleiter den Familien, die ihre Kinder zurückholen wollten, sagten: „Diese Personen haben uns 7.000-8.000 Euro gekostet. Wenn Sie dieses Geld bezahlen, können Sie Ihre Kinder mitnehmen.“ Einige Familien konnten ihre Kinder durch Zahlung dieser Gebühren zurückholen.
Auch alevitische Jugendliche im Visier
Es gab auch solche, die in den Reihen des IS in Syrien kämpfend ihr Leben verloren. Ein weiterer bemerkenswerter Punkt ist, dass sich unter den IS-Anhängern auch Jugendliche alevitischer Herkunft befanden. Es wird berichtet, dass diese Jugendlichen sich gegen ihre Familien stellten und sie beschuldigten, „vom Islam abgefallen und nicht religionsverbunden zu sein“. Es wird angenommen, dass diese von radikalen Gruppen einer Gehirnwäsche unterzogenen Jugendlichen getäuscht und nach Syrien gebracht wurden.
Sicherheitsrisiko wächst
Der Sprecher des Innenministeriums betonte, dass die deutschen Sicherheitsbehörden die Beteiligung dieser Personen an Terrorgruppen im Ausland und ihre Reisebewegungen genau beobachten. „Militärisch an Waffen und Sprengstoff ausgebildete und ideologisch indoktrinierte Personen stellen ein besonderes Sicherheitsrisiko dar“, sagte er. IS-Anhänger werden nicht nur der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung beschuldigt, sondern auch schwerer Verbrechen wie Folter und Vergewaltigung.
Zudem wird betont, dass IS-Sympathisanten in jüngster Zeit bereits in sehr jungem Alter Interesse an der Organisation zeigen und das Durchschnittsalter der Festgenommenen sinkt. Die Organisation war anfangs in den sozialen Medien aktiv, hat aber im Laufe der Zeit eine verdecktere Struktur angenommen. Nun versucht sie, insbesondere bei den Freitagsgebeten in Moscheen Propaganda zu betreiben und setzt ihre Organisation durch geheime Treffen in Wohnungen fort.