Gedenken an das Massaker von Maraş

von Cumali Yağmur

Turgut Öker

Vor 47 Jahren, zwischen dem 19. und 26. Dezember 1978, wurde in Maraş ein barbarischer Völkermord begangen. Hunderte von Kindern, Jugendlichen und alten Menschen – unschuldige Aleviten, die in Maraş lebten – wurden grausam ermordet.

Während des Völkermords wurden Revolutionäre, Aleviten und die Opfer selbst, die unter Einsatz ihres Lebens bis zum Äußersten Widerstand leisteten, um noch mehr Morde zu verhindern, vor Gericht gestellt und jahrelang in Gefängnissen dem Verfall preisgegeben. Der Rädelsführer des Völkermords, Ökkeş Şendiller, wurde hingegen zum Abgeordneten ernannt, während die anderen barbarischen Angreifer einer nach dem anderen belohnt wurden. Das heißt, die Mörder wurden zu Helden verklärt und die Ermordeten zu Schuldigen erklärt.

Warum wurde all dies getan?
Damit dieses Land von Imperialisten bis in seine tiefsten Strukturen hinein ungehindert ausgebeutet werden kann…
Damit das Land von einer militärfaschistischen Diktatur regiert wird…
Damit alle revolutionären Kräfte liquidiert werden und das Land der Herrschaft von islamistisch-reaktionären Kräften überlassen wird, die sich nach dem Mittelalter sehnen…

Und leider haben sie ihre Ziele erreicht. Die in Maraş lebende alevitische Gemeinschaft war gezwungen, ihre Heimat, ihre Häuser und ihr Land zu verlassen und in andere Länder zu fliehen. Heute wurden auf dem Boden, den die Aleviten räumen mussten, militante Überreste von Al-Qaida und dem IS angesiedelt, die aus Syrien mitgebracht wurden.

Ganze 30 Jahre lang konnte im Stadtzentrum von Maraş, dem Ort des Völkermords, nicht einmal eine einzige Verurteilung der Taten ausgesprochen werden. Unserer Märtyrer konnte nicht gedacht werden.

Vor 17 Jahren organisierten wir mit einer Gruppe von Freunden zum ersten Mal eine Gedenkveranstaltung im Zentrum von Maraş. Reaktionär-faschistische Gruppen, organisiert von Ökkeş Şendiller, einem der Drahtzieher des Völkermords, griffen unsere Kundgebung an. Das Gouverneursamt nahm diesen Angriff zum Vorwand und erlaubt seit diesem Tag keine Gedenkfeiern mehr im Stadtzentrum. Es wird uns lediglich gestattet, im Garten unseres Cemevis in Yörükselim zu gedenken – ein Cemevi, dessen Bau wir angeführt haben, damit die alevitische Gemeinschaft nicht vollständig assimiliert wird.

Mit dieser Mentalität kann kein Fortschritt erzielt werden. Die Wunden der Türkei können nicht heilen, ohne dass man sich dem in der Vergangenheit erlittenen Schmerz stellt, ohne dass Friedensdenkmäler an den Orten des Völkermords errichtet werden und ohne dass alle Teile der Gesellschaft an diesen Gedenkfeiern teilnehmen und sich der erlebten Grausamkeit stellen. Erst wenn der Staat seine Verantwortung anerkennt, sich entschuldigt und die notwendigen Schritte unternimmt, werden die Wunden heilen und ein gesellschaftlicher Friede ermöglicht.

Wahre Geschwisterlichkeit kann nur mit einer Gesinnung aufgebaut werden, die sich den Tatsachen stellt, und nicht mit einer, die leugnet und vertuscht.

Deshalb werden wir, wie jedes Jahr, auch dieses Jahr am 20. Dezember – also morgen – in Maraş-Yörükselim sein. Wir werden unserer Märtyrer erneut gedenken.

Wir haben nicht vergessen.
Wir werden nicht vergessen lassen.

Cumali Yagmur

 „Heute ist der 19. Dezember; der Jahrestag des Massakers von Maraş in der Türkei. Die Ereignisse, deren Zündschnur durch den Bombenanschlag auf ein Kino in Maraş entfacht wurde, entwickelten sich zu einem organisierten Angriff auf alevitische Wohnviertel. In diesem Prozess, der offensichtlich im Voraus geplant war, wurden Gebiete mit hoher alevitischer Bevölkerungsdichte systematisch ins Visier genommen. Infolge dieser faschistischen Angriffe wurden 111 alevitische und linksorientierte Bürger ermordet.

Während eine ganze Stadt vor den Augen der Welt in Brand gesteckt wurde, waren ausschließlich Menschen alevitischen Glaubens das Ziel. Faschistische Banden stachelten die Bevölkerung mit Gräuelpropaganda und Demagogie wie „Die Aleviten organisieren sich, sie werden den Staat angreifen“ auf; mit Gruppen, die sie aus Dörfern und Städten zusammenzogen, richteten sie ein großes Blutbad an.

Dass die staatlichen Sicherheitskräfte diesen Angriffen tatenlos zusahen, vergrößerte das Ausmaß des Massakers noch weiter. Im historischen Verlauf vom Osmanischen Reich bis zur Republik waren Aleviten immer wieder Massakern ausgesetzt und ihr Eigentum wurde geplündert. In der Gründungsphase der Republik wurde eine Struktur übernommen, die unterschiedliche Identitäten und Glaubensrichtungen ausschloss. Obwohl den Aleviten „Brüderlichkeit“ versprochen wurde, wurde der sunnitische Glaube durch Institutionen wie das Präsidium für Religionsangelegenheiten (Diyanet) innerhalb der Staatsstruktur offiziell institutionalisiert. Obwohl Aleviten ihre bürgerlichen Pflichten erfüllen und ihre Steuern zahlen, werden ihnen grundlegende Rechte und Freiheiten weiterhin vorenthalten.“

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