Drohende Abschiebung: „Ich war in einem Schockzustand

von Fremdeninfo

Artikel von Katharina Deschka / Faz

Um dem iranischen Filmregisseur Jafar Najafi den Rücken zu stärken und für seinen Fall Öffentlichkeit zu verschaffen, haben Filmschaffende und Filminstitutionen vor einigen Tagen einen offenen Brief verfasst. Sie fordern darin ein Bleiberecht in Deutschland für den Regisseur. Innerhalb kürzester Zeit hätten ihn schon rund 500 Unterstützer aus der Filmszene aus Hessen und ganz Deutschland unterschrieben, wie Melanie Gärtner von der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm Hessen bei einer Pressekonferenz zur Situation des Regisseurs berichtet.

Dem 1987 geborenen Regisseur droht die Abschiebung, weil sein Asylantrag abgelehnt worden ist. Er war im März nach Deutschland gekommen, um im Filmforum Höchst seinen Dokumentarfilm „Alone“ vorzustellen. In Teheran durchsuchte während seiner Abwesenheit die Polizei seine Wohnung, ein typisches Vorgehen, wie Jafar Najafi berichtet. Dabei beschlagnahmten sie eine Festplatte mit seinen dokumentarischen Aufnahmen, die Gewalt durch die Polizei während der Proteste „Frau, Leben, Freiheit“ in Iran zeigen.

In Iran müssen kritische Filmschaffende mit drastischen Strafen rechnen. Die Verfasser des offenen Briefs nennen als Beispiel den renommierten Regisseur Jafar Panahi („Taxi Teheran“), der zu einer sechsjährigen Haftstrafe und einem zwanzigjährigen Berufsverbot verurteilt wurde und dem aktuell in Abwesenheit weitere Strafmaßnahmen auferlegt worden seien.

Antrag trotz drohender Gefährdung abgelehnt

Als weitere prominente Beispiele werden die iranischen Regisseure Mostafa Al Ahmad und Mina Mashhadi genannt, die beide derzeit im Gefängnis sind, Mojgan Ilanlou, der eine dreijährige Haftstrafe verbüßen musste, und Mohammad Rasoulof, der seinen aktuellen Film „Die Saat des heiligen Feigenbaums“ erst nach seiner Flucht aus Iran in Deutschland fertigstellen konnte. Der Film wurde als deutscher Oscar-Beitrag 2025 in der Kategorie „Bester internationaler Film“ nominiert.

Angesichts der drohenden Repressionen habe er sich entschlossen, nicht in seine Heimat zurückzukehren und Asyl zu beantragen, sagt Jafar Najafi. Obwohl ihm bei seiner Rückkehr nach Iran langjährige Haftstrafen und die Gefährdung seiner körperlichen Unversehrtheit drohten, sei sein Antrag vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) abgelehnt worden.

Die akute Gefährdung, die sich aus Najafis regimekritischer Haltung und seiner medialen Reputation ergebe, sei ignoriert worden, heißt es weiter in dem Brief. Von Drohungen durch die Revolutionsgarde gegen Najafi über soziale Medien berichtet dessen Anwältin Venous Sander. Auch würden seine Angehörigen unter Druck gesetzt, sagt sie. Gegen die Ablehnung des Asylantrags klagt Najafi am Verwaltungsgericht Darmstadt. Eine Entscheidung könne ein, zwei Jahre dauern, sagt die Anwältin.

Die Frauen im Iran haben Großes angefangen“

In Darmstadt lebt Najafi in einer Flüchtlingsunterkunft. Er habe vorher nie daran gedacht, seine Heimat zu verlassen, sagt er. „Ich hatte nichts vorbereitet und nichts mitgebracht“, sagt er. Die Situation, nicht mehr nach Hause zurückkehren zu können, habe ihn selbst überrumpelt. „Ich war in einem Schockzustand.“

Dass er zuvor als Filmregisseur in Iran habe arbeiten können, erklärt sich Najafi damit, dass er Frauen- und Kinderrechte in ländlichen Regionen thematisiert habe. „Das war für das Regime vielleicht nicht so interessant.“ Als in seiner Heimat aber die Proteste anfingen, als er gesehen habe, wie viele Menschen auf die Straße gingen, Frauen, die alles riskiert hätten, habe er nicht anders gekonnt, als sie mit der Kamera zu begleiten: „Die Frauen in Iran haben Großes angefangen, die Männer sollten an ihrer Seite stehen, damit die Unterdrückung eines Tages beendet wird.“ Es sei aber zweifellos klar: „Das Regime möchte nicht, dass diese Bilder an die Öffentlichkeit geraten“, sagt der Regisseur.

Doch auch die international vielfach ausgezeichneten Filme, die er zuvor drehte, konnte er nicht in Iran zeigen, nur im Ausland und bei Festivals. Sie zeigen die Lebensrealitäten von Frauen und Kindern in abgeschotteten Gemeinschaften, in denen Religion und patriarchale Normen als Werkzeuge der Kontrolle und Unterdrückung dienen. Als Jüngster von zwölf Geschwistern und Sohn einer mit zwölf Jahren zwangsverheirateten Frau widmet Najafi ihnen sein filmisches Schaffen.

Zurzeit kann er nicht als Filmregisseur arbeiten, lebt in der Unterkunft in einem Raum zusammen mit sieben weiteren Personen. „Ich war nicht mehr ich selbst“, sagt er über die Anfangszeit dort. Mittlerweile lernt er Deutsch in Frankfurt, auf den Kurs dort freue er sich jeden Tag, er biete eine willkommene Abwechslung. Er habe immer einen Film über Asylanten drehen wollen, sagt Najafi. „Jetzt bin ich plötzlich selbst Asylant.“

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