Leonis Hamza aus Bonn - Hassprediger soll abgeschoben werden: Jetzt fällt Gericht unfassbare Entscheidung
Der Staatsschutz in NRW ist sich sicher: Dieser Mann ist eine Gefährdung für unsere demokratischen Grundordnung und muss das Land verlassen. Leonis Hamza sitzt deshalb in Abschiebehaft. Doch nun fällte ein Gericht eine unglaubliche Entscheidung, die tief blicken lässt
Nach den mutmaßlich islamistischen Attentaten durch zwei syrische Flüchtlinge in Mannheim und Solingen überbietet sich die Politik mit vollmundigen Ankündigungen. Mit Blick auf die tödliche Messerattacke gegen einen Polizisten in Mannheim forderte Bundesinnenministerin Nancy Faeser auch verstärkte Abschiebungen ausländischer Hassprediger: „Islamistische Hetzer, die geistig in der Steinzeit leben, haben in unserem Land nichts zu suchen“, betonte die SPD-Politikerin.
Hassprediger aus Bonn: „Balance zwischen Freiheit und Sicherheit“
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst stellte drei Wochen nach dem Anschlag auf einem Fest in Solingen mit drei Toten durch den mutmaßlichen Gefolgsmann der Terror-Miliz „Islamischer Staat“ (IS), Issa al Hasan, 26, ein Sicherheitspaket im Kampf gegen militante radikal-islamische Salafisten vor. Dabei hob der CDU-Regierungschef hervor, dass es dem Bonner Staatsschutz und der städtischen Ausländerbehörde gelungen sei, den aus dem Kosovo stammenden Hassprediger Leonis Hamza in Abschiebehaft zu nehmen.
Wüst wertete dies als einen ersten Erfolg, „um die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit“ wieder ins Lot zu bringen. Zugleich forderte er den Bund auf, mit den Ländern zusammen „eine Schneise in das Dickicht überkomplexer Regelungen im Migrationsrecht zu schlagen“. Wie recht er hatte.
Gericht verkündet Abschiebestopp
Denn ein nüchterner Blick auf die bestehenden Abschiebehürden stellt die hehren politischen Wunschvorstellungen erheblich in Frage: Am Mittwoch verkündete das Kölner Verwaltungsgericht in einem Eilbeschluss einen vorläufigen Abschiebestopp für den salafistischen Prediger Leonis Hamza, alias Abdul Alim Hamza. FOCUS online hatte zuvor berichtet, dass der Bonner Staatsschutz den 32-jährigen Kosovaren in einem 51-seitigen Bericht als „Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung“ eingestuft hatte. Hamza gilt demnach als einer der You-Tube-Stars der neuen Hassprediger-Garde. Zudem unterhält er etliche Kontakte in die Clan- und Kämpferszene.
Auf dieser Grundlage hatte das Ausländeramt seine Ausweisung und Abschiebung in sein Heimatland angeordnet. Am 10. September wurde er festgenommen und sitzt seither im Abschiebegefängnis in Büren. 14 Tage später hatte der Prediger gegen die Verfügung geklagt. Das Verwaltungsgericht gab ihm zunächst Recht und setzte die Abschiebung aus. Laut einer Pressemitteilung konnte die Kammer auf Grund der aktuellen Gesetzeslage nicht erkennen, dass Hamza die demokratische Grundordnung gefährde. Ein besonders schwerwiegendes Ausweiseinteresse bestehe nicht. Weder habe Hamza eine Terror-Gruppe unterstützt noch „öffentlich zu Gewalt oder Hass aufgerufen“. Allein ein politischer Salafist zu sein, reiche nicht als Ausweisungsgrund aus, so der Tenor.
Steinzeit-Islamisten und ihre perfide Ideologie
Dabei nutzt die neue Prediger-Elite um Hamza und seine Leute besonders intensiv die sozialen Netzwerke, um ihre erzreaktionären Botschaften zu verbreiten. Die salafistische Ideologie orientiert sich einzig an Koran, Sunna (dem Leben des Propheten Mohammed im siebten Jahrhundert) und der Sharia (islamische Rechtssammlung). Steinigungen beim Ehebruch durch Frauen gehören genauso zu den archaischen Regeln wie Handabschlagen bei Diebstahl. Die demokratische Grundordnung lehnen Salafisten ab. Laut den Bonner Staatsschützern soll Hassprediger Hamza genau für diese Ideologie einstehen.
Zudem steht die Rekrutierung von neuem Nachwuchs im Vordergrund. Missionierung (Dawah) für ein islamisches Kalifat, lautet die Devise. So sind etliche Konvertierungen durch Hamza belegt. Meist handelt es sich um Teenager. Gleich mehrfach ermittelten die Strafverfolger gegen den Prediger. Nach FOCUS-online-Recherchen etwa wegen Körperverletzung, Bedrohung oder wegen des Verstoßes gegen das Kunsturhebergesetz. Gegen den Willen minderjähriger Konvertiten hatte Hamza sie aufgenommen und Videos ins Netz gestellt. Jedes Mal kam der Salafist milde davon. Die Verfahren wurden gegen eine Geldauflage eingestellt. 2011 wurde er wegen Betruges in Braunschweig zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.
Gericht: Politischer Salafismus ist keine Gefahr
Das Landeskriminalamt NRW hatte den Kosovaren 2022 als „relevante Person“ eingestuft. Diese extremistische Risikokategorie liegt direkt hinter der höchsten Stufe der sogenannten „Gefährder“. Ein Gefährder ist nach polizeilicher Definition „eine Person, bei der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wird“. Eine relevante Person „nimmt innerhalb des extremistisch-terroristischen Spektrums die Rolle einer Führungsperson, eines Unterstützers/Logistikers oder eines Akteurs ein. Dieser Kreis fördert, begeht oder unterstützt also politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung.
Das Kölner Verwaltungsgericht hingegen wertet den politischen Salafismus nicht als Gefahr für die hiesige Demokratie. Auch die Vorwürfe wegen häuslicher Gewalt gegenüber Hamzas Ehefrau und den Kindern sowie die Morddrohung gegen seine fünfjährige Tochter, die der Staatsschutzbericht anführt, überzeugte die Kammer nicht. Schließlich habe das Jugendamt nebst dem Familiengericht entsprechende Verfahren eingestellt. „Offen und weiter aufzuklären ist ferner“, ob dem Bonner Salafisten „wegen seiner Bindung zu seinen deutschen Kindern ein aus dem EU-Recht resultierendes Aufenthaltsrecht zusteht“.
Sollte die Bonner Ausländerbehörde im Hauptsacheverfahren keine neuen Argumente für die geplante Abschiebung vorweisen, so tendieren die Chancen gegen Null, das Hamza ausreisen muss. „Das wäre ein großer Schlag für die Sicherheitsbehörden“, stellte ein hochrangiger Staatsschützer fest, „die Salafisten-Szene würde dies als großen Sieg feiern und niemand würde sich mehr trauen, nochmals einen dieser Hassprediger auszuweisen“.
Komplexe Abschiebehürden der deutschen Ausländerparagrafen
Offenbar zeigten sich die Kölner Verwaltungsrichter selbst nicht mit ihrem Entscheid zufrieden. So weist die Kammer auf einen Antrag der Bundestagsfraktion CDU/CSU vom 14. Mai hin. Seinerzeit schlug die Union vor, ein neues Gesetz zu verabschieden, das ein besonders schweres Ausweisungsinteresse für Salafisten vorsah, die einen islamischen Gottesstaat einführen wollten. Dies lehnten die Ampel-Koalition sowie die Linkspartei aber ab.
Folglich bleibt es eher bei Lippenbekenntnissen, wenn es darum geht, mutmaßliche nichtdeutsche Staatsfeinde außer Landes zu bringen. Dies belegt auch der Bericht aus dem NRW-Flüchtlingsministerium auf SPD-Anfrage: Derzeit können 34 ausländische Gefährder nicht abgeschoben werden. Das heißt: Knapp drei Dutzend Risikofälle für die innere Sicherheit profitieren von den komplexen Abschiebehürden der deutschen Ausländerparagrafen.
Die Gründe sind vielfältig. Mal drohen angeblich Repressalien bei einer Rückführung in die Heimatländer, mal besteht ein Abschiebungsverbot, mal fehlen Ausweisdokumente und das Herkunftsland weigert sich, diese Personen wieder aufzunehmen. Lisa-Kristin Kapteinat, Vizefraktionschefin der SPD im Düsseldorfer Landtag, reagiert mit scharfer Kritik: „Wochenlang haben wir danach gefragt, wie viele Gefährder bei uns sind, die eigentlich abgeschoben werden müssen.“
Wochenlang hätten sich Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) und die Grünen-Integrationsministerin Josefine Paul „diese Frage wie eine heiße Kartoffel hin und her geworfen. Jetzt kommt raus: Es sind 34 ausreisepflichtige Gefährder“. Kapteinat fragt provokant: „Warum sind die noch hier ? Die Landesregierung muss jetzt umgehend klären, wie eine Rückführung in jedem einzelnen Fall gewährleistet werden kann."