Deshalb wird Raheem Boateng in Hamburg kein Lehrer sein“

Geschichte von Julia Witte genannt Vedder, Jörn Lauterbach / Welt 
In Hamburg wird weiter über die Islamisten-Kundgebung vom Wochenende debattiert – nun äußert sich Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank auch zu einem der führenden Köpfe der Extremisten. Parlamentarisch will die Rot-Grüne Regierung den Fall aber erst im Juni aufarbeiten.
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                               Katharina Fegebank, Grüne, äußerte sich als Zweite Bürgermeisterin erstmals zu den Vorgängen vom Wochenende dpa © Bereitgestellt von WELT

 

Die Demonstration von „Muslim Interaktiv“ vom vergangenen Sonnabend wird in der Hansestadt immer mehr zum Politikum und war am Dienstag auch Thema in der wöchentlichen Senatssitzung, wie Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) im Anschluss erklärte. Es sei sehr ausführlich darüber beraten worden, ob die Demonstration wirklich hätte genehmigt werden müssen, sagte Fegebank, die auch Wissenschaftssenatorin ist. Es gebe allerdings, so habe sie es sich von Innensenator Andy Grote (SPD) erläutern lassen, wenig handhabe, eine Demonstration nicht stattfinden zu lassen. „Das hat etwas Widerwärtiges und wir haben uns alle darüber entsprechend aufgeregt“, so Fegebank.

Aber Extremismus sei eben nicht verboten, so die Politikerin weiter. „Wir haben die Situation, dass jemand eine Demonstration anmelden und ein Kalifat fordern kann – genauso, wie eine Demonstration angemeldet werden kann, auf der dann ein Führerstaat oder eine Räte- und Bauernrepublik gefordert wird. Das ist alles zulässig.“

Es habe wirklich sehr intensive Prüfungen gegeben, erklärte Fegebank, aber am Ende seien die Sicherheitsbehörden zu dem Ergebnis gekommen, dass die Demonstration zum einen von der Meinungsfreiheit gedeckt gewesen sei und zweitens die Versammlungsfreiheit einen Rahmen setze, „den wir auch nicht beschneiden wollten“. Und drittens habe die Gefahrenlage ein Verbot auch nicht hergegeben. „Dass die Demonstration stattgefunden hat, das hat uns

allen nicht gefallen, aber Extremismus verbietet keine Demonstration. Das ist für uns alle nochmal die Erkenntnis.”

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                                                 Islam-Influencer“ Raheem Boateng studiert in Hamburg auf Lehramt picture alliance / ABB © Bereitgestellt von WELT

Auf Nachfrage gaben Fegebank und der bei der Landespressekonferenz ebenfalls anwesende Präsident der Universität Hamburg, Hauke Heekeren, zudem weitere Details zum Studenten Raheem Boateng preis. Boateng steht der Gruppe „Muslim Interaktiv“ nahe und war einer der Anmelder der Kundgebung, zu der rund 1200 Muslime kamen. Heekeren bestätigte, dass Boateng aktuell an der Universität eingeschrieben ist. „Es ist aber auch klar festzuhalten, dass bisher keine Vorfälle im universitären Kontext im Zusammenhang mit dieser Person bekannt sind“, sagte er. Auf die privaten Aktivitäten und Äußerungen ihrer Studierenden in den sozialen Medien habe die Universität keinen Einfluss. Fegebank betonte, dass er aufgrund seiner extremistischen Einstellung keine Anstellung als Lehrer bekommen werde. Extremisten würden nicht zum Dienst an einer Schule zugelassen: „Diese Person ist bekannt, der Name ist bekannt und deshalb wird er in Hamburg kein Lehrer sein.”

 Wie das politische Verfahren rund um die Kundgebung verlief und welche Konsequenzen daraus gezogen werden, wollen SPD und Grüne erst auf der nächsten regulären Sitzung des Innenausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft am 6. Juni – also in rund fünf Wochen – besprechen. Einen Antrag auf eine Sondersitzung, den die CDU und weitere Oppositionsparteien gestellt hatten, wurde abgelehnt. Zu Begründung sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sören Schumacher: „Mit Blick auf ‚Muslim Interaktiv‘ stellen wir fest, dass der Rechtsstaat handlungsfähig ist und alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden.“ Zudem hätten die Verfassungsschutzbehörden die Aktivitäten und Social-Media-Auftritte von „Muslim Interaktiv“ im Blick und auch ein Verbot der Gruppierung werde geprüft. „Daher läuft der Versuch der CDU, sich mit diesem Thema parteipolitisch zu profilieren, ins Leere“, so Schumacher.
Für diese Haltung hagelt es Kritik aus der Opposition, zumal SPD und Grüne in der vergangenen Woche bereits einen Antrag in der Bürgerschaft abgelehnt hatten, in dem Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zu einem Verbotsverfahren gegen „Muslim Interaktiv“ aufgerufen werden sollte (WELT berichtete): „Was muss eigentlich noch passieren, damit SPD und Grüne endlich aufwachen und dieser Bedrohung unserer freiheitlichen Gesellschaft mit aller Härte und Deutlichkeit entgegentreten? Dass Hamburgs Innensenator ankündigt, im Nachhinein jetzt Parolen und Transparente zu prüfen, reicht nicht aus“, sagte Dennis Thering, CDU-Fraktionschef. Anna von Treuenfels-Frowein (FDP) vermisste zudem ein Auftreten von Bürgermeister Peter Tschentscher oder Innensenator Grote (beide SPD) am Dienstag nach der Senatssitzung: „Der Senat hat offenbar vor, seine Hilflosigkeit im Umgang mit der Islamisten-Szene in Hamburg mit Schweigen zu bemänteln“, sagte sie.