Ferda Ataman: Beim Gendern muss sich keiner verbiegen

Artikel von Daniela Vates

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mehr Gelassenheit in der Debatte um geschlechtersensible Sprache, wünscht sich die Antidiskriminierungsbeauftragte Ferda Ataman. 
Bernd von Jutrczenka/dpa

 

Die Antidiskriminierungsbeauftragte Ferda Ataman hält das Verbot gender-inklusiver Sprache für falsch, versteht aber auch die Kritik.

Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Ferda Ataman, wünscht sich mehr Gelassenheit in der Debatte um geschlechtersensible Sprache. Die Warnung von CSU-Chef Markus Söder, Gendern spalte die Gesellschaft, hält sie für „taktisches Getöse und den Wunsch nach Aufmerksamkeit“. Das diene dazu, „von echten Problemen“ abzulenken und zu mobilisieren, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

 

Ataman hält eine Pflicht staatlicher Institutionen, nicht mehr als zwei Geschlechter anzusprechen, für rückschrittlich. Eine gender-neutrale Ansprache zeuge von Respekt und Toleranz und helfe Betroffenen, sich angesprochen zu fühlen, so Ataman. Sie selbst achte bei Reden vor größeren Gruppen darauf, zusätzlich zur Ansprache an Frauen und Männer auch eine geschlechtsneutrale Anrede zu verwenden. Ataman sagt, im 21. Jahrhundert sei es „sinnvoll, jetzt einen Schritt weiterzugehen und anzuerkennen, dass es eben nicht nur Frauen und Männer gibt, sondern eine Vielfalt von Geschlechtern“.

In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein sind Sonderzeichen wie Gendersternchen im Wort an Schulen verboten. In Hessen hat die neue CDU/SPD-Regierung in ihrem Koalitionsvertrag ein Genderverbot in der öffentlichen Verwaltung und auch anderen staatlichen und öffentlich-rechtlichen Institutionen angekündigt, also wohl auch für Schulen und den Rundfunk. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder plant Ähnliches.

 

Eingriff in persönliche Rechte

„Lehrkräfte zu zwingen, ihre Schüler*innen nur noch männlich und weiblich anzusprechen, selbst wenn diese sagen, dass sie das nicht sind“, sei nicht in Ordnung, so Ataman. „Das greift tief ins Persönlichkeitsrecht ein.“ „Eine staatliche Einmischung in die Freiheit der Medien ist starker Tobak“ und widerspreche dem Gedanken der Pressefreiheit. „Aber am Ende des Tages ist keinem Menschen in Deutschland geholfen, wenn Genderverbote erteilt werden. Im Gegenteil: Es ist sehr bedenklich, wenn ein vermeintlicher Kulturkampf auf dem Rücken von Minderheiten ausgetragen wird, die ohnehin schon starker Diskriminierung ausgesetzt sind.“

Dass Gendersprache „ein Aufregerthema“ ist, erklärt sich Ataman damit, dass Neues anfangs auf Ablehnung stößt, wenn es Bisheriges infrage stellt. „Solche gesellschaftlichen Debatten sind ein Stück weit normal.“ So war es auch vor 30 Jahren, als es darum ging, erstmals auch Frauen anzusprechen. Gegen „liebe Bürgerinnen und Bürger“ habe es viel Protest gegeben. Dennoch müsse man sich beim Gendern „keinen abbrechen“. „Man soll sich mit Sprache wohlfühlen. Das Ganze ist ja keine Pflichtübung und kein Wettbewerb“, so Ataman. „Der „rechtliche Genderzwang ist ohnehin ein Mythos.“ Deshalb hält sie es auch für falsch, „Menschen zu zwingen, eine bestimmte gender-inklusive Sprache zu verwenden“.

Dass Gendersternchen und andere Sonderzeichen in der Schriftsprache die Lesbarkeit von Texten behindern, kann sie nachvollziehen, „vor allem mit Blick auf Barrierefreiheit“. Es sei legitim, sich darüber Gedanken zu machen.