Kanzler besucht die Türkei: Meinungsverschiedenheiten zu Nahost zwischen Scholz und Erdogan
Bundeskanzler und der türkische Präsident Erdogan haben bei einer Konferenz aber auch über Gemeinsamkeiten gesprochen. Scholz nennt Waffenexporte an die Türkei „selbstverständlich“.
Bei einem Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Istanbul sind erneut Meinungsverschiedenheiten mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zu den Konflikten im Nahen Osten deutlich geworden. „Es ist kein Geheimnis, dass wir da auch unterschiedliche Sichtweisen auf Israel haben“, sagte Scholz am Samstag.
„Der mörderische Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober war ein furchtbares Verbrechen und hat natürlich auch die Bewohnerinnen und Bewohner in Gaza in ein furchtbares Unglück gestürzt“, fuhr Scholz bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Erdogan fort. „Klar ist: Gegen einen solchen Angriff muss man sich verteidigen können.“
Scholz bekräftigte in Istanbul, dass Deutschland den Vorwurf an Israel zurückweise, einen Völkermord an den Palästinensern im Gazastreifen zu verüben. Israel habe nach dem Hamas-Überfall am 7. Oktober 2023 das Recht auf Selbstverteidigung, müsse sich aber an das humanitäre Völkerrecht halten.
Trotz anhaltender Kämpfe im Libanon sieht Scholz die Möglichkeit für ein schnelles Ende der Auseinandersetzungen. Wenn die UN-Resolution 1701 umgesetzt werde, die einen Rückzug der schiitischen Hisbollah-Miliz aus dem Grenzgebiet fordert, „sind wir ganz schnell in der Situation, dass der Libanon nicht die Gefahr läuft, dass dort jetzt ein langanhaltender Krieg stattfindet“, sagte Scholz.
Der türkische Staatschef sagte indessen: „Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um den nötigen Druck auf Israel auszuüben.“ Der „aggressiven Politik Israels“ müsse „ein Ende“ gesetzt werden.
Scholz nennt Waffenlieferungen „selbstverständlich“
Scholz betonte jedoch auch Gemeinsamkeiten. „Wir sind uns einig, dass Deeskalation, ein Waffenstillstand und politische Lösungen notwendig sind, um einen Flächenbrand im Nahen Osten zu verhindern.“ Es brauche einen „glaubwürdigen politischen Prozess hin zu einer Zweistaatenlösung“. Der Kanzler sagte: „Darum bemühen wir uns weiterhin, trotz aller Rückschläge, die wir auch sehen.“
Er hat zudem die zunehmenden deutschen Rüstungsexporte in die Türkei verteidigt. „Die Türkei ist Mitglied der Nato und deshalb gibt es von uns immer wieder auch Entscheidungen, dass es zu konkreten Lieferungen kommt. Das ist ja selbstverständlich“.
Der Kanzler zeigte sich sogar offen für die Lieferung von Eurofighter-Kampfjets. Er verwies darauf, dass darüber Gespräche zwischen Großbritannien und der Türkei geführt würden. Das sei etwas, „das sich weiterentwickeln wird, aber jetzt von dort vorangetrieben wird“.
Die Türkei steht wegen des Einmarsches in Syrien und der brutalen Untertdrückung der Kurden in der Kritik
Rüstungsexporte in die Türkei sind wegen der Menschenrechtslage dort, aber auch wegen des internationalen Agierens der Türkei umstritten. Nach dem Einmarsch türkischer Truppen in Syrien 2016 wurden die Exportgenehmigungen deutlich zurückgefahren und lagen in den vergangenen Jahren nur noch im niedrigen zweistelligen oder sogar einstelligen Millionenbereich.
Jetzt ziehen sie aber wieder an. In diesem Jahr genehmigte die Bundesregierung nach aktuellen Zahlen des Wirtschaftsministeriums erstmals seit 2011 wieder Exporte für einen dreistelligen Millionenbetrag: 103 Millionen Euro.
Ergodan ist seit Beginn des Gaza-Krieges einer der schärfsten Kritiker Israels. Die radikalislamische Hamas, die mit ihrem Großangriff auf Israel den Krieg ausgelöst hatte, betrachtet Erdogan als „Widerstandsgruppe“. Den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu verglich Erdogan mit Adolf Hitler. (Trf mit Agenturen)