Lehrerinnen mit Kopftuch in Berlin: Schwarz-Rot ringt um Reform des Neutralitätsgesetzes

               Artikel von Daniel Böldt, Alexander Fröhlich

              Von: Tagesspiegel

Bei ihrer Klausur beraten die Fraktionsspitzen der Regierungskoalition über einen Dauerbrenner: das vom höchsten Gericht gekippte Kopftuchverbot für Lehrerinnen. Eine Gesetzesnovelle ist überfällig.

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                                                                              Symbolbild. © Foto: Bernd Thissen/dpa

An Berliner Schulen könnte es Lehrerinnen bald per Gesetz erlaubt sein, ein islamisches Kopftuch zu tragen. Die Fraktionsspitzen der schwarz-roten Koalition haben dazu bei ihrer Klausur am Sonnabend Details beraten. Denn das Berliner Neutralitätsgesetz muss angepasst werden. Nach mehreren Gerichtsentscheidungen ist das im Gesetz enthaltene Kopftuchverbot nicht haltbar.

Das Gesetz von 2005 verbietet Lehrkräften an normalen Schulen, Justiz- und Polizeibeamten das Tragen sichtbarer religiöser oder weltanschaulicher Symbole und Kleidungsstücke, also auch das Kopftuch. Das Bundesverfassungsgericht hatte diese Vorgabe für Lehrkräfte jedoch 2023 für verfassungswidrig erklärt. Das Verbot für Beamte in Justiz und Polizei sowie für Richter ist dagegen unstrittig.

Im Koalitionsvertrag hatten sich CDU und SPD daher darauf verständigt, das Gesetz „gerichtsfest“ anzupassen. Allerdings wollten Teile der CDU davon nichts mehr wissen. „Ich persönlich bin der Auffassung, man sollte das Gesetz nicht anfassen“, sagte CDU-Innenexperte Burkard Dregger dem Tagesspiegel kürzlich. Das Gesetz werde „rechtmäßig angewandt“.

Der SPD-Fraktionschef Raed Saleh pochte dagegen vor wenigen Tagen in der „B.Z.“ auf eine Erfüllung des Koalitionsvertrages. Zur Gretchenfrage könnte werden, ob CDU und SPD sich auf eine Definition für die „Gefährdung des Schulfriedens“ verständigen können. Liegt diese vor, ist auch laut Bundesverfassungsgericht ein Kopftuchverbot grundgesetzkonform.

In der CDU besteht die Sorge, dass Saleh einen Passus als Verhandlungsmasse einbringen könnte, der das Kopftuch generell von den religiösen Symbolen ausnimmt, die den Schulfrieden gefährden könnten. Ein Kompromiss könnte sich an einem Rundschreiben orientieren, das die Bildungsverwaltung noch unter SPD-Führung während der schwarz-roten Koalitionsverhandlung im Frühjahr 2023 herausgab.

Damit rückte Berlin wegen des Urteils aus Karlsruhe bereits in der Praxis von der „wortgetreuen Anwendung des Neutralitätsgesetzes ab“. Seither kann nur noch in den Fällen, in denen sich hinreichend konkret die Gefährdung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität abzeichnet, das Tragen religiös geprägter Kleidungsstücke und Symbole untersagt werden. Ob Saleh dafür jene Teile seiner Fraktion gewinnen kann, die die Kopftuchdebatte ohnehin für diskriminierend halten, ist fraglich.