Menschenhandel“? Nächster Asyl-Eklat: Jetzt blockt Italien wegen Deutschland – heikle Szene bei Baerbock-PK

Artikel von Stefan Krieger/ .Merkur

Menschenhandel“? Nächster Asyl-Eklat: Jetzt blockt Italien wegen Deutschland – heikle Szene bei Baerbock-PK

Italiens Innenminister Matteo Piantedosi bricht den Brüssel-Gipfel ab – der Kompromissvorschlag zur Asylreform kommt in Rom nicht gut an.

Berlin/Rom – Erst kam das Machtwort von Bundeskanzler Olaf Scholz, jetzt offensichtlich die Bremse aus Italien. Im jahrelangen Streit um die europäische Asylreform ist eine Einigung näher gerückt. Deutschland machte am Donnerstag beim EU-Innenministertreffen in Brüssel den Weg für die sogenannte Krisenverordnung frei, die als letzter Baustein der Reform gilt. Allerdings meldete dann Italien wegen der Zugeständnisse an Berlin neue Vorbehalte an.

Die Krisenverordnung sieht deutlich verschärfte Maßnahmen vor, wenn durch besonders viele Migranten eine Überlastung der Asylsysteme droht. Damit will die EU die Lehren aus der Flüchtlingskrise 2015 ziehen.

Innenministerin Nancy Faeser sprach in Brüssel von einem „hervorragend ausgehandelten Kompromiss“, dem sie nun zustimmen könne. Es gebe damit endlich „einen Willen zur Mehrheit“ unter den Mitgliedsländern, sagte der amtierende spanische Innenminister Fernando Grande-Marlaska, der die schwierigen Brüsseler Verhandlungen leitete.

Asylreform: Italien äußert Bedenken

Kurze Zeit später äußerte Italien Bedenken – und zwar ausgerechnet in Berlin. Außenminister Antonio Tajani sagte bei einem Auftritt mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne), der italienische Innenminister Matteo Piantedosi habe

sich „Zeit erbeten, um die Inhalte dieses Vorschlags näher zu prüfen, auch in rechtlicher Hinsicht“. Italienischen Medien zufolge verließ Piantedosi das Brüsseler Treffen vorzeitig und reiste zurück nach Rom.

Piantedosi kritisierte die NGOs während der Pressekonferenz mit Baerbock. Er beschuldigte sie, den „Menschenhandel“ nach Italien zu unterstützen, wie Bild berichtet. Im Gegensatz dazu äußerte Baerbock ausdrückliche Anerkennung für die Organisationen. Sie und die italienische Küstenwache würden „eine entscheidende Rolle bei der Rettung von Leben im Mittelmeer“ spielen.

Melonis Italien könnte nun die EU-Asylreform blockieren - nach dem deutschen Go. Auch bei einer Baerbock-PK kam es zu einer heiklen Szene. (Collage)

Melonis Italien könnte nun die EU-Asylreform blockieren - nach dem deutschen Go. Auch bei einer Baerbock-PK kam es zu einer heiklen Szene. (Collage) © Collage: picture alliance/dpa/LaPresse via ZUMA Press | Cecilia Fabiano // picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

 

Baerbock betonte, die NGOs würden aktiv werden, um der Tragödie „Menschlichkeit entgegenzubringen“. In diesem Jahr seien bereits mindestens 2300 Menschen bei der riskanten Überfahrt über das Mittelmeer gestorben. „2300 Schicksale, Menschen mit Hoffnungen und Plänen für die Zukunft“, fügte sie hinzu. Baerbock sprach sich klar für die Seenotrettung aus. „Ihre Arbeit verdient unsere Unterstützung“. Deswegen habe sie „in einer gemeinsamen Kraftanstrengung“ mit der Bundesinnenministerin die deutschen Anliegen in die Verordnung „hineinverhandelt“.

Die vergangenen 48 Stunden hätten gezeigt, wie wichtig es sei, „bis zur letzten Minute für deutsche, aber auch für europäische Interessen zu kämpfen“,

betonte Baerbock. „Ohne Humanität in der Krise gibt es in Sachen Migration auch keine gemeinsame Ordnung“, erklärte die Ministerin.

Kompromissvorschlag zur Asylreform: Meloni nicht überzeugt

Der Kompromissvorschlag zur Asylreform hatte Berlin überzeugt, aber offenbar noch nicht italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Meloni passt es offenbar nicht, dass Deutschland weiter über private Seenotrettungs-Organisationen Hilfsaktionen für Flüchtlinge im Mittelmeer finanziert.

„Kein überstürztes Handeln, der Text muss vertieft werden“, heißt es nach Angaben der Nachrichtenagentur Ansa aus Rom. In der Tat ist der Streit mit Deutschland über die Aktiavitäten von NGOs nach wie vor sehr groß. In Rom zeige man sich „überrascht“, dass gerade zu dem Zeitpunkt, als in Brüssel der entscheidende Gipfel für die Zustimmung des Migrationspaktes stattfand, sieben von NGOs betriebene Schiffe unter deutscher Flagge im Mittelmeer unterwegs waren – vier davon im italienischen Gebiet.

„Die Nachricht von den sieben unter deutscher Flagge fahrenden NGO-Schiffen bestätigt unsere Befürchtungen. Ist das ein Zufall? Was steckt dahinter? Gibt es ein wahltaktisches Interesse? Einer anderen Art? Das kann nicht sein, das ist etwas, das nicht funktioniert. Vielleicht will jemand eine Einigung verhindern? Es gibt wirklich viel Verwunderung“, betonte Außenminister

Antonio Tajani am Abend aus Berlin, wo er seine Amtskollegin Annalena Baerbock traf, wie Ansa schreibt.

Asylreform: Kann der Kompromiss gerettet werden?

Hintergrund ist der bereits länger schwelende Streit Italiens mit Deutschland über die Finanzierung privater Seenotrettungs-Organisationen im Mittelmeer. Tajani warf den Nichtregierungsorganisationen vor, den „Menschenhandel“ nach Italien zu fördern. Die italienische Zeitung La Stampa berichtete, die an Berlin gemachten Zugeständnisse seien „bei der italienischen Regierung nicht gut angekommen“. Rom könne deshalb vorerst nicht zustimmen. Nun müssten sich die Ständigen Vertreter der EU in Brüssel bemühen, den Kompromiss noch zu retten.

Es vertieft sich jedoch der Eindruck, dass nur eine Klärung zwischen Scholz und Meloni auf dem Gipfeltreffen in Granada nächste Woche einen Ausweg aus der Sackgasse bringen kann. Gleichzeitig heiß es aus italienischen Kreisen, dass es keine Blockade der Vereinbarung gibt, sondern dass der Text lediglich noch „vertieft“ werden muss. Schließlich wurde bis vor wenigen Tagen nicht einmal damit gerechnet, dass bereits in dieser Woche grünes Licht gegeben wird. Ohne Berlin oder Rom, so die Überzeugung in EU-Kreisen, wird das Abkommen ohnehin nicht halten. (skr)