Gesellschaft
Tausende protestieren in Straßburg für mehr Gerechtigkeit in der Türkei
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- Tausende Aktivisten haben am Dienstag vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg protestiert. Sie fordern den EGMR sowie den Europarat auf, endlich konsequenter gegen die Rechtsverstöße in der Türkei vorzugehen. Besonders im Fokus: die Rechtsverstöße der Erdoğan-Regierung in den Fällen von Osman Kavala, Selahattin Demirtaş und den seit dem Putschversuch inhaftierten politischen Häftlingen, die in Zusammenhang mit der Gülen-Bewegung gebracht werden.
Die türkische Justiz gilt seit mehreren Jahren als nicht mehr unabhängig. In zehntausenden Fällen haben die Behörden Menschen rechtswidrig inhaftiert und lassen in Dutzenden Fällen Personen nicht frei, obwohl es eine konkrete Aufforderung vonseiten des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) gibt. Doch der türkische Justizapparat agiert nach politischem Kalkül, obwohl die Regierung stets das Gegenteil behauptet.
Laufen lernen hinter Gittern: Das Schicksal von inhaftierten Babys in der Türkei
Vor allem die in der Türkei politisch verfolgte und als Terrororganisation deklarierte Gülen-Bewegung macht immer wieder darauf aufmerksam. Nun gab es am gestrigen Dienstag eine Protestaktion vor dem EGMR, der sich auch jenen Häftlingen widmete, die sich aufgrund ihres Alters nicht selbst verteidigen können und unverschuldet in Mitleidenschaft gezogen werden. Gemeint sind kleine Kinder und Säuglinge. Derzeit sitzen in der Türkei hunderte Babys gemeinsam mit ihren Müttern in Gefängnissen. Entweder kamen sie in einem Gefängnis zur Welt oder kamen in jungem Alter in Haft. Nicht wenige von ihnen haben elementare Dinge wie das Laufen oder Sprechen hinter Gittern erlernt.
Auch ein Kuchen kann fatale Folgen haben
Auf der Kundgebung fielen Banner mit klaren Botschaften auf. So stand auf einem etwa „Gerechtigkeit mit Verspätung ist keine Gerechtigkeit“ geschrieben. Weitere auffällige Botschaften wiesen darauf hin, unter welch hanebüchenen Gründen Personen in der Türkei inhaftiert werden können: Tweets oder geringfügige Spenden an Menschen, die keine Chance mehr haben, in die Gesellschaft zurückzufinden. Selbst einen Kuchen zu backen für die aus Sicht der Regierung falschen Leute kann gegenwärtig zu einer Inhaftierung führen. Die Mächtigen hingegen sehen sich im Recht. Mal verweisen sie auf die Unabhängigkeit der Justiz, mal geben sie sich keine große Mühe, ihren Einfluss auf die Staatsanwälte und Richter zu verschleiern. Über allem steht für sie der Kampf gegen unliebsame Gruppierungen, persönlich erlittenes Unrecht nehmen sie dabei billigend in Kauf.
Die für ihren Kampf gegen die Inhaftierung von Militärkadetten renommierte Melek Çetinkaya gehörte auch zu den Demonstrierenden in Straßburg. „Wir haben uns heute vor dem EGMR versammelt, um das Ende der Unterdrückung in der Türkei zu fordern“, so Çetinkaya. Das Gericht treffe zwar regelmäßig Entscheidungen zugunsten von Inhaftierten, das geschehe aber oft nicht schnell genug. Zudem stehe es nicht entschieden und standhaft genug dahinter.
Selbst aus Kasachstan reisen Demonstranten an
Ein Demonstrant gab an, aus Kasachstan nach Frankreich gekommen zu sein. „Wir haben uns vor dem EGMR versammelt, um gegen das Unrecht in der Türkei unsere Stimme zu erheben. Mein Wunsch ist es, dass die Türkei so schnell wie möglich zu Menschenrechten, Gerechtigkeit und humanen Werten zurückkehrt“, gab er zu Protokoll.