Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi: Eine Stimme gegen Irans Regime
Ob Narges Mohammadi den Friedensnobelpreis im Dezember persönlich wird entgegen nehmen können, ist fraglich. Denn dafür müsste sie erst einmal aus dem Gefängnis freigelassen werden.
In der für die Gewalt ihrer Wachen berüchtigten Haftanstalt Evin in Teheran verbüßt die 51 Jahre alte Menschenrechtsaktivistin ein zehnjährige Haftstrafe für die „Verbreitung von Propaganda gegen den Staat“. Es ist nicht ihr ersten Aufenthalt im Gefängnis: Seit ihrer ersten Festnahme 1998 folgten ein Dutzend weitere. Etliche Male wurde sie bereits verurteilt, insgesamt belaufen sich ihre Strafen auf 31 Jahre Haft und 154 Peitschenhiebe. Weitere Verfahren laufen.
Gebrochen hat sie das nicht: Mohammadi meldet sich regelmäßig aus dem Gefängnis, spricht in Interviews über die Vergewaltigung und den Missbrauch weiblicher Insassen, belehrt ihre Mitgefangenen über ihre Rechte.
Sie zahlt einen hohen Preis
Geboren 1972 in der Großstadt Zandschan, erlebt sie als Neunjährige die Islamische Revolution mit. Ein Onkel und zwei Cousins werden festgenommen, weil sie sich politisch engagieren. Mohammadis Mutter besucht sie regelmäßig im Gefängnis. Eines Tages verliest der Nachrichtensprecher im Fernsehen den Namen einer der Cousins. Er war hingerichtet worden. Ihre Mutter soll Mohammadi, so erzählte sie es einmal der New York Times, davor gewarnt haben, sich politisch zu betätigen. Der Preis, sich mit der Regierung anzulegen, sei in einem Land wie Iran einfach zu hoch.
Doch davon lässt sie sich nicht abhalten. Mohammadi zieht nach Qazvin, studiert dort Physik. An der Universität gründet sie eine Wandergruppe für Frauen und einen Club für zivilgesellschaftliches Engagement. So lernt sie auch ihren Mann kennen. Taghi Rahmani gibt geheime Vorlesungen über Zivilgesellschaft. 1999 heiraten beide, bekommen Zwillinge.
Zusammen ist die Familie allerdings selten. Einer von beiden sitzt meist im Gefängnis. Schon den ersten Hochzeitstag hatte Rahmani in Einzelhaft verbracht. Das Paar zieht nach Teheran, wo sich Mohammadi in Organisationen, die für Frauen- und Minderheitenrechte kämpfen, engagiert. Auch für zum Tode Verurteilte Gefangene setzt sie sich ein. Ihr Geld verdient sich mit Zeitungstexten über Frauenrechte und als Ingenieurin. 2008 wird sie von ihrem Unternehmen gefeuert, nachdem die Regierung Druck gemacht hatte. Zwei Jahre später wird sie aufgrund ihrer Mitgliedschaft des Defenders of Human Rights Centers verhaftet und verurteilt.
Ihre Familie, die mittlerweile im französischen Exil lebt, hat Mohammadi seit Jahren nicht gesehen. Die Jahre im Gefängnis haben ihr gesundheitlich zugesetzt, sie hat neurologische Schäden. 2020 erkrankte sie zudem an Corona. Doch ihre Stimme ist nicht verstummt.