Mehr Geld für Rückkehr - Schweden will Flüchtlinge mit Ausreiseprämie loswerden – Forscher bleibt skeptisch
Mit einer Rückkehrprämie will die schwedische Regierung Migranten zur Ausreise bewegen. Der Forscher Bernd Parusel erläutert in einem Interview mit dem „Spiegel“ die Hintergründe und möglichen Auswirkungen dieser Maßnahme.
Schweden galt lange Zeit als Vorzeigeland im Umgang mit Migranten mit einer offenen Willkommenskultur. Doch der Ruf nach Abschottung wird im Land immer lauter. Die schwedische Regierung plant, die Anreize für die freiwillige Rückkehr von Migranten in ihr Heimatland deutlich zu erhöhen.
Ab 2026 sollen Rückkehrwillige bis zu 350.000 schwedische Kronen erhalten , umgerechnet etwa 30.000 Euro, wenn sie freiwillig das Land verlassen. Im Rahmen einer Neuausrichtung der Einwanderungspolitik des Landes erklärte Migrationsminister Johan Forssell, dass man sich auf dem Weg zu einem grundlegenden Wandel befinde.
Die Erhöhung der Prämie ist eine Forderung, die direkt dem Wahlprogramm der rechten Schwedendemokraten entspringt, von deren Unterstützung die Regierung abhängig sei, erklärt der Politikwissenschaftler Bernd Parusel im Interview mit dem „ Spiegel “. Inzwischen sei es in Schweden so, dass die bürgerlichen Parteien sich zunehmend den Rechten angenähert hätten.
Der konservative Premierminister Ulf Kristersson ist 2022 mit dem Versprechen angetreten, die Einwanderung einzudämmen und die Kriminalitätsrate zu senken. Seine Minderheitsregierung wird von den Schwedendemokraten unterstützt, die bei den letzten Wahlen 20,5 Prozent der Stimmen erhielten und damit zweitstärkste Partei wurden
Rückkehrprämie für Migranten: Experte riet klar davon ab
Die Initiative zur Erhöhung der Rückkehrprämie soll ab 2026 greifen. Derzeit liegt die Prämie für Erwachsene bei rund 880 Euro und für Kinder bei 440 Euro, wobei der Höchstbetrag pro Familie auf rund 3500 Euro begrenzt ist.
Die Rückkehrprämien gibt es jedoch bereits seit 1984, aber laut Ludvig Aspling von den rechten Schwedendemokraten sei das Angebot wenig bekannt und werde nur von wenigen in Anspruch genommen.
Parusel, der als Senior Researcher beim Schwedischen Institut für Europäische Studien (SIEPS) arbeitet, äußerte sich skeptisch über die Wirksamkeit einer erhöhten Prämie und schließt sich somit der Meinung des Regierungsexperten an.
Die Entscheidung, die Prämien zu erhöhen, erfolgte entgegen den Empfehlungen der kürzlich von dem Experten durchgeführten Regierungsstudie.
Ähnliches Angebot in Dänemark mit bescheidenen Ergebnissen
Der Experte „riet klar davon ab, was so klar selten oder noch nie vorgekommen ist“, sagt Parusel im „Spiegel“-Interview. „Die Ausreiseprämie würde nicht zum gewünschten Erfolg führen, dafür viel kosten und viele Menschen von der Integration abschrecken.“ Dass die Regierung den Rat des Experten ignoriert, sei laut Parusel „schon sehr erstaunlich“.
Zudem gebe es in Dänemark seit Jahren ein ähnliches Angebot, das jedoch nur bescheidene Ergebnisse erzielt habe. Parusel schätzt, dass in Schweden nur einige Hundert Menschen jährlich ausreisen würden. „Die positiven Effekte dürften marginal sein“, sagte er.
Die Regierung hoffe, dass vor allem diejenigen das Land verlassen, die keine Arbeit finden und sich nicht integrieren können. Wahrscheinlicher sei jedoch, dass eher Menschen mit besseren Möglichkeiten das Land verlassen würden.
Schwedens Wandel von der „humanitärer Supermacht Europas“ zur knallharten Asylpolitik
Im Laufe der Jahre, insbesondere seit den 1990er Jahren, hat Schweden eine beträchtliche Zahl von Migranten aufgenommen. Die meisten kamen aus Kriegs- und Krisengebieten wie dem ehemaligen Jugoslawien, Syrien, Afghanistan, Somalia, Iran und Irak.
Seit 2016 ist jedoch eine deutliche Wende in der schwedischen Einwanderungspolitik zu beobachten, die sich durch eine entschlossene und strenge Haltung auszeichnet.
Während der Migrationskrise im Jahr 2015 nahm Schweden im Verhältnis zu seiner Bevölkerung mehr Flüchtlinge auf als die meisten anderen europäischen Staaten. Bis zu diesem Zeitpunkt galt Schweden in Europa als einer der Vorreiter einer offenen und großzügigen Asylpolitik mit einer besonders hohen Aufnahmebereitschaft. Heute hat sich die Situation deutlich verändert.
Die Migrationspolitik in Schweden sei über die Jahre restriktiver geworden, was auch von Sozialdemokraten und Grünen unterstützt worden sei, sagt Parusel. Die aktuelle Regierung setze diese Entwicklung nur konsequent fort.
Es geht ausdrücklich um Abschreckung“
Die Berichte über Gangkriminalität und Teenager, die als Auftragsmörder bis nach Dänemark reisen , würden zwar ein Problem aufzeigen, doch diese Probleme gingen eher von Menschen aus, die bereits in der zweiten Generation in Schweden leben.
„Es müsste also eher um Integration, Chancengleichheit und Prävention gehen“, so der Forscher zum „Spiegel“. Stattdessen würden Geflüchtete zum Sündenbock gemacht.
Schweden wolle nun fast schon mit Gewalt sein Bullerbü-Image ablegen und die Zahl der Migranten weiter senken. „Es geht ausdrücklich um Abschreckung“, so Parusel.
Schweden folge damit einer europaweiten Entwicklung und sei sogar ein Motor dieser Entwicklung. Dass auch Deutschland eine Kehrtwende in der Migrationspolitik vollzogen hat, würden viele in Stockholm mit einer gewissen Genugtuung sehen, meint der Forscher.
„Sie sagen, dass Deutschland nun ebenfalls erkannt habe, dass hohe Zuwanderungszahlen problematisch sein können. Gleichzeitig gibt es aber auch die Sorge, dass strengere Maßnahmen dazu führen könnten, dass wieder mehr Migranten nach Skandinavien kommen“, so Parusel.