Asylpolitik und EU: Unmut über den deutschen Sonderweg
Als der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis in der vergangenen Woche Wien besuchte, ging es in den Gesprächen mit Österreichs Kanzler Karl Nehammer auch um Deutschland. Dass die Regierung des größten EU-Mitgliedsstaates unter dem Eindruck miserabler Wahlresultate und Umfrageergebnisse einen Kurswechsel in der Migrationspolitik anstrebt oder das zumindest behauptet, beschäftigt auch andere Hauptstädte der Union.
In Wien zeigte sich Nehammer bei der Pressekonferenz mit Mitsotakis zwar vorsichtig optimistisch über einen neuen Realismus Deutschlands in Migrationsfragen, übte aber zugleich in diplomatischem Ton deutliche Kritik: „Der deutsche Weg“, sagte Nehammer in etwas verschnörkeltem Kanzleideutsch, habe „lange gebraucht, einer zu werden, der sich dem Realismus annähert“. Er könne sich erinnern, dass der österreichische Innenminister Gerhard Karner (der ebenso wie Nehammer der konservativen ÖVP angehört) „sehr viele Gespräche“ mit seiner deutschen Kollegin Nancy Faeser (SPD) geführt habe „und auf Unverständnis gestoßen ist, als wir gewarnt haben davor, dass das Migrationsthema weiter ein großes ist für die Europäische Union, (dass es) weiter eine große Herausforderung ist und wir alle gemeinsam uns anstrengen müssen, damit wir den Kampf gegen die illegale Migration führen“. Er lobte, dass in Deutschland nun ein „Umdenken“ beginne.
Kein Geld in Dänemark für abgelehnte Asylbewerber
Auch Mitsotakis sprach über Deutschland. „Es ist nicht unsere Aufgabe, anderen europäischen Mitgliedstaaten vorzuschreiben, was ihre Politik sein sollte, aber die Realität ist, dass es Länder gibt in Europa, die einen sehr großen Reiz ausüben“, sagte er unter anderem. In einem Interview wiederholte er kurz darauf kaum verhohlene Kritik: „Deutschland hatte eine extrem tolerante und, ich würde sagen, sozial großzügige Politik gegenüber Migranten, die jetzt eine große soziale Gegenreaktion ausgelöst hat.“
Andere Länder muten das ihren Steuerzahlern nicht zu. Die niederländische Regierung will abgelehnten Asylbewerbern ab 2025 keinerlei staatliche Unterstützung mehr zahlen. In Frankreich ist das schon so. In Dänemark gibt es nur noch Nahrungsmittel, Kleidung und Unterkunft in Abschiebelagern. Zypern, wo gemessen an der Bevölkerungsgröße zeitweilig noch mehr Asylanträge als in Deutschland gestellt wurden, schickt inzwischen nach eigenen Angaben mehr abgelehnte Asylbewerber zurück, als neue kommen.
Ein Grund dafür ist laut Innenminister Konstantinos Ioannou neben der Beschleunigung der Verfahren die Streichung staatlicher Unterstützung für abgelehnte Asylbewerber. Nur wer zur freiwilligen Ausreise bereit ist, bekommt dafür Geld vom Staat. Alle anderen bekommen, sobald ihr Asylantrag rechtsgültig abgelehnt wurde, nichts mehr. Eine Kampagne in sozialen Medien, die auf ein Publikum in Hauptherkunftsländern wie Nigeria, Kamerun oder der Demokratischen Republik Kongo zugeschnitten ist, soll die Botschaft vermitteln, bevor Migranten überhaupt aufbrechen.
Deutschlands Beharren auf einem Sonderweg wirkt da zusehends absurd. Ein Gesprächspartner aus der konservativen griechischen Regierungspartei Nea Dimokratia drückt es so aus: „Während der Eurokrise haben die Deutschen uns ständig gemahnt, unsere Hausaufgaben zu machen, und sie hatten ja auch recht damit. In der Migrationspolitik würden wir die Mahnung gern zurückgeben: Nun solltet ihr endlich eure Hausaufgaben machen.“ Das sei allemal besser, als durch dauerhafte Grenzkontrollen die Errungenschaften der Schengen-Zone zu untergraben. Ob Berlin die europäischen Signale hört?