Flüchtlingsgipfel: Länder attestieren dem Bund »kein ausreichendes Problembewusstsein«

Artikel von Benjamin Schulz ( Der Spiegel)

Stimmung angespannt, Positionen weit auseinander, Kompromissbereitschaft gering: Beim Flüchtlingsgipfel stehen die Länder geschlossen gegen den Bund – und erwarten schwierige Verhandlungen.

Vor dem Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt haben die Bundesländer ihre Positionen abgesteckt – und ihre Forderung nach größerem finanziellem Engagement des Bundes untermauert.

 

 

Flüchtlingsgipfel: Länder attestieren dem Bund »kein ausreichendes Problembewusstsein«

 Flüchtlingsgipfel: Länder attestieren dem Bund »kein ausreichendes Problembewusstsein« © Michael Kappeler / dpa

 

Man könne nicht alles mit Geld lösen, aber die Länder hätten das Anliegen, die finanzielle Ausstattung der Kommunen zu verbessern, sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) vor Beginn der Beratungen bei einer Pressekonferenz. »Wir stehen an der Seite der Kommunen.« Nun wolle man versuchen, die Bundesregierung zu überzeugen, dass finanzielle Hilfen für Städte und Gemeinden notwendig seien

Es gebe einen »unübersehbaren Dissens« zur Position des Bundes, sagte Weil, der derzeit den Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) innehat. Damit bekräftigt er den Konfrontationskurs zu Parteifreund und Kanzler Olaf Scholz (SPD), der ein stärkeres finanzielles Engagement des Bundes ablehnt und auf schon vereinbarte oder geleistete Hilfen verweist.

Alle Länder seien sich parteiübergreifend einig, dass die Kommunen mehr Unterstützung vom Bund brauchen, sagte auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst bei der Pressekonferenz. Wer entscheide, müsse auch für die Folgen und Kosten dieser Entscheidungen aufkommen, sagte er mit Blick auf die Bundesregierung.

Weil der Bund über die Steuerung des Zuzugs entscheide, müsse er auch die finanzielle Verantwortung für die Folgen tragen. Wüst attestierte dem Bund, in den letzten Wochen »kein ausreichendes Problembewusstsein« gezeigt zu haben. »Das ist bedauerlich.«

»Wir brauchen heute ein Ergebnis«

Wüst betonte wie Weil, es handle sich um eine langfristige Aufgabe, sich um die Menschen zu kümmern, die hierhergekommen seien und bleiben würden. Deshalb brauche es dauerhaft verlässliche strukturelle Lösungen. Der Bund entferne sich immer weiter von Regeln, die lange gegolten hätten. Konkret nannte er Systeme, bei denen finanzielle Leistungen des Bundes sich an den Flüchtlingszahlen orientierten und nicht starr seien.

Auf die Frage, ob es vorstellbar sei, dass man ohne Ergebnis auseinandergehe, sagte Weil: »Ich mag mir das nicht vorstellen.« Wüst ergänzte: »Wir brauchen heute ein Ergebnis.« Er ergänzte, eine Vereinbarung, die kein Einstieg in eine dauerhafte, verlässliche, zusätzliche Finanzierung des Bundes an den Kosten der Länder sei, »wäre kein Ergebnis«.

Ursprünglich war der Beginn der Verhandlungen von Bund und Ländern für 14 Uhr angekündigt. Weil sich die Pressekonferenz von Weil und Wüst um mehr als eine Stunde verzögerte, schob sich auch der Beginn des Gipfels. Die Beteiligten gehen offenbar nicht von einem raschen Ende aus.

Auf die Frage, ob eine Marathonsitzung drohe, sagte Weil, er sei kein Freund von Nachtsitzungen. Seiner Erfahrung nach sei dabei noch nie was Vernünftiges herausgekommen. Wüst beließ es dabei zu sagen, für ein gutes Ergebnis bleibe er auch gern ein Stündchen länger.