Afghaninnen sollen Asyl erhalten

Artikel von Damir Fras

 

Zunehmend entrechtet: Frauen im verschneiten Kabul. © AFP

Afghaninnen sollen Asyl erhalten

EU-Agentur sieht Frauen und Mädchen generell als von den Taliban Verfolgte an und empfiehlt Aufnahme in Mitgliedsstaaten

Mädchen und Frauen aus Afghanistan sollen künftig allein wegen ihrer Geschlechtszugehörigkeit Asyl in den EU-Mitgliedsstaaten erhalten. Das empfiehlt die Europäische Asylagentur EUAA in ihren neuen Richtlinien. Die Repressionen der Taliban seien inzwischen so gewaltig, dass Afghaninnen grundsätzlich von Verfolgung bedroht seien und daher in Europa Anspruch auf einen Status als Geflüchtete hätten.

Ob die nationalen Asylbehörden der EUAA-Empfehlung folgen werden, lässt sich noch nicht sagen. Sie sind dazu nicht verpflichtet, weil es kein einheitliches Asylrecht in der EU gibt

Der Europa-Abgeordnete Erik Marquardt begrüßte die neuen Richtlinien. „Afghanistan unter den Taliban ist das frauenfeindlichste Land der Welt“, sagte der Grünen-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Knapp anderthalb Jahre nach der Machtübernahme haben die Taliban das Leben von Frauen und Mädchen extrem erschwert. Sie werden zunehmend aus dem öffentlichen Leben verdrängt.

Bereits kurz nach ihrer Machtübernahme im August 2021 verfügten die Taliban, dass weiterführende Mädchenschulen geschlossen werden. Auch Universitäten sind für Frauen inzwischen tabu, reisen dürfen sie nur in Begleitung männlicher Verwandter. Die Möglichkeit zu arbeiten haben die Taliban für Frauen dramatisch eingeschränkt. Zwar berichtete die UN jetzt von Signalen der Taliban, dass Arbeitsverbot zu lockern. Aufgehoben werde es aber voraussichtlich nicht, sagte der UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths in einem BBC-Interview. So wollten die Taliban möglicherweise Frauen wieder erlauben, für Hilfsorganisationen zu arbeiten.

Bisher bestehen demnach Ausnahmen im medizinischen Bereich und im Bildungssektor.

„Es wirkt, als würden die Taliban einen Krieg gegen Frauen und Mädchen führen“, sagte die afghanische Frauenrechtlerin Samira Hamidi. Die Taliban würden Frauen und Mädchen unterdrücken, diskriminieren und ihnen Gewalt zufügen, kritisierte die Expertin der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, die in Großbritannien lebt.

Hamidi erhob auch Vorwürfe gegen die internationale Gemeinschaft. Sie habe der erneuten Machtübernahme der Taliban den Weg geebnet. „Leider hat die internationale Gemeinschaft afghanische Frauen im Stich gelassen, weil sie nicht auf sie gehört hat. Sie hat nicht auf ihre Empfehlungen gehört, sie hat nicht auf ihre Bedenken gehört.“

Die Frauenrechtlerin rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, geschlossen gegen das Taliban-Regime zu stehen, um Änderungen bei deren restriktiver Frauenpolitik zu erzwingen. Die Welt dürfe Afghanistan nun nicht wieder vergessen, wie es während der ersten Taliban-Herrschaft 1996 bis 2001 geschehen sei. Hamidi begrüßte die EUAA-Empfehlung, mit der anerkannt werde, wie sehr Frauen in Afghanistan unterdrückt würden.

Der Grünen-Politiker Marquardt forderte, die Behörden in den EU-Mitgliedsstaaten müssten die Empfehlung jetzt so schnell wie möglich umsetzen. „Wir brauchen endlich einheitliche Entscheidungen, damit Geflüchtete nicht nur in wenigen EU-Staaten den Schutz finden, den sie benötigen.“ Ohnehin dürfte die neue Richtlinie derzeit nur für Mädchen und Frauen gelten, die bereits in der EU sind. „Etwa 20 Millionen Mädchen und Frauen, die in Afghanistan leben, haben leider nichts davon“, sagte Marquardt.

Der Grünen-Politiker regte ein von der EU gefördertes Stipendienprogramm für Universitäten in Pakistan oder Tadschikistan, an denen Afghaninnen studieren könnten. Auch sollten „die vielen talentierten und gut ausgebildeten Frauen in Afghanistan deutlich einfachere Möglichkeiten bekommen, in Europa zu arbeiten und zu studieren.“