Erdoğan als „Kanalratte“ bezeichnet: Kubicki-Aussage bleibt folgenlos

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Wolfgang Kubicki (FDP), Bundestagsvizepräsident, beim Hamburger Landesparteitag der FDP. Foto: Jonas Walzberg/dpa

Durfte der FDP-Politiker und Bundestagsvizepräsident Kubicki den türkischen Präsidenten als „kleine Kanalratte“ bezeichnen? Die Staatsanwaltschaft Hildesheim sagt Ja und lehnt Ermittlungen ab.

Die Bezeichnung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan als „Kanalratte“ durch den FDP-Politiker Wolfgang Kubicki führt nicht zu Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft Hildesheim. Nach Ansicht der Behörde liegt kein Anfangsverdacht für eine Straftat vor, wie eine Sprecherin am Montag mitteilte. Zuerst hatte das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ am Freitag darüber berichtet.

Die Sprecherin erklärte, es handele sich nach Auffassung der Staatsanwaltschaft nicht „um eine Formalbeleidigung, da die Äußerung nicht beziehungslos in den Raum gestellt wurde, sondern einen sachlichen Bezug aufwies, der zwar sehr überspitzt, aber für objektive Dritte nachvollziehbar war“. Außerdem sei die Äußerung „auch durch das Recht der freien Meinungsäußerung gedeckt, zumal die Grenzen zulässiger Kritik im Falle von Politikern erheblich weiter zu ziehen sind als bei Privatpersonen“. Je mehr eine Äußerung zur öffentlichen Meinungsbildung beitragen soll, sei die Meinungsfreiheit gegenüber der persönlichen Ehre umso höher zu gewichten.

Kubicki, der auch Vizepräsident des Bundestags ist, hatte den türkischen Staatschef im September im niedersächsischen Landtagswahlkampf als „kleine Kanalratte“ bezeichnet. Auf Nachfrage erklärte der FDP-Politiker dazu, er habe die Äußerung im Rahmen einer Ausführung über die Flüchtlingspolitik des Präsidenten getätigt, der einen für die Türkei vorteilhaften Deal mit der Europäischen Union zur Reduzierung der Flüchtlingszahlen abgeschlossen habe. Außerdem teilte Kubicki mit: „Eine Kanalratte ist ein kleines, niedliches, gleichwohl kluges und verschlagenes Wesen, weshalb sie auch in Kindergeschichten als Protagonistin auftritt („Kalle Kanalratte“, „Ratatouille“)“.

Keine Beleidigung, sondern Anerkennung?

In einem Anwaltsschreiben vom Oktober, das der dpa in Berlin vorliegt, hatte Kubicki den Vorwurf der Beleidigung und Verleumdung zurückgewiesen. In seinem Sprach- und Kulturraum werde der Begriff einer kleinen Kanalratte „nicht als Beleidigung, sondern eher als Anerkennung verstanden“, schrieb Kubicki. Unabhängig davon sei die Äußerung in einem Kontext gefallen, der eine strafrechtliche Verfolgung wegen Beleidigung ausschließe, hieß es mit Verweisen unter anderem auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

Dem „Spiegel“-Bericht zufolge hatte der Kölner Anwalt Mustafa Kaplan im Namen Erdoğans Strafanzeige gestellt. Gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Hildesheim habe er zudem bereits Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft Celle eingelegt. Kaplan bestätigte das auf Anfrage. Nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft war bis Montagmittag allerdings noch keine Beschwerde eingegangen.

dpa/dtj