DGB-Chefin Fahimi: „Sollten uns für die Diskriminierung der Deutsch-Türken schämen“
In der Debatte um eine verstärkte Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland hat sich Yasmin Fahimi, die Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes, für Erleichterungen beim Familiennachzug ausgesprochen. Es kämen nicht Arbeitskräfte, sondern Menschen, sagte Fahimi der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Und diese Menschen haben auch Familien, die eine Erlaubnis zum Nachzug erhalten müssen.“
Wie wichtig es dann aber sei, dass die gesamte Familie bereits ein bestimmtes Sprachniveau erreicht habe, sei fraglich. Als der iranische Teil ihrer eigenen Familie 1978/79 aus dem Iran nach Kalifornien geflüchtet sei, hätten auch noch nicht alle perfekt Englisch gesprochen. „Da hat sich in den USA aber niemand für interessiert“, sagte Fahimi. Die USA wären heute überhaupt nicht denkbar, wenn sie ein Einwanderungsgesetz wie über Jahrzehnte in Deutschland hätten, sagte Fahimi. Daran sollte sich Deutschland ein Beispiel nehmen.
Fahimi forderte auch Erleichterungen hinsichtlich der Staatsbürgerschaft. „Bei mir in Hannover gibt es einen Kioskbesitzer, der sich seit über 40 Jahren sieben Tage die Woche den Buckel krumm arbeitet mit seiner ganzen Familie“, sagte Fahimi. „Und der genauso lange hier auch Steuern zahlt. Aber bis heute verweigert der deutsche Staat ihm den deutschen Pass, weil er nicht bereit ist, den türkischen Pass abzugeben.“
Frage der doppelten Staatsbürgerschaft betrifft vor allem Deutsch-Türken
Diese Frage der doppelten Staatsangehörigkeit betreffe zu 90 Prozent vor allem die türkischstämmigen Menschen in diesem Land. Deutschland habe nämlich zahlreiche Abkommen mit anderen Ländern zur doppelten Staatsangehörigkeit – nicht aber mit der Türkei. Fahimi: „Das ist eine gruppenspezifische Diskriminierung, für die wir uns schämen sollten.“
Auch bei Flüchtlingen, für die Deutschland im Rahmen der Genfer Flüchtlingskonvention verantwortlich sei, dauerten die Konflikte in ihren Heimatländern oft so viele Jahre, dass sie sich längst in Deutschland etabliert hätten. „Denken wir nur an die damaligen Flüchtlingsfamilien vom Balkan. Auch sie sollten die Möglichkeit bekommen, ihren Status zu wechseln: vom Flüchtling zum Staatsbürger“, forderte Fahimi.
Weg von der Prüfungskultur
Die Eckpunkte für ein neues Fachkräfteeinwanderungsgesetz, die das Kabinett im November beschlossen hatte, lobte Fahimi. Nach den Ampelplänen sollen verstärkt auch Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger ohne anerkannten Abschluss ins Land kommen dürfen. „Die Intention ist ja, verschiedene Formen der Zuwanderung in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen“, sagte die DGB-Chefin. „Das geht von einer hochspezialisierten IT-Person, bei der der Spracherwerb auch nachgelagert in Deutschland erfolgen kann, bis hin zu Menschen, die etwa in der Pflege arbeiten möchten und dafür schnell bereits in ihrem Heimatland Deutsch lernen sollten.“
Auch junge Menschen, die noch nicht mit der Ausbildung fertig seien und den Mut hätten, irgendwo anders in der Welt ihr Glück zu suchen, dürften nicht vor bürokratische Hürden gestellt werden. „Wir müssen wegkommen von der Prüfungskultur hin zu einer Ermöglichungs- und Willkommenskultur“, sagte Fahimi.
dpa/dtj