Ex-Mitglied von Salafisten-Moschee darf deutsche Staatsbürgerschaft behalten

Die Stadt Hildesheim entzog Ahmed R. die Einbürgerung, weil er verschwiegen hatte, dass er früher in einer berüchtigten Moschee verkehrte, die als Salafisten-Hotspot galt. Dagegen klagte R. und bekam recht.

Deutschsprachiger Islamkreis Hildesheim: Kläger Ahmed R. war 2011 Mitbegründer des Vereins.Foto: Chris Gossmann

Der schlaksige Mann mit der dunklen Brille und den schwarzen Haaren ist freundlich und eloquent, redet gern über seinen Aufstieg vom Hauptschüler zum Ingenieur bei VW. Er hat zwei kleine Kinder und befindet sich momentan in Elternzeit. Heute ist Ahmed R. zweifellos ein junger, moderner Mensch. Aber das war der 30-Jährige, der die tunesische Staatsbürgerschaft besitzt und 2014 in Deutschland eingebürgert wurde, nicht immer. Vor rund zehn Jahren gehörte er zur berüchtigten Salafisten-Moschee des Deutschsprachigen Islamkreises (DIK) Hildesheim. Dass er den extremistischen Verein unterstützte, hat R. damals verschwiegen – deshalb sollte ihm gestern vor dem Verwaltungsgericht Hannover die Einbürgerung wieder entzogen werden.

In Deutschland geboren

R. ist zwar in der Bundesrepublik geboren, hatte aber jahrelang nur einen tunesischen Pass. 2014 bekam er dann auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Dafür hatte der heute 30-Jährige seinerzeit unterschrieben, dass er keine extremistische Bewegung unterstütze und er sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekenne. Diese Loyalitätsbekundung war aus Sicht der Stadt Hildesheim falsch, weil R. damals als Vorstandsmitglied die Geschicke des DIK mit gelenkt habe. Deshalb entzog die Verwaltung dem Tunesier im Mai 2021 die Einbürgerung wieder. Unterdessen wollte die Stadt sogar noch mehr: Der Mann sollte Mann ausgewiesen. Gegen beides reichte der Ingenieur Klage ein – und so landete der Fall vor dem Verwaltungsgericht.

Der 30-Jährige verstand die Welt nicht mehr. Dass in der berüchtigten Moschee des Deutschsprachigen Islamkreises an der Martin-Luther-Straße in Hildesheim salafistisches Gedankengut gepredigt wurde und Besucher so radikalisiert wurden, dass sie in den sogenannten Islamischen Staat (IS) nach Syrien und in den Irak ausreisten, will R. nicht gewusst haben. Der Verein, in dem Hassprediger Abu Walaa das Sagen hatte, wurde von Niedersächsischen Innenministerium im März 2017 verboten und aufgelöst. Abu Walaa ist inzwischen wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (im IS) zu zehneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden.

Er war Jugendsprecher im Verein

R. gehörte 2011 zu den Gründungsmitgliedern des DIK. Der Verein hatte sich von einer anderen Moschee in Hildesheim abgespalten. Der 30-Jährige wurde als „aktives Mitglied“ geführt und fungierte bis zu seinem Rücktritt aus dem Vorstand im April 2014 als Jugendsprecher.

Von der systematischen Radikalisierung innerhalb des Vereins will er dennoch nichts mitbekommen haben, behauptete R. – nicht einmal, dass 2014 der damalige Vorsitzende zum IS ausgereist war. Dem Gericht um die Vorsitzende Andrea Reccius erklärte er stattdessen, dass es damals sein Anliegen gewesen sei, eine neue Moschee zu schaffen, die auch seine Kinder besuchen könnten und in der Muslime beispielsweise im Umgang mit Behörden unterstützt würden.

Bekannte Hetzer predigen im DIK

Eine Art von Sozialarbeit mag es im DIK damals gegeben haben, allerdings hielt zeitglich auch Abu Walaa bereits seine Hassreden, als R. dort Vorstandsmitglied war. Vertreter des Niedersächsischen Verfassungsschutzes berichteten, dass es Hinweise darauf gibt, dass der Iraker bereits 2011 in der Moschee predigte, ganz sicher aber ab 2012.

Dazu kommt, dass der 30-Jährige als Jugendsprecher zusammen mit den anderen vier Vorstandsmitglieder einschlägig bekannte, radikale Salafistenprediger nach Hildesheim holte – darunter Sven Lau und Abul Baraa. Daran findet R. auch heute noch nichts Verwerfliches: „Das waren Leute, die bekannt waren wie Rapper.“ Die Vorsitzende Richterin merkte kritisch an, dass der Kläger sich immer noch nicht vom Geschehen damals in der Moschee distanzieren würde.

„Der Ton hat sich verändert“

Es bedurfte einer Unterbrechung der Verhandlung, bis R. sich dazu durchringen konnte zu erklären, dass ihm 2015 und 2016 auffiel, dass sich im DIK „der Ton verändert hatte“. Auch nachdem der Hildesheimer 2014 aus dem Vorstand zurückgetreten war („Ich hatte keine Zeit mehr, weil mein Studium in Hannover begonnen hatte“), besuchte er weiter die Moschee. Damals reisten viele Leute nach Syrien und in den Irak aus – oft, nachdem sie im Ramadan Seminare bei Abu Walaa besucht hatten. Die Moschee galt damals als Salafisten-Hotspot in Deutschland.

„Blauäugig gewesen“

R. beteuerte schließlich, damals „ein bisschen blauäugig gewesen zu sein“. Inzwischen sei das nicht mehr so: „Ich liebe die Freiheit und multi-kulti.“ Er sei „praktizierender Moslem“ und versicherte, dass er salafistisches Gedankengut ablehne. Die zehnte Kammer hörte sich zudem zwei Zeugen an, die die Angaben des Ingenieurs stützten. Der Stadt Hildesheim reichte das: Die Verwaltung zog den Bescheid über die Einziehung der Einbürgerung zurück. Der 30-Jährige darf somit die deutsche Staatsbürgerschaft behalten.

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