Linke Feministinnen werden zu Komplizinnen radikaler Islamisten»
Daniel Graf
Ahmad Mansour übt harte Kritik am iranischen Regime – und fordert Europa auf, es ihm gleichzutun. «Der fehlende Wille, den politischen Islam zu kritisieren, nervt gewaltig», sagt der Experte
fordert, dass gemässigte Muslime, Christen und Atheisten dieser Bedrohung gemeinsam gegenübertreten. «Es ist absurd, dass wir uns nicht mehr trauen, Ehrenmorde, Zwangsheirat und Kopftuchpflicht zu kritisieren und uns für Frauenrechte einzusetzen.»
Für Ahmad Mansour* sind Morddrohungen und Hassbotschaften Alltag. Verlässt er sein Haus, muss er die Polizei informieren. Mansour, 46 und selbst Muslim, kritisiert öffentlich den politischen Islam und dessen Versuch, unsere Demokratie zu unterwandern. Im Interview spricht er über die Spaltung der Gesellschaft, Machenschaften extremistischer Vertreter des politischen Islams und die Ohnmacht linker Feministinnen im Umgang damit.
Sie äussern sich sehr kritisch über den politischen Islam. Weshalb?
Es geht nicht darum, die Weltreligion Islam zu verteufeln. Doch der politische Islam und seine Komplizen sind brandgefährlich. Im Iran gründen alle Massnahmen der Unterdrückung vom Kopftuch über die Geschlechtertrennung bis zur Homophobie auf der Tatsache, dass religiöse Führer die Staatsoberhäupter sind. Mich nervt es gewaltig, dass die Menschen die Ursache der Probleme im Iran nicht im politischen Islam sehen wollen.
«Nach aussen geben sich Vertreter des politischen Islam als Antirassisten und erreichen so, dass sich niemand mehr traut, sie zu kritisieren, aus Angst, als islamophob abgestempelt zu werden. Das ist brandgefährlich.
Wie beurteilen Sie die Reaktion des Westens auf die Proteste?
Wenn Annalena Baerbock (Aussenministerin Deutschlands, die Red.) sagt, die Ursachen der Unterdrückung, des Terrors und der Proteste hätten «nichts mit Kultur oder Religion zu tun», ist das tatsächlich ein neuer Tiefpunkt. Politisch hätte klar gemacht werden müssen, dass man auf der Seite der Menschen im Iran steht. Dass dieses Regime kein wirtschaftlicher Partner sein kann und dass man schon gar nicht über ein Atomabkommen verhandeln kann. Und es braucht Sanktionen gegen das Regime, um die Menschen langfristig zu unterstützen.
(Anmerkung der Redaktion: Aussenministerin Annalena Baerbock kündigte in der «Bild am Sonntag» angesichts des brutalen Vorgehens der Sicherheitskräfte Sanktionen gegen Urheber von Unterdrückungsmassnahmen an.)
Und gesellschaftlich?
Wir müssen den Mut finden, den politischen Islam sachlich und differenziert zu kritisieren. Klar zu benennen, dass die Kopftuchpflicht nicht mit unseren Werten vereinbar ist. Denn Vertreter des politischen Islam unterwandern auch unsere westlichen Demokratien. Sie sind hier, radikalisieren unsere Jugendlichen und lobbyieren bei Beamten und Politikerinnen. Nach aussen geben sie sich als Antirassisten und erreichen so, dass sich niemand mehr traut, sie zu kritisieren, aus Angst, als islamophob abgestempelt zu werden. Das ist brandgefährlich. Linke Feministinnen werden so mutlos und verängstigt zu Komplizinnen radikaler Islamisten.
Am anderen Ende des politischen Spektrums haben rechtspopulistische Strömungen in vielen Ländern Aufwind.
Und auch sie tragen zum Problem bei. Wenn ich auf der Strasse Frauen mit Kopftuch beleidige, ist das nichts anderes als Rassismus. So wird Integration verhindert. Was wir brauchen, sind Aufklärung und Differenzierung. Muslime dürfen nicht alleine wegen ihrer Religion diskriminiert werden – aber sie dürfen eben auch nicht unter dem Deckmantel des Antirassismus von jeglicher Kritik verschont bleiben. Es ist doch absurd, dass linke Feministinnen sich nicht mehr trauen, Ehrenmorde, Zwangsheirat und Kopftuchpflicht zu kritisieren und sich für Frauenrechte einzusetzen.
Die religiöse Führung des Irans versprüht ihr Gift in den ganzen Nahen Osten und auch Richtung Westen. Und diese Menschen verfügen möglicherweise bald über Atombomben. Mir graut davor.
Wie können wir das ändern?
Über sachlichen Diskurs. Über das bedingungslose Einstehen für Demokratie und Menschenrechte. Über Aufklärung, an Schulen, Universitäten, in den Medien. Wir müssen berechtigte und dringend nötige Islamkritik in die Mitte der Gesellschaft bringen. Gemässigte Muslime und Christen oder Atheisten westeuropäischer Gesellschaften müssen sich gemeinsam gegen den politischen Islam und seine Ausbreitungsfantasien stellen.
Ausbreitungsfantasien?
Ja. Die sind im Iran stark ausgeprägt. Die religiöse Führung des Irans versprüht ihr Gift in den ganzen Nahen Osten und auch Richtung Westen. Und diese Menschen verfügen möglicherweise bald über Atombomben. Mir graut davor.
Gibt es denn keinen Widerstand von gemässigten Muslimen?
Doch. In Ländern wie Tunesien, Marokko, Ägypten oder dem Libanon gibt es immer mehr Gemässigte oder Atheisten, die den radikalen Islamismus öffentlich anprangern. Doch sie werden in der Mitte der westlichen Gesellschaften nicht gehört. Und sie werden nach wie vor verfolgt und bedroht. Ich erhalte täglich Hassbotschaften und Morddrohungen.
Hinter verschlossenen und vom Ausland finanzierten Moscheentüren werden Jugendliche radikalisiert, einzelne Viertel oder ganze Städte werden für sich beansprucht.
Woraus schöpfen Sie Hoffnung?
Für den Iran und seine Bevölkerung aus dem Widerstand, aus den Protesten. Für den Nahen Osten habe ich derzeit leider keine Hoffnung. Nicht, solange wir Staaten wie Saudiarabien oder die Türkei als Partner auf Augenhöhe betrachten. Und auch der Westen muss sich hüten. Ob in Frankreich, Schweden oder Italien: Die Macht radikaler islamischer Strömungen wächst. Hinter verschlossenen und vom Ausland finanzierten Moscheentüren werden Jugendliche radikalisiert, einzelne Viertel oder ganze Städte werden für sich beansprucht. Wenn wir uns weiterhin nicht trauen, das zu kritisieren, sehen wir am Beispiel des Iran, in welche Richtung das gehen könnte.
*Ahmad Mansour ist Psychologe und Autor des Buchs «Operation Allah: Wie der politische Islam unsere Demokratie unterwandern will»