Studie zum Muslimischen Mobbing an Berliner Schulen: Weggucken hat noch nie geholfen
Neukölln rät, eine "Anlauf- und Dokumentationsstelle für konfrontative Religionsbekundungen einzurichten. Noch gibt es dafür kein Geld. Ein Kommentar.
Wissen, was los ist – damit muss jede Auseinandersetzung beginnen. Das jedenfalls hat sich die politische Spitze von Berlin-Neukölln gesagt, die schon immer etwas anders war, wenn es um das Benennen von Problemen geht. Deshalb hat sie eine Studie in Auftrag gegeben, die sich mit religiöser Toleranz, oder besser: Intoleranz an Schulen befasst.
Nun liegt die Bestandsaufnahme vor – und sie entspricht so ziemlich genau dem, was erwartet worden war: Junge Mädchen, die sich nicht „züchtig“ kleiden, werden eingeschüchtert, Aleviten, die nicht fasten, ausgegrenzt, Andersgläubige gemobbt. So weit, so bekannt. Aber was heißt schon „bekannt?“.
Neuköllns Bürgermeister Martin Hikel spricht von „Hilferufen“, die aus Schulen kommen. Der Sozialdemokrat Hikel war es, der zusammen mit dem langjährigen CDU-Stadtrat Falko Liecke entschieden hat, dass es nicht reicht, „Hilferufe“ zur Kenntnis zu nehmen. Sondern dass es eine Bestandsaufnahme brauche, die auf Basis von Interviews versucht werden sollte. Dabei kam heraus, dass – auch in Neukölln – nicht jede Schule Probleme mit religiösem Mobbing hat. Vielmehr gibt es große Abstufungen bei den Zumutungen, denen liberale Muslime und nichtmuslimische Schülerinnen und Schüler ausgesetzt sind. Nicht selten hat das auch damit zu tun, welche Moschee sich in der Nähe der jeweiligen Schule befindet. Und es zeigte sich, dass es weniger um einzelne spektakuläre Ausfälle von Fanatikern geht, die die Atmosphäre verderben, sondern mehr um die „Alltagskultur“, wie es der Leiter der Studie ausdrückt. Es geht also um das subtile, alltägliche Unterlaufen dessen, was Freiheit im Umgang, bei Kleidung, beim Essen ausmacht.
Die gleiche Debatte - sie wurde 2010 geführt
Die gleiche Debatte - sie wurde 2010 geführt
Es gab schon mal einen Versuch, diese Unfreiheit zu thematisieren. Im Jahr 2010 war es die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die Lehrkräften und ihren Schilderungen von muslimischen Einschüchterungsversuchen an Berliner Schulen ein Forum bot. Damals tauchte der Begriff „Deutschenfeindlichkeit“ auf, dessen Missverständlichkeit von rechten Kräften genutzt wurde, um die Diskussion in ihrem Sinne zu drehen. Am Ende verpuffte die leidenschaftliche Debatte ergebnislos (mehr dazu im damaligen GEW-Themenschwerpunkt HIER zum Herunterladen.) .
Das darf diesmal nicht passieren, denn der Schaden, den alle Seiten davontragen, wenn die Schulen mit diesem Dilemma alleingelassen werden, wird größer vom Wegschauen. Die Politik hätte durch die Finanzierung einer Anlaufstelle die Möglichkeit, das Problem anzugehen. Und zwar richtig.