Neue Zrücher Zeitung Deutschland
„Die Bedeutung des Islam in Detuschland wird steigen und die ChristentumsZurückgehen“
Oliver Maksan
Herr Professor Pollack, die Feiertage über sind die Kirchen in Deutschland selbst unter Pandemiebedingungen so voll wie nie sonst während des Jahres. Gleichzeitig war die Zustimmung zu den harten Inhalten des christlichen Credos wohl nie so gering wie heute, oder?
Das stimmt. Die Zustimmung zu den dogmatischen Gehalten des christlichen Glaubens nimmt seit Jahrzehnten ab. Dass Jesus Gottes Sohn sei, meinte 1986 noch mehr als die Hälfte der Westdeutschen, heute nur noch etwas mehr als ein Drittel. Wenn es um den Glauben an die Auferstehung oder die Dreifaltigkeit geht, ist die Zustimmung inzwischen ähnlich gering. Viele Menschen unterscheiden zwischen den für sie immer noch akzeptablen ethischen Aussagen des Christentums wie dem Gebot der Nächstenliebe und dem harten dogmatischen Kern.
Atheistisch ist wenigstens Westdeutschland trotzdem nicht.
Nein, im Westen glauben noch immer mehr als 60 Prozent an Gott. Vor 50 Jahren waren es allerdings mehr als 80 Prozent. Und die inhaltlichen Vorstellungen von Gott ändern sich. Heute glauben mehr Menschen an eine höhere Macht denn an Gott als eine Person, wie sie die Bibel verkündet. 35 Prozent der Westdeutschen stellen sich Gott als eine höhere Macht vor, nur 27 Prozent als ein personales Gegenüber. Man kann insofern von einer Verflüssigung der Transzendenzvorstellungen sprechen.
Wird damit auch das Weihnachtschristentum irgendwann verschwinden? Also der Kirchenbesuch von Mitgliedern, die sonst nie in Gottesdienste gehen?
Grundsätzlich ist der Gottesglaube sehr stark auf soziale Bestätigung angewiesen. Er bedarf immer wieder der Erneuerung durch rituelle Interaktion wie Gottesdienste und Gebete. Wenn die soziale Interaktion des Glaubens wegfällt, verflacht und verflüchtigt er sich. Die Praxis dessen, was Sie Weihnachtschristentum nennen, ist derzeit aber noch immer ziemlich stabil. In Westdeutschland bleibt der Besuch der Weihnachtsgottesdienste seit Jahren nahezu konstant, im Osten steigt er sogar an