Feinde des Liberalismus: Was den Islamismus mit dem Rechtsextremismus verbindet

                             Artikel von Susanne Schröte/ Faz

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Die Iman-Ali-Moschee in Hamburg wurde am 24. Juli 2024 vom Bundesinnenministerium geschlossen, nachdem der Verfassungsschutz ihren Trägerverein, das Islamische Zentrum Hamburg, als verfassungsfeindlich eingestuft hatte. © KNA

Muslime werden im Koalitionsvertrag nicht erwähnt, anders als der Islamismus, den Union und SPD mit einem Aktionsplan bekämpfen möchten. Der Protest muslimischer Verbandsvertreter erfolgte prompt. Der „Zentralrat der Muslime in Deutschland“ (ZMD) zeigte sich „tief besorgt“. Muslime würden nicht explizit wertgeschätzt, und auch vom „antimuslimischen Rassismus“ sei keine Rede. Ähnlich äußerte sich der Generalsekretär der „Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs“ (IGMG). Die Stoßrichtung des Vertrags sei ausgrenzend, untergrabe Vertrauen und widerspreche dem Anspruch der Muslime auf Teilhabe.

Die Grünen-Politikerin Lamya Kaddor wiederholte die Klagen fast wortgleich und fügte an, ihr schwante „Böses“ für die nächsten Jahre. Auch die Migrationsforscherin Naika Foroutan schloss sich an. Der Koalitionsvertrag offenbare ein Kuschen vor der Muslimfeindlichkeit der AfD, meinte sie. Damit war der zentrale Spin gesetzt. SPD und Unionsparteien hätten Positionen der „Rechten“ übernommen, wurde gemutmaßt, und dies zeige unübersehbar einen Rechtsruck in der politischen Landschaft der Bundesrepublik. Diese kühne These führt aus mehreren Gründen in die Irre.

Nicht geklagt haben alle Menschen mit muslimischem Migrationshintergrund, die sich als säkular, liberal oder agnostisch identifizieren. Sie kritisieren die muslimischen Verbände wegen ihrer Selbstinszenierung als Opfer einer angeblich „strukturell rassistischen“ Gesellschaft, aber auch wegen ihres Schweigens nach islamistischen Anschlägen und ihrer anti-emanzipativen Positionen. Dafür werden sie von einer sich postkolonial definierenden Linken scharf kritisiert, die die fundamentalistischen Muslime zu ihren Betreuungsobjekten erkoren hat und über die vielfältigen Formen der Diskriminierung in deren Milieu gnädig hinwegsieht.

Rechtsradikalismus innerhalb der Islamverbände

Wer diese Realitätsverdrehungen nicht mitmachen möchte, sollte die an einem Rechts-links-Schema ausgerichtete Argumentation vom Kopf auf die Füße stellen und Islamismus als demokratiefeindliche oder sogar rechtsradikale Bewegung einordnen. Dafür spräche auch die Listung etlicher Organisationen in Berichten des Verfassungs­schutzes. Dies betrifft auch die IGMG und den ZMD. Letzterer ist ein Dachverband für Einzelorganisationen, die teilweise unter der Rubrik islamistisch, teilweise als rechtsradikal aufgeführt wurden.

So wurde eines der Gründungsmitglieder des ZMD, die „Deutsche Muslimische Gemeinschaft“ (DMG), als Organisation der Muslimbruderschaft gelistet. Die Bruderschaft ist eine internationale islamistische Organisation, aus der unter anderem die Hamas hervorging. Auch das „Islamische Zen­trum Hamburg“, das als Europazentrale des iranischen Regimes fungierte und 2024 vom Bundesinnenministerium verboten wurde, gehörte dem ZMD an.

Erst kurz vor dem sich abzeichnenden Verbot wurde die Mitgliedschaft ausgesetzt. Noch dabei ist allerdings die „Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine“ (ATIB), die vom Verfassungsschutz einer Bewegung zugeordnet werden, die hierzulande als „Graue Wölfe“ bekannt ist. Diese gelten wegen ihres Ultranationalismus, ihres Rassismus und Antisemitismus sowie ihrer Gewaltaffinität als Rechtsradikale. Angesichts solcher Tatsachen muss Foroutan und anderen, die Islamismuskritik mit rechten Ideologien in Verbindung bringen, entschieden widersprochen werden.

Die „Sittsamkeit“ des Kopftuchs

Doch was sagen eigentlich deutsche Rechtsextreme zum Islam? Gemeinhin werden sie ja als Islamhasser dargestellt. Dass dieses Bild keine allgemeine Geltung beanspruchen kann, wurde unter anderem bei den Wahlkampfauftritten des AfD-Politikers Maximilian Krah ersichtlich. Krah warb nämlich dezidiert um die Stimmen rechter Muslime und lobt auch gerne den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Sein Feindbild, daran lässt er keinen Zweifel, ist nicht der islamische Extremismus, sondern der Liberalismus. Geteilt wird diese Haltung von Vordenkern der Neuen Rechten, zu denen Philip Stein, der Initiator des „Jungeuropa“-Verlags, gehört.

In diesem Medienunternehmen veröffentlichte der rechtsextreme Bodybuilder Frederic Höfer 2023 das Buch „Feindbild Islam als Sackgasse“, das die Schönheit des koranischen Wertekanons und die Standhaftigkeit konservativer Muslime gegen die Versuchungen westlicher Freiheiten besingt. Zum Kopftuch heißt es dort beispielsweise, dass es mit „Sittsamkeit, Anmut, Diskretion und Würde“ assoziiert werde. „Das Zurücknehmen weiblicher Reize, um ihre Kostbarkeit allein dem heiligen Ehebund zu schenken, muss in einer promiskuitiven ‚emanzipativen‘, westlichen ‚Singlegesellschaft‘ Anstoß erregen.“

Schon 2016 hatte der neurechte Historiker Karlheinz Weißmann in der „Junge Freiheit“ davor gewarnt, sich bei Islamkritik mit Verteidigern westlicher Werte gemeinzumachen, die darunter „vor allem das Recht auf Obszönität, Abtreibung und die Durchsetzung der Schwulenehe verstehen“.

Von links wird Verschleierung zum Sinnbild eines indigenen Widerstands

Solche Aussagen müssten nicht nur vielen Vertretern muslimischer Verbände gefallen, sondern auch den Initiatoren der 2023 gegründeten Partei „Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch“, deren Akronym DAVA dem gleich lautenden arabischen Begriff für Mission entspricht. Das Parteiprogramm ist ein Bekenntnis zu traditionellen Familienstrukturen und der Pro-Life-Bewegung. Aufgrund der starken Affinität des Führungspersonals zum türkischen Präsidenten erfolgte in linken Kreisen eine Verurteilung der Parteigründung. Der Grünen-Politiker Max Lucks sprach von einer türkischen AfD, und auch innerhalb der SPD regte sich Empörung, die vielleicht primär dadurch motiviert war, dass die Initiatoren der DAVA zuvor in der SPD engagiert waren. Eine grundlegende Revision der unkritischen Islamapologetik erfolgte jedoch nicht.

Dafür ist möglicherweise auch der herrschende linke Kulturrelativismus verantwortlich, der das andere stets dann verteidigt, wenn es gegen den Westen in Stellung gebracht werden kann. Ethnologinnen wie Saba Mahmood und Lila Abu Lughod stilisierten die islamische Verschleierung zu Sinnbildern eines indigenen Widerstands gegen die westliche Wertehegemonie. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde diese These bekannt, als sie von der Philosophin Judith Butler aufgegriffen wurde. Sie findet sich aber auch in den Schriften einiger rechtsradikaler Autoren, die islamische Geschlechterordnungen nach dem Konzept des Ethnopluralismus als genuin Eigenes der islamischen Welt gegen einen angeblichen Kulturimperialismus des Westens verteidigen.

Sowohl postkoloniale Linke als auch Rechtsextreme lehnen den liberalen Universalismus entschieden ab und möchten bestimmte Kollektive unter einen besonderen Schutz stellen. Beide verharmlosen oder legitimieren den islamischen Extremismus. Während Butler Hamas und Hizbullah als Teile der globalen Linken definiert und ihre Terrorakte zu legitimen Widerstandsaktionen erklärt, rechtfertigt der rechtsextreme Autor Thor von Waldstein Gewalt im Namen des Islam als gutes Recht der Muslime, sich gegen die Zerstörungskraft des Westens zu wehren. In Bezug auf den Islam existieren offenbar mehr Gemeinsamkeiten zwischen Linken und Rechten, als man vermuten könnte.

Auch die geteilte Gegnerschaft ist ähnlich: Es ist der an den Freiheitsrechten des Individuums orientierte Liberalismus. Von postkolonialen Linken wurden liberale Werte zugunsten eines Revolutionspathos aufgegeben, in dem Muslime als Partner im Kampf gegen den kapitalistischen Westen fungieren sollen, von Rechten wurden sie stets als dekadent abgelehnt. Im Kern sind beide Haltungen demokratiegefährdend. Wer die liberale Demokratie gegen ihre Feinde verteidigen möchte, braucht einen klaren Blick auf den Islamismus.