Islam-Kritiker im Interview: „Warum lässt Deutschland zu, dass es Menschen gibt, die Gewalttaten begehen?
Muslime der Ahmadiyya-Gemeinde in Deutschland versammeln sich in den Hallen der Messe Stuttgart zu einem Gebet. Die nach eigenen Angaben älteste muslimische Gemeinschaft Deutschlands begeht ihr 100-jähriges Bestehen. © Bernd Weißbrod/dpa
Hamed Abdel-Samad wandelte sich vom Muslimbruder zum radikalen Kritiker des Islam. Als seine Autobiografie veröffentlicht wurde, sprachen islamistische Geistliche eine Fatwa gegen ihn aus. In seinem neuen Buch „Der Preis der Freiheit“ (dtv-Verlag, 24 Euro) beklagt Abdel-Samad, dass auch in Deutschland die Freiheit durch Islamisten und Extremisten von Rechts und Links zunehmend bedroht ist.
Seit nunmehr zehn Jahren müssen Sie unter Polizeischutz leben, mit der ständigen Bedrohung eines islamistischen Anschlags. Haben Sie es bereut, in Büchern und Vorträgen den Islamismus angeprangert zu haben?
Es gab eine Zeit, wo ich es bereut habe. 2015 bei der Frankfurter Buchmesse gab es erstmals nicht nur Drohungen aus dem Ausland, sondern einen Mordauftrag von deutschen Islamisten. Meine Sicherheitsstufe wurde erhöht, ich musste mit schusssicherer Weste auftreten. Da habe ich erstmals gedacht, ich muss aufhören, sonst ist mein Leben für immer zerstört. Aber dann kam ich zum Entschluss: Ich darf diesen radikalen Menschen nicht nachgeben! Ägypten habe ich verlassen, um hier in Deutschland in Freiheit leben zu können, um alles schreiben und sagen zu können, was ich denke. Plötzlich bin ich in der Situation, dass die Islamisten mir auch hier in Deutschland vorschreiben wollen, was ich sagen darf.
Abdel-Samad muss unter Polizeischutz leben – und äußert klare Kritik
Gewöhnt man sich irgendwann an diesen Ausnahmezustand, ständig unter Polizeischutz leben zu müssen?
Ich wehre mich dagegen, mich daran zu gewöhnen, denn dann würde ich hinnehmen, dass diese Islamisten triumphieren. Es kann nicht sein, dass 2024 mitten in Europa ein Schriftsteller um sein Leben fürchten muss, während Islamisten frei herumlaufen und ungestört ihre Hasstiraden verbreiten dürfen. Und sogar Kriminelle haben in Deutschland mehr Freiheit als ich! Ich wollte einmal in einem Restaurant essen gehen, was ich selten tue. Wegen meiner erhöhten Sicherheitsstufe muss die Polizei das Lokal checken, ehe ich es betreten darf. Und die Beamten sagten mir, ich dürfe das Restaurant nicht betreten, weil darin bewaffnete Mitglieder eines kriminellen arabischen Clans sitzen. Wenn die Polizei den Kriminellen ausweicht und nicht umgekehrt, dann läuft doch etwas in diesem Land grundsätzlich schief.
Islam-Kritiker Hamed Abdel-Samad. © Martin Hangen/dtv
Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie vom Anschlag auf Salman Rushdie hörten?
Sehr viele gemischte Gefühle und Gedanken. 33 Jahre nach seiner Fatwa hatte es ihn erwischt. Bei mir waren es gerade zehn Jahre seit meiner Fatwa her. Islamisten haben ein sehr gutes Langzeitgedächtnis. Das heißt, ich werde für immer unter Lebensgefahr leben und arbeiten. Doch Rushdies Beispiel zeigt für mich auch, was wir im Westen alles falsch gemacht haben.
Falsche Strategie beim Schutz friedlicher Muslime
Was genau waren die Fehler?
Nach dem Terror vom 11. September 2001 wollten wir eigentlich klare Kante gegen den Islamismus zeigen. Doch das passierte nicht, stattdessen war der Westen danach bemüht, islamische Gemeinschaften zu integrieren. Die Politik hat https://www.merkur.de/politik/partei-erdogan-legt-spd-und-gruene-rein-erst-doppelpass-dann-neue-92802808.html","storyElementPosition":21,"storyElementCount":38}}" data-id-em="1">Erdogan hofiert und versucht, die Muslimbrüder irgendwie zu zähmen. Der Multikulturalismus hat versucht, jede kritische Stimme, die vor der Gefahr durch den Islamismus warnt, zum Schweigen zu bringen. Die Idee dabei war nobel, man wollte friedliche Muslime vor Hass und Rassismus zu schützen. Aber mit dieser Strategie haben wir den Islamisten die Möglichkeit gegeben, ihre Infrastruktur aufzubauen und immer mächtiger zu werden. Und gleichzeitig wurden auch die rechten, rassistischen Gruppen immer stärker.