Die islamische Welt kritisiert Schweden und Dänemark scharf, verhängt aber keine Sanktionen
Es ist eine lange Liste, welche die Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) nach ihrer digitalen Sondersitzung zu den Koranverbrennungen in Skandinavien am Montag veröffentlicht hat. Wie erwartet verurteilen die muslimischen Staaten darin Schweden und Dänemark scharf für alle Akte der Aggression gegen den «heiligen Koran». Sie äussern zudem ihr tiefes Bedauern, dass die dortigen Behörden solche Aktionen immer wieder bewilligen.
Nach Meinung der Aussenminister der 57 Mitgliedsländer verstossen die beiden nordischen Länder damit gegen die Uno-Resolution für Toleranz, Frieden und Sicherheit. Sie fordern daher die Unterstützung der Uno und der EU-Kommission zur Verhinderung weiterer «krimineller Akte unter dem Vorwand der Meinungsäusserungsfreiheit». Der Uno-Generalsekretär wird zudem aufgerufen, einen Sonderberichterstatter zur Bekämpfung der Islamophobie zu ernennen.
Die 35-Punkte-Liste der OIC enthält jedoch keinen Aufruf zu gemeinsamen politischen und wirtschaftlichen Sanktionen gegen Schweden und Dänemark – was dort mit einiger Erleichterung aufgenommen wurde. Die OIC überlässt es stattdessen ihren Mitgliedern, nötige Beschlüsse zu fassen und diplomatische, politische oder wirtschaftliche Massnahmen gegen Schweden und Dänemark zu ergreifen, um die Ablehnung der wiederholten Schändungen und Verbrennungen des Korans kundzutun.
Hardliner setzten sich mit Boykottforderung nicht durch
Dies deutet auf eine Kompromisslösung innerhalb der OIC hin, einem losen Zusammenschluss muslimischer Staaten, unter denen sich gemässigte Mitglieder wie auch Hardliner finden. Am Wochenende hatte Irans Revolutionsführer Ayatollah Ali Khamenei der schwedischen Regierung vorgeworfen, hinter den Koranschändungen zu stehen und Kriegsstimmung gegen islamische Länder zu schüren. Auch der Chef der libanesischen Hizbullah-Miliz, Hassan Nasrallah, rief am Samstag dazu auf, all jene zu bestrafen, die den Koran schändeten.
Erst am Montag steckte der irakische Christ Salwan Momika vor dem Parlament in Stockholm einen Koran in Brand. Momika hatte bereits im Juni das Buch vor einer Moschee verbrannt. Die wiederholten islamfeindlichen Aktionen in Schweden und Dänemark haben zu starken Reaktionen und Protesten in mehreren muslimischen Ländern geführt. Vor zwei Wochen stürmten wütende Demonstranten die schwedische Botschaft in Bagdad und setzten das Gebäude in Brand.
Erhöhte Terrorgefahr nach Provokationen
Wenn auch ein kollektiver Boykottaufruf der OIC ausgeblieben ist, so könnte die gemeinsame Erklärung Einzeltäter oder extremistische Organisationen auf den Plan rufen. Nach Einschätzung der schwedischen Sicherheitspolizei (Säpo) ist das Land innert kurzer Zeit von einem «legitimen» zu einem «prioritären Ziel» für Terroranschläge geworden. Laut der Säpo-Chefin Charlotte von Essen droht eine Verschärfung der Sicherheitslage; das Risiko von Terroranschlägen liegt derzeit auf der fünfstufigen Skala bei drei.
Der Regierungschef Ulf Kristersson betonte am Dienstag erneut, dass er sich voll und ganz hinter die Meinungsäusserungsfreiheit stelle: «Wir passen uns nicht den Forderungen anderer Länder an», so Kristersson. Aussenminister Tobias Billström hatte im Vorfeld der Sitzung der OIC mit deren Generalsekretär telefoniert sowie seinen 57 Amtskollegen in einem Brief beteuert, dass Schwedens Regierung «islamophobe Taten aller Art verurteile».
Das Justizministerium will hingegen prüfen, ob eine Anpassung des Ordnungsgesetzes angebracht ist. Nach derzeitiger Regelung ist es allein Sache der Polizei, Gesuche für allgemeine Zusammenkünfte zu bewilligen. Egal, ob deren Absicht friedliche Umweltdemonstrationen oder die Verbrennung des Korans sind, die Polizei muss einzig die Sicherheit am Ort der Demonstration in Betracht ziehen – nicht aber die nationale Sicherheitslage.
Aufgrund der eskalierten Bedrohungslage will die Regierung am Donnerstag eine Verstärkung der inneren Grenzkontrollen beschliessen. Leibesvisitationen, Fahrzeugkontrollen und Kameraüberwachung sollten verhindern helfen, dass Personen mit terroristischen Absichten nach Schweden einreisten, erklärte Kristersson am Dienstagmittag.
Dänemark will Demonstrationsfreiheit einschränken
In Dänemark, wo die Terrorgefahr seit längerem auf Stufe vier liegt, hat die Regierung angekündigt, Koranverbrennungen vor ausländischen Botschaften zu verbieten. Damit sollen «die dänischen Interessen im Ausland sowie die Sicherheit dänischer Bürgerinnen und Bürger» gewährt werden, wie Aussenminister Lars Lökke Rasmussen am Montag sagte. Die Pläne der Mitte-Regierung stossen allerdings auf breite Kritik von links wie rechts.
Dänemark dürfe seine Gesetzgebung nicht ändern, bloss weil despotische Länder ohne Respekt für Menschenrechte Druck ausübten, meinte eine Vertreterin der linken Einheitsliste. Der Chef der Konservativen, Sören Pape Poulsen, bezeichnete Hohn-Aktionen wie die Schändung des Korans auf seiner Facebook-Seite als «respektlos, platt und dumm, aber legal». Die Pläne der Regierung werden im Folketing einen schweren Stand haben.