Atamans Antidiskriminierungsstelle verliert erneut – „Triumph für die Meinungsfreiheit“
Die Bundesrepublik Deutschland hat erneut vor Gericht verloren. Auslöser war eine Abmahnung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) gegen das Medienunternehmen „Nius“ beziehungsweise dessen Muttergesellschaft „Vius“.
Die ADS hatte zwei im Mai veröffentlichte „Nius“-Artikel abgemahnt, die sich inhaltlich mit einer Transperson befassten. Der biologische Mann hatte Mitglied in einem Fitnessstudio für Frauen werden wollen und war abgelehnt worden. WELT berichtete.
Die von Ferda Ataman geleitete ADS mahnte mehrere Textpassagen an. Darunter die Aussagen, die „Regierung“ verlange „Bußgeld“ von der Betreiberin des Studios. Das vom ehemaligen „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt geleitete Portal ließ die Artikel online, sah darin eine legitime Äußerung. Das Landgericht Berlin wies die Unterlassungsanträge zurück, das Berliner Kammergericht bestätigte die Entscheidung.
Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel, der „Vius“ juristisch vertritt, reichte darüber hinaus negative Feststellungsklage vor dem Landgericht Hamburg ein. Eine negative Feststellungsklage ist ein juristisches Instrument, das darauf abzielt, eine Anschuldigung abzuwehren. Beklagte im vorliegenden Verfahren: die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman.
Das Gericht gab Steinhöfel und seiner Mandantin am 13. September recht. „Es wird festgestellt, dass die von der Beklagten mit ihren Abmahnungen vom 31.05.2024 geltend gemachten Unterlassungsansprüche (...) nicht bestehen“, heißt es im Anerkenntnisurteil, das WELT vorliegt (AZ 324 O 268/24). Weiter: „Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen“, urteilen die drei Richterinnen. Der Streitwert wurde auf 45.000 Euro festgesetzt, das Urteil ist „vorläufig vollstreckbar“.
„Ein weiterer Triumph meines Mandanten für die Meinungsfreiheit“, sagt Steinhöfel zu WELT. Als das von Svenja Schulze geleitete Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung eine als polemisch und unzutreffend empfundene Äußerung Reichelts verbieten lassen wollte, urteilte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zugunsten des Journalisten. Auch dieser Prozess war wie mehrere Verfahren mit der Antidiskriminierungsstelle von Steinhöfel bestritten worden.
Die negative Feststellungsklage im vorliegenden Fall sei „von vornherein überflüssig“ gewesen, weil die Beklagte ihren Unterlassungsanspruch „längst“ beim Landgericht Berlin anhängig gemacht habe, argumentiert der Anwalt, der die Bundesrepublik vertritt. Deshalb sei es „nunmehr nicht mehr angezeigt, ein zweites Gericht mit der Sache zu beschäftigen“, heißt es im Schreiben, das auf dem 11. September datiert. Dennoch erkenne die BRD den Klageanspruch Steinhöfels an. Das Urteil fiel zwei Tage später und ohne mündliche Verhandlung.
Steinhöfel wirft der Gegenseite eine Lüge vor
Steinhöfel hadert mit der Prozessführung der Bundesrepublik. Denn in ihrem Anerkenntnis an das Landgericht Hamburg habe die Gegenpartei behauptet, ihr Unterlassungsanspruch sei „längst“ beim Landgericht Berlin anhängig gemacht worden sei. Auch dieses Dokument liegt WELT vor. „Das ist nicht wahr“, so Steinhöfel. „Unsere Klage ging dem Landgericht am 2. Juni zu, Atamans Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung datiert vom 07. Juni. Also fünf Tage später. Die Bundesregierung kennt die Akten und die Daten. Ataman hat wissentlich unwahr vorgetragen. Die Bundesrepublik hat vor Gericht gelogen.“
Dies wiederum weist die Antidiskriminierungsstelle des Bundes zurück. „Der Vorwurf ist unzutreffend“, heißt es auf eine Anfrage von WELT. „Eine Klage gilt nach dem Gesetz dann erhoben, wenn sie beim Beklagten zugestellt ist. Die Zustellung der negativen Feststellungsklage von VIUS bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes erfolgte am 5. Juli 2024. Bereits am 7. Juni 2024 hatten wir unseren Unterlassungsantrag beim LG Berlin eingereicht.“
Steinhöfel antwortet: „Selbst jetzt wird noch getäuscht und Frau Ataman widerlegt sich selbst. Gegen Journalisten und Medien, die wir vertreten, hat die Bundesrepublik allein in den ersten neun Monaten des Jahres 2024 im Bereich der Presse- und Meinungsfreiheit mehr als zehn Niederlagen vor Verwaltungs- und Landgerichten und sogar vor dem Bundesverfassungsgericht hinnehmen müssen.“ Und ergänzt: „Das ist nicht nur demütigend und beschämend. Es dokumentiert ein über den Einzelfall hinausgehendes gestörtes Verhältnis zu wesentlichen Grundrechten, die den freiheitlichen Staat in seinem Kern ausmachen.“