Antidiskriminierungsstelle: „Genderverbote“ sind problematisch
Ein Kurzgutachten der Antidiskriminierungsstelle des Bundes sieht Grundrechte berührt, wenn Bundesländer das Gendern verbieten. Ferda Ataman, die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, äußerte am Montag, ein „Genderverbot“ sei „ein Rückschritt ins letzte Jahrhundert“. Es diente einem Kulturkampf auf dem Rücken von Minderheiten. „Der Staat sollte Respekt und Toleranz fördern, nicht verbieten“, so Ataman.
In dem Kurzgutachten im Rahmen der von der Antidiskriminierungsstelle herausgegebenen Schriftenreihe „Standpunkte“ kamen Juristen zu dem Schluss, dass bestimmte Grundrechte von einem Verbot betroffen sein könnten. So bestehe „insbesondere die Gefahr, dass staatliche Einrichtungen verpflichtet werden, das Geschlechtsdiskriminierungsverbot sowie allgemeine Persönlichkeitsrechte von Frauen, intergeschlechtlichen sowie nicht-binären Menschen zu verletzen“.
„Genderverbote“ in Bayern, Hessen, Sachsen und Sachsen-Anhalt
Bayern, Hessen, Sachsen und Sachsen-Anhalt hatten in den vergangenen Monaten darauf hingewiesen, dass an Schulen, Hochschulen, in der Verwaltung und im öffentlich-rechtlichen Rundfunk die geltende deutsche Rechtschreibung angewandt werden solle. Die Verbote beziehen sich dabei jeweils auf Genderzeichen wie Stern, Doppelpunkt, Unterstrich oder Binnen-I, nicht auf Paarbildungen wie „Schülerinnen und Schüler“ oder geschlechtsneutrale Schreibungen wie „Lehrkräfte“ oder „Studierende“. Diese Sonderzeichen zu verbieten, ist laut dem Gutachten der Antidiskriminierungsstelle „problematisch“.
Ataman argumentierte nun, es gebe keinen angeblichen „Genderzwang“, gegen den sich die „Verbote“ auf Länderebene richteten. „Das ist eine Scheindebatte“, sagte die Bundesbeauftragte.
Dem Gutachten zufolge greifen Verbote an Hochschulen in die Wissenschaftsfreiheit (Artikel 5 GG) ein. Hochschulen dürften ihre Angelegenheiten selbst regeln. Wie auch der Rat für deutsche Rechtschreibung betonte, hätten Hochschulen und Lehrende „die Freiheit des Studiums nicht nur bei der Wahl von Lehrveranstaltungen, sondern auch bei der Erarbeitung und Äußerung wissenschaftlicher Meinungen der Studierenden zu beachten und zu schützen“.
„Online-Anrede als ,Herr‘ oder ,Frau‘ diskriminierend“
An Schulen könnten „Verbote die betroffenen Lehrkräfte und Schüler*innen in ihrer Meinungsfreiheit des Artikel 5 I 1 GG sowie in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit des Artikel 2 I GG verletzen und sie gegebenenfalls selbst diskriminieren“, heißt es in dem Kurzgutachten weiter.
Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sei ein Verbot ein „Eingriff in die verfassungsrechtlich gesicherte Programmautonomie“ sein. Es verletze damit die Rundfunkfreiheit aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 GG. Der Gesetzgeber könne zwar teilweise die Organisationsstruktur des Rundfunks regeln, „doch die Entscheidung über die Inhalte und Formen des Programms steht den Rundfunkanstalten zu“, so die Antidikriminierungsstelle. Einwirkungen auf die Rundfunkfreiheit müssten grundsätzlich besonders gerechtfertigt werden.
Die „Genderverbote“ stünden zudem im Widerspruch zur Rechtslage in der Privatwirtschaft und zu den Wertungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), heißt es in dem Kurzgutachten weiter. Das Gleichbehandlungsgesetz verpflichte „Arbeitgebende und Unternehmen, ihre Angestellten und Kund*innen bei der persönlichen Ansprache nicht wegen des Geschlechts zu diskriminieren“. Ansonsten drohe ein Entschädigungs- und Unterlassungsanspruch.
Das in demselben Gesetz enthaltene Diskriminierungsverbot verbiete es darüber hinaus auch, „geschäftliche Kontakte mit bestimmten Merkmalsträgern von vornherein auszuschließen, etwa durch den Zwang für Menschen mit nichtbinärer Geschlechtszugehörigkeit, bei einem Online-Vertragsschluss die Anrede ‚Herr‘ oder ‚Frau‘ auszuwählen.“