Chebli: Als Jugendliche Wut und Hass auf Juden
Nach einem mutmaßlich von arabischstämmigen Männern begangenen Überfall auf einen Israeli hat die Berliner SPD-Politikerin Sawsan Chebli über Antisemitismus und ihren früheren Hass auf Juden gesprochen. Zugleich forderte sie beim Kampf gegen den Antisemitismus «die gesamte arabische und muslimische Community» zur Unterstützung auf. «Genauso wie Araber und Muslime als Minderheiten erwarten, dass die Mehrheitsgesellschaft sich für sie starkmacht, wenn sie diskriminiert und angefeindet werden, dürfen sie nicht schweigen, wenn Juden in Deutschland bedroht und angegriffen werden», sagte Chebli dem «Tagesspiegel».
Am Samstagabend war ein 19-jähriger Tourist aus Israel in Kreuzberg von drei Männern überfallen und zusammengeschlagen worden, wie die Polizei berichtete. Der für politische Straftaten zuständige Staatsschutz der Kriminalpolizei prüft ein antisemitisches Motiv und sucht nach den Männern, die «möglicherweise arabischstämmig» sind. Der Israeli sagte der «B.Z.»: «Als sie mit mir fertig waren, sind sie mit ihrem Auto weggefahren und haben laut arabische Musik gehört, regelrecht gefeiert.» Der Tourist hatte laut Polizei in hebräischer Sprache telefoniert, als plötzlich ein Auto angehalten habe und die drei Männer ausstiegen.
Die frühere Berliner Staatssekretärin Chebli, die palästinensische Eltern hat, antwortete auf die Frage, ob sie ihren jüdischen Freunden davon abraten würde, mit einer Kippa-Kopfbedeckung durch Kreuzberg zu laufen: «Zur traurigen Wahrheit gehört, dass Juden in vielen Teilen Deutschlands nicht sicher sind. Der Hass kommt aus vielen Richtungen. Israelbezogener Antisemitismus unter Arabern und Muslimen ist eine große Bedrohung, die größte ist und bleibt die Gefahr von Rechts.»
Weiter berichtete sie in dem «Tagesspiegel»-Interview über ihre eigene frühere Einstellung: «Als Jugendliche habe ich Juden für das Leid der Palästinenser und für das Schicksal meiner Eltern verantwortlich gemacht.» Sie sei empört gewesen über den jüdischen Staat und die Staatenlosigkeit und Armut der Palästinenser. «Ich war oft wütend und habe auch Hass gespürt.»
Später habe ein Prozess des Umdenkens eingesetzt, sagte Chebli weiter. «Auf jeden Fall spielten Begegnungen mit Juden und Israelis in Israel eine zentrale Rolle. Ich habe Israelis kennengelernt, die sich aus großer Überzeugung für die Freiheit der Palästinenser und einen palästinensischen Staat einsetzen. Ich habe Holocaustüberlebende getroffen und tief ins Herz geschlossen.» Heute seien Israelis enge Freunde. Aus Wut und Hass sei der Wunsch gewachsen, «Brücken zu bauen und junge Menschen auf beiden Seiten zusammenzubringen, um Hass zu überwinden».
Chebli sagte, sie habe in einer KZ-Gedenkstätte mit einem arabischen Jungen gesprochen, der gesagt habe: «Schade, dass Hitler nicht alle Juden umgebracht hat.» Sie habe gewusst, «dass er diesen
Judenhass sein Leben lang eingetrichtert bekommen hat». Sie habe ihm ihre Geschichte erzählt und für Empathie geworben.
Zugleich forderte Chebli kritische Debatten über die Palästina-Politik Israels. «Das Verhältnis Deutschlands zum Staat Israel wird aufgrund der NS-Geschichte immer ein besonderes bleiben. Das darf doch aber nicht zu einem Schweigen über Menschenrechtsrechtsverletzungen führen.» In Israel würden «heute Faschisten in der Regierung sitzen, die offen für Gewalt gegen Palästinenser werben und Landraub vorantreiben». Gleichzeitig Palästinensern in Berlin Demonstrationen zu verbieten, weil antisemitische Parolen erwartet würden, sei der falsche Weg