Rassismus und Gewalt: Ein Skandal erschüttert die finnische Regierung
Artikel von David Mac Dougal
Finnlands rechtsgerichtete Regierung steht vor einer weiteren Krise, nachdem alte Kommentare aus einem rechtsextremen Forum, die angeblich von der Vorsitzenden der Finnenpartei,Riikka Purra, verfasst wurden, wieder aufgetaucht sind.
Der Verfasser der Beiträge hatte unter anderem islamfeindliche und gewalttätige Kommentare gepostet sowie Einwanderinnen und Einwanderer aus Somalia verunglimpft und von "türkischen Affen" gesprochen.
Die finnische Finanzministerin Purra steht einer der vier Parteien vor, die die Koalitionsregierung unter dem Vorsitz von Ministerpräsident Petteri Orpo von der Nationalen Sammlungspartei bilden.
In den vergangenen Tagen hatten finnische Medien und Nutzer:innen sozialer Medien Details aus dem
Leben von Riikka Purra - wie etwa zu ihrem Wohnort, ihrem Beruf, ihrem Alter, dem Beruf ihres Ehemanns, ihrem Studium, ihren Lieblingsspeisen und ihren Reiseplänen - mit einer Frau namens "riikka" abgeglichen, die die Kommentare insbesondere im Jahr 2008 veröffentlichte.
"Grüße aus Barcelona", schrieb "riikka" an dem Tag im August, als Riikka Purra ebenfalls in Barcelona war und auf einer Konferenz über Multikulturalismus sprach. Dazu hieß es in einem Blog: "Hier ist kein 'alarmierendes Einwanderungsproblem' zu sehen. N... verkaufen Piraten-Vuittons auf Las Ramblas".
Im Juni 2008 schrieb 'riikka': "Oh, es war heute wieder ein wunderbarer ziviler Rassismus im Erdgeschoss von McDonald's, als unser kleiner Junge Happy Meal Nuggets aß und am Nachbartisch eine somalische Familie mit einem BMI +30 ihre eigenen aß."
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Im Januar 2008 fragte "riikka", ob man wisse, was "das Schilf rauscht" bedeute und beantwortete dies mit: "Nun, das ist das Geräusch, das diese dunkleren männlichen Figuren machen, wenn sie sich der Rolltreppe/dem Aufzug/wo auch immer nähern/vorbeigehen. Es ist kein Pfeifen (das wäre zu offensichtlich), sondern ein f****** Zischen zwischen den Zähnen - je eifriger Abdullah ist, desto mehr Speichel kommt mit."
Im Juli 2008 erwähnte "riikka", das Wort "Netsit", das umgangssprachlich für "einwanderungsfeindliche Internetnutzer" steht, was auch eine Anspielung auf das finnische Wort für Nazis ist.
Im Januar 2008 schrieb "riikka", sie sei "so voller Hass und purer Wut, dass ich auf meinem Stuhl zerschmelzen werde. Heilige Hölle, was machst du mit meiner Psyche, Islam?". Und im September 2008 hieß es in einem Beitrag: "Wenn ich eine Waffe bekäme, gäbe es sogar in der S-Bahn Tote
Wie war die Reaktion in Finnland?
Riikka Purra hat weder bestätigt noch dementiert, dass sie diese Kommentare von ihr stammen. Obwohl sie zugab, dass sie in der Vergangenheit Dinge gepostet hat, die sie heute nicht mehr schreiben würde.
"Mein wütender Text ist einfach ein wütender Text, nichts anderes. Ich akzeptiere keine Art von Gewalt und habe sie nie akzeptiert", twitterte Purra am Montagabend.
Sie erklärte, sie fühle sich "frustriert und hoffnungslos" über die Einwanderung in Finnland, "zum Beispiel die Belästigung und Sexualverbrechen gegen Frauen" und die "ungleichen Praktiken des Islam". Purra bat darum, nicht nach dem beurteilt zu werden, was sie in der Vergangenheit geschrieben haben mag, sondern nach ihren Taten als gewählte Abgeordnete, Parteivorsitzende und Ministerin.
Purras Äußerungen könnten möglicherweise ausreichen, um Ministerpräsident Orpo zu besänftigen, der sich auf ihre Partei "Die Finnen" verlässt, um an der Macht zu bleiben.
Die Opposition verurteilte die Kommentare in jenem Blog. So erklärte Maria Ohisalo, ehemalige Parteivorsitzende der Grünen und Innenministerin in der vorherigen Regierung, dass Purra "nicht nur rassistische, sondern auch gewalttätige Inhalte auf der gleichen Plattform veröffentlicht" habe. Es gebe jedoch weder ein Bedauern noch einen Rücktritt, so Ohisalo und zitierte gleichzeitig Regierungschef Orpo, es müsse "null Toleranz" für Minister geben, die mit Extremismus, Nazis oder Antisemitismus liebäugeln würden.
Der finnische Europaabgeordnete der Grünen, Ville Niinistö, sagte, dass "wiederholte rassistische Politik und Sprache viel über die Wertewelt einer Person" aussage. 'Rikkas' Denken sei für den finnischen Finanzminister nicht geeignet, so Niinistö.
Sogar aus Orpos eigener Partei, der Nationalen Sammlungspartei, gab es Kritik: Der Stadtrat
Sogar aus Orpos eigener Partei, der Nationalen Sammlungspartei, gab es Kritik: Der Stadtrat von Helsinki, Otto Meri schrieb, die alten Blogbeiträge von 'riikka' seien "sehr schockierend", Gewalt zu "vergöttern" sei nicht gesund. "Und ich finde die Verwendung des N-Wortes nicht nur unangemessen, sondern auch rassistisch
Was ist der Hintergrund für diesen jüngsten Vorfall?
Seit Euronews über den ehemaligen Wirtschaftsminister berichtete, der "Heil Hitler"-Witze gemacht und Bilder von Hakenkreuzen auf seinen Social-Media-Kanälen postete, werden die Aktivitäten von Politikerinnen und Politikern der Partei Die Finnen, vor allem derer, die in der Regierung sitzen, verstärkt unter die Lupe genommen.
Obwohl der Minister, Vilhelm Junnila, eine Vertrauensabstimmung im Parlament überstand, wurde er später zum Rücktritt gezwungen, nachdem öffentlich wurde, dass er Massenabtreibungen afrikanischer Frauen gefordert hatte, um die Klimakrise zu bekämpfen.
Junnila wurde durch einen anderen Politiker mit einer problematischen jüngeren Geschichte ersetzt. Wille Rydman war bis zum vergangenen Jahr Mitglied der Nationalen Sammlungspartei von Ministerpräsident Orpo, als Medienberichtedie Beschwerden von jungen Frauen im Teenageralter über seinen Umgang mit ihnen an die Öffentlichkeit brachte.
Ermittlungen wegen Vergewaltigung gab es nicht gegen Rydman. In diesem Frühjahr wechselte er die Partei und kandidierte bei den Wahlen für Die Finnen. Seit seiner Ernennung zum Wirtschaftsminister untersucht die Polizei, ob Rydman vertrauliche Informationen aus den Ermittlungen in einem Buch verwendet hat, das er Anfang des Jahres veröffentlichte, was einen Verstoß gegen die Vertraulichkeit darstellen könnte.
Die Ernennung Rydmans wurde ohnehin als Schlag ins Gesicht von Orpo gewertet. Der Parteivorsitzende der Nationalen Sammlungspartei hatte erst vor wenigen Monaten