Rassismus in Dresden: "Wir hören wöchentlich von verbalen oder physischen Übergriffen"

Von  Sächischezeitung

 

Immer wieder kommt es in der Stadt zu rassistischen Angriffen und Beleidigungen. Was bedeutet das für die Menschen und auch für das Image von Dresden?

 

 Kundgebung gegen Rassismus am Marwa El-Sherbini-Park . © Christian Juppe

Kundgebung gegen Rassismus am Marwa El-Sherbini-Park . © Christian Juppe © Christian Juppe

Dresden. Es geschah erst vergangene Woche, am 20. Juni - einem Frühsommertag, vormittags in der Straßenbahn. Mitten in Dresden, in der Friedrichstadt. Ein Unbekannter hat in der Straßenbahn der Linie 1 eine Frau rassistisch beleidigt, so die Polizei. Weil sie ein Kopftuch trug. Der Staatsschutz hat die Ermittlungen übernommen und sucht Zeugen.

Zwischen den Haltestellen „Bahnhof Mitte“ und „Schweriner Straße“ hatte der Täter die unbekannte Geschädigte mehrfach beleidigt. Eine Zeugin rief die Polizei. Der Unbekannte verließ an der Haltestelle Schweriner Straße, die Geschädigte am Postplatz, die Straßenbahn. Die Beamten suchen nun Zeugen. Der Täter war zwischen 1,70 und 1,80 Meter groß, trug ein rotes Oberteil und eine helle kurze Hose. Er hatte zwei Gehhilfen dabei.

Eine Woche vorher, am 11. und 13. Juni, wieder ähnliche rassistische Übergriffe. Zwei ägyptische Staatsbürgerinnen, 16 und 22 Jahre alt, sind von einer unbekannten Frau zweimal bedroht und beleidigt worden. Wieder in einer Straßenbahn. Die beiden Frauen fuhren in einer Straßenbahn der Linie 6 aus der Neustadt in Richtung Gorbitz. Die Unbekannte bedrohte die beiden in der Bahn und verfolgte sie bis zur ihrer Wohnanschrift, teilte die Polizei mit. Die Frauen konnten in das Wohnhaus fliehen.

Am 13. Juni trafen die Opfer in einer Straßenbahn der Linie 7 erneut auf die Täterin. Die Unbekannte erkannte die beiden Frauen wieder und beleidigte sie rassistisch. Die Ägypterinnen erstatteten daraufhin Anzeige auf einem Polizeirevier. Die Dresdner Polizei ermittelt unter anderem wegen Volksverhetzung.

Immer wieder kommt es in Dresden zu rassistischen Übergriffen und Beleidigungen. In erster Linie leiden die Betroffenen, Menschen mit Migrationshintergrund fühlen sich unwohl und unsicher. Aber auch das Image der Stadt leidet, Fachkräfte trauen sich nicht in Dresden zu leben und zu arbeiten.

Wie viele Übergriffe gab es?

Das Landeskriminalamt (LKA) zählt sieben Fälle bisher in diesem Jahr, so Sprecher Tom Bernhardt auf Anfrage. Er kann keine Konzentration auf einen Stadtteil festmachen, dabei waren unter anderem neben der Friedrichstadt auch Cotta , Pieschen und Gorbitz. Vier der sieben Fälle fanden nach 18 Uhr statt. "Somit ist bislang festzustellen, dass politisch motivierte Straftaten vermehrt um die Abendstunden stattgefunden haben. Dies ist anhand der kriminalistischen Erfahrungen und Erkenntnisse auch nachvollziehbar, da in der Dunkelheit das Entdeckungsrisiko geringer ist", sagt der Sprecher.

Im Jahr 2022 wurden in Dresden 26 Fälle zum Unterthemenfeld Rassismus erfasst, so das LKA. Auch hier gab es keine Konzentrationen auf bestimmte Stadtteile, sowohl der Weiße Hirsch war dabei als auch Alt-und Neustadt , Reick und die Friedrichstadt.

Der RAA Sachsen (Regionale Arbeitsstelle für Bildung, Integration und Demokratie e. V.) zählt für Dresden 2023 bisher 42 rechtsmotivierte und rassistische Vorfälle. Für 2022 genau 167. Genannt werden nicht nur Angriffe, sondern auch Vorfälle wie Sachbeschädigungen, Schmierereien oder rechte Propaganda-Aktionen.

Die Fachberatungsstelle Support für Betroffene rechter Gewalt des RAA Sachsen unterstützt in Sachsen seit 2005 Opfer rechtsmotivierter, rassistischer und antisemitischer Gewalt bei der Bewältigung der Tatfolgen und dokumentiert diese Angriffe. Auf die Frage, warum die Zahlen des LKA und des RAA so weit auseinander liegen, sagt Bernhardt: "Wir orientieren uns an vorliegenden, strafrechtlich relevanten Sachverhalten, welche auch angezeigt sind."

Wie geht es den Menschen damit?

"In unserer Beratung erfahren wir wöchentlich von verbalen oder physischen Übergriffen auf Schutzsuchende", sagt Dave Schmidtke vom Flüchtlingsrat. Einige der Betroffenen trauen sich aber nicht diese Vorfälle anzuzeigen. "Ursachen sind hierbei häufig sprachliche Hürden oder schlechte Erfahrungen mit der Polizei", sagt er. Er verweise an die Opferberatungsstellen wie RAA.

„Die Dunkelziffer der Angriffe ist viel höher. Unserer Erfahrung nach suchen Opfer von Rassismus bei verbalen oder körperlichen Angriffen den Fehler oftmals bei sich und meiden immer mehr den öffentlichen Raum", Douha Al Fayyad vom Ausländerrat. "Sie zeigen Übergriffe aus Scham oder Angst vor möglichen negativen Konsequenzen deshalb nur sehr selten an."

Der Flüchtlingsrat wendet sich mit einem klaren Appell an die Dresdner Verwaltung und den Stadtrat: "Politisch Verantwortliche müssen begreifen, dass eine Diskursverschiebung nach rechts immer fatale Konsequenzen nach sich zieht", so Schmidtke. Es folgen direkte Aggressionen gegenüber Menschen mit Fluchtgeschichte im Alltag und migrationsfeindliche Parteien oder Strömungen erhalten Zulauf, sagt er.

Was bedeutet das für Dresden?

Die syrische Schriftstellerin Douha Al Fayyad ist Doktorandin am Institut für Verfahrens- und

Umwelttechnik in Hydrosystemen der TU Dresden und mit im Vorstand des Ausländerrates Dresden. "Wenn ich mit Kopftuch in Dresden unterwegs bin, habe ich schon rassistische Sprüche hören müssen. Bei meiner Arbeit an der Uni bemerke ich auch, dass viele Wissenschaftler Angst haben, sich in Dresden zu bewerben aus Angst vor Anfeindungen", erzählte sie im Interview mit Saechsische.de.

Dresden sei mittlerweile im Ausland bekannt dafür, dass bei rechten Demos nach wie vor jeden Montag rassistische Ideologien verbreitet werden, während nicht-weiße und muslimisch-gelesene Menschen Angst um sich und ihre Familien haben müssen. "Will man Fachkräfte gewinnen und halten, muss man den alltäglichen und strukturellen Rassismus klar benennen", sagt sie.