Autonomie der Hochschulen / Universitäten
Erdogan hat Anfang des Jahres an zahlreichen Universitäten deren Präsidenten benannt auch für die Universität Bogazici in Istanbul.
Der renommierten Universität Bogazici ist nicht aus der Vergangenheit bekannt, dass ihre Studenten auf die Barrikaden gehen.
Diese Universität wurde Jahrzehnte lang als Elite-Uni der Türkei betrachtet und auch die Elite der Türkei schickten ihre Kinder dort hin.
Daher gab es in der Türkei auch einen Aufschrei, als die Studenten und ein Teil der akademischen Schicht an der Bogazici Universität gegen ihren benannten Universitätspräsidenten auf die Straße gingen. Diese Proteste wurden auch in Teilen des Landes durch solidarische Kundgebungen begleitet.
Wie oben erwähnt, werden die Präsidenten der einzelnen Universitäten der Türkei durch den Staatspräsidenten, hier Erdogan, ernannt. Diese Ernennung ist nicht neu und es ist seit den 80er Jahren, nämlich nach dem Militärputsch 1980, durch ein Hochschulgesetz, genannt Yök, die Benennung der Universitätspräsidenten dem Staatspräsidenten zugeordnet.
Hintergrund war das die Militärs die Hochschulen des Landes als Ort der „Anarchie“ betrachteten und deswegen die Hochschulautonomie gänzlich beseitigten.
Damit konnten die Generäle auch an Universitäten ihren Willen durchsetzen.
In den 80er und 90er Jahren bis zum Jahr 2000 konnten, Teile der rigiden Vorschriften der Militärs, zumindest im inneren des Betriebs der Universitäten, gelockert werden.
Seit 2013 betrachtet ebenfalls die Erdogan-Regierung die Universitäten als Orte an welchen Unruhe gestiftet wird, so dass sie auch das gleiche Ziel verfolgen wie die Militärs in den 80er Jahren verfolgt haben.
Präsident Erdogan hat angefangen die Präsidenten der Universitäten und auch einzelne Rektoren durch eigene Leute zu ersetzen.
Dabei wurden ehemalige Abgeordnete der Regierungspartei als Präsidenten oder Direktoren an den Universitäten ernannt. Jüngst wurden an über 11 Universitäten deren Präsidenten neu bestimmt, mit Personen welche der Regierungspartei nahe stehen.
An der Universität Bogazici in Istanbul kam es daher zu Unruhen. Weite Teile der Universitätsangehörigen als auch die Studenten lehnten die Benennung des Universitätspräsidenten durch den Staatspräsidenten Erdogan als undemokratisch ab und verlangten, das der Universitätspräsident direkt von Universitätsangehörigen und der Studenten gewählt wird.
Die Hochschulautonomie existiert in Mitteleuropa seit dem 16. Jahrhundert, insbesondere im italienischen Gebiet wie der Bologna.
Schon im 16. Jahrhundert verlangten die Akademiker der Universität Bologna in Italien die Selbstverwaltung der Universitäten und finanzielle Unabhängigkeit.
Die Forderung wurde auch in der Neuzeit immer wieder von Universitäten verlangt. In Deutschland ist diese Unabhängigkeit der Universitätsbetriebe und deren Autonomie der Hochschulen in Art. 5 III GG verankert. Wenn im Rahmen der einfachen Gesetze das sogenannte Hochschulrahmengesetzt entscheiden die einzelnen Länder weitgehend über die Autonomie der in ihrem Bundesland befindlichen Hochschulen und Universitäten.
In Deutschland geben daher die Hochschulen und die Universitäten ihre eigene Satzung heraus und bestimmen danach im Innenverhältnis wie sie die Wahlen von Hochschuldirektoren und auch den Hochschulpräsidenten abhalten. Von außen, d.h. von einer Zentralen Staat oder Landesregierung darf niemand in die Satzungshoheit der Universitäten eingreifen.
Wichtige Aufgabe der Hochschulsatzung ist es, Aufgaben und Funktionen zwischen den verschiedenen Entscheidungsebenen und die Entscheidungsfindungsverfahren zwischen den einzelnen Gremien und Institutionen an der Universität zu definieren und zu bestimmen.
Entscheidend ist die Balance zwischen Senat, Hochschulleitung und Hochschulrat sowie Fakultätsräten, Dekanat und Fakultätsbeiräten und natürlich auch die jeweiligen Zusammensetzung dieser Gremien und Organe.
Alle diese Gremien und Organe werden durch eine Hochschulsatzung durch innere demokratische Strukturen und entsprechenden Wahlen bestimmt.
Die Hochschulen in Deutschland sind insofern frei und freiheitlich gewährende Hochschulen, in denen sich Wissenschaftler* Innen wissenschaftlich arbeiten und neues unternehmen.
In einem demokratischen Rechtsstaat und einer an demokratischen Strukturen orientierende Universität setzt voraus, dass sie auch handlungsfähig und innerhalb der Institution Universität voraus.
Es besagt auch, dass der Staat auch die notwendigen Mittel, wie die Finanzierung, zur Verfügung stellt, welche die Universitäten für den Betrieb notwendiger Weise benötigt.
Weil der Staat die finanziellen Mittel bereitstellt ergibt sich nicht daraus das der Staat in die Entscheidungen der Universität eingreifen darf.
Wie oben ausgeführt worden ist, Lehre und Wissenschaft nach dem Deutschen Grundrecht Art. 5 III GG frei von jeglicher staatlicher Einflussnahme.
Durch die Bereitstellung der finanziellen Mittel des Staates soll ein Universitätsdirektor bzw. Universitätspräsident in die Lage versetzt werden, neue Fachgebiete aufzubauen, Studiengänge einzustellen und Fachbereiche organisatorisch zu verändern und auch die Forschung in den einzelnen Fachbereichen zu fördern.
In vielen westlichen Ländern gehört zu einer demokratischen Gesellschaftstruktur, dass auch die Universitäten und Hochschulen eine Eigenständigkeit in Form der Autonomie und Selbstverwaltung haben.
Für das minimale Selbstverwaltungsrecht kämpfen die Studenten und Akademiker der Bogazici Universität in Istanbul. Obwohl die regierenden Partei Erdogan`s diese ständig kriminalisiert und als Terroristen beschimpft, hat diese Forderung der Studenten und Akademiker nichts kriminelles sondern dieses gehört in einem demokratischen Staat und Gesellschaft dazu. Es gehört daher dazu, dass die Hochschulen und Universitäten eine eigene Selbstverwaltung haben. Diese Selbstverwaltung dient, wie oben ausgeführt, dazu, dass die Forschung und Bildung ohne staatliche Lenkung erfolgen kann und nicht einem staatlichen politischen Einfluss unterliegt
Hierdurch wird eine unabhängige akademische Bildung und Forschung gesichert.