Die politische Partizipation der EinwanderInnen als Bürgerrecht

C.Yagmur

Eine übergreifende und ernsthaft ergebnisorientierte politische Meinungsbildung zur politischen Partizipation Einwanderer ist bislang wenig erfolgt. Fragen von Integration standen bislang im Vordergrund, nicht die politischer und partipativer Bürgerrechte.

1.

Politische Partizipation

Als politische Partizipation bezeichnet nach einer breit akzeptierten Definition die "Verhaltensweisen von Bürgern, die sie alleine oder mit anderen freiwillig mit dem Ziel unternehmen, Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen.“

Politische Partizipation umfasstsomit u. a. eine akzeptierte und gleichberechtigte Beteiligung an Institutionen der politischen Willensbildung in politisch relevanten Organisationen wie Parteien, Gewerkschaften, Mitgliedschaft in Ausschüssen, aber auch in formellen und informellen Interessensvertretungen für EinwanderInnen.

Bürgerschaftliches Engagement bezeichnet jede Form des freiwilligen Engagements für das Gemeinwohl, das oft ehrenamtlich und unentgeltlich ausgeübt wird, wie Nachbarschaftshilfe, ehrenamtliche Tätigkeiten in sozialen Diensten und Freiwilligenarbeit 

„Politische Wahrnehmung“ ist ein relativ neues Konzept und betont, EinwanderInnen gleichberechtigt an dem gesamten komplexen Prozess der Politik beteiligen zu wollen.

Die Gewährung politischer Rechte sowie die Akzeptanz von Vielfalt befördertgesellschaftliche Aktivierungen von EinwanderInnen, schafft Vertrauen und fördert die Identifikation mit der Aufnahmegesellschaft sowie die Übernahme von Werten und Normvorstellungen, die sich weder voraussetzen noch erzwingen lassen.

2.

Zum Stand der Diskussion

Der Europarat hatte bereits 1992 eine "Konvention zur Partizipation von  EinwanderInnen  am lokalen öffentlichen Leben" vorgelegt, in dem u. a. die Einführung des kommunalen Wahlrechts für  EU EinwanderInnen  empfohlen wurde. Auch die Europäische Kommission hat als Mittel der Integration und der Gleichberechtigung2003 die Einführung des kommunalen Wahlrechts und die Gewährung einer Zivilbürgerschaft angeregt.

In dem von der Europäischen Kommission 2004 herausgegebenen "Handbuch zur Integration" wurde diese Position bekräftigt: "Die Beteiligung an politischen Prozessen zählt zu den wichtigsten Elementen einer aktiven Staatsbürgerschaft. Die politische Beteiligung von Zuwanderern bietet Integrationschancen und sollte in verschiedenen Formen (kommunales Wahlrecht, Konsultationsstrukturen, Erwerb

So hatte die Enquête-Kommission des Deutschen Bundestages in ihrem Bericht zur "Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements" prinzipiell betont, dass politische Partizipation für demokratische Rechtsstaaten von herausragender Bedeutung sei und dies auch für die Beteiligung der zugewanderten Bevölkerung gelte.

In Deutschland wird die Diskussion über die Verbesserung der politischen Integration von ZuwanderInnen dagegen noch nicht so konkret geführt, lediglich die unverbindliche Empfehlung abgegeben, die Einführung eines kommunalen Wahlrechts für DrittstaatlerInnen zu prüfen. So wird im aktuellen Integrationskonzept des Bundeslandes Berlin die Einführung des kommunalen Wahlrechts als Mittel zur Förderung der politischen Integration empfohlen, die Erleichterung des Zugangs zur Staatsbürgerschaft, die Einführung einer Zivilbürgerschaft und die Repräsentation von EinwanderInnengruppen in politischen Entscheidungsprozessen.

Die Umsetzung dieser Ideen, weitergehende Initiativen oder konkrete Schritte zur Umsetzung sind in Deutschland bisher ausgeblieben. Die Frage der Förderung der politischen Integration von EinwanderInnen wird hier zum einen im Zusammenhang mit der Förderung des bürgerschaftlichen und ehrenamtlichen Engagements behandelt. Daneben wird aber das Engagement von Einwanderinnen und Einwanderern in MigrantInnenvereinen und Selbstorganisationen teilweise kritisch aufgenommen und eine negative Auswirkung auf den Integrationsprozess unterstellt.

3.

Politische Partizipation und Integration

In der politischen Debatte in Deutschland wird Integration tendenziell als Ergebnis eines einseitigen Anpassungsprozesses der ZuwanderInnen an die Aufnahmegesellschaft aufgefasst.. Auch bürgerschaftliche und politische Beteiligung in mehrheitsgesellschaftliche Institutionen wird dabei als zu erbringende Leistung einseitig von den Einwanderinnen und Einwanderern erwartet, die sich in die Aufnahmegesellschaft integrieren und assimilieren sollen.

Zugleich werden aber heimatlandbezogene Formen der Organisierung und heimatlandorientierte Muster des Engagements von EinwanderInnen als Integration hemmend oder gar verhindernd angesehen. Aufnahmelandorientiertes Engagement gilt dagegen als Indikator und Ergebnis eines gelungenen Integrationsprozesses.

Übersehen wird dabei, dass die meisten Selbstorganisationen in der Praxis heimatlandbezogenes und aufnahmelandbezogeneskombinieren:  Aus der Perspektive des Konzepts der politischen Integration ist es daher nicht sinnvoll, zur Bewertung des Integrationspotentials von Partizipation das Kriterium der Orientierung auf das Herkunfts- oder Aufnahmeland heranzuziehen, sondern auf die tatsächliche - und durchaus auch konflikthafte - Interaktion und Kommunikation im Aufnahmeland.

Dynamisches Konzept von Integration

Unter den Bedingungen einer in Zukunft stetigen Zuwanderung und zunehmenden Diversität sollte Integration nicht nur als Ergebnis dieses Prozesses betrachtet werden, sondern als Prozess, in dem Einwanderinnen und Einwanderer unter der Beibehaltung der Verschiedenartigkeiten zu akzeptierten Mitgliedern der Aufnahmegesellschaft werden.

In diesem Integrationsprozess, der durchaus und insbesondere auch in der Form der Austragung von Konflikten erfolgt, verändern sich nicht nur die ZuwanderInnen, sondern auch Struktur und Kultur der Aufnahmegesellschaft. Gelingende Integrationsprozesse erfordern demnach nicht nur Bemühungen seitens der Minderheit, sondern auch eine Bereitschaft der Mehrheitsgesellschaft und ihrer Institutionen zur Weiterentwicklung.

In Bezug auf ein dynamisches Integrationskonzept kann von erfolgreicher Integration gesprochen werden, wenn ZuwanderInnen am gesellschaftlichen Leben gleichrangig teilnehmen können, ihnen der Zugang zu gesellschaftlichen Positionen und zu politische Entscheidungsprozesse gleichberechtigt und ohne Diskriminierung offen stehen und sich die Lebenslagen der Mitglieder der eingewanderten Gruppen und der Mehrheitsbevölkerung im Durchschnitt angleichen.

4.

Partizipationsrechte in Deutschland

Einwanderinnen gelten solange als AusländerInnen, wie sie die deutsche Staatsangehörigkeit nicht erworben haben. Für AusländerInnen bestehen Einschränkungen bei den politischen Partizipationsrechten. Dabei ist zunächst hervorzuheben, dass AusländerInnen - wenn sie erst einmal die bestehenden und in den letzten Jahren kontinuierlich erhöhten Einreisebeschränkungen überwunden haben - im internationalen Vergleich weit reichende sozialrechtliche Ansprüche erlangen. 

Auch im politischen Bereich werden Menschenrechte und grundlegende Rechte wie Religionsfreiheit, Unverletzlichkeit der Wohnung, Recht auf Eigentum, Petitionsrecht und Recht auf freie Meinungsäußerung auch für AusländerInnen durch die Verfassung anerkannt und geschützt. Allerdings behält das Grundgesetz grundlegende politische Bürgerrechte wie die Versammlungs-, Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit und das Recht auf Freizügigkeit, Berufsfreiheit und Auslieferungsverbot ausdrücklich nur deutschen Staatsangehörigen vor. Politische Betätigung und Beteiligung sind rechtlich eingeschränkt, aber nicht grundsätzlich untersagt.

AusländerInnen besitzen nach dem deutschen Vereinsrecht das Recht auf Gründung und Mitgliedschaft in Vereinen sowie nach dem Versammlungsgesetz das Recht auf Durchführung und Beteiligung an Versammlungen. Weiterhin haben sie das Recht auf Mitgliedschaft oder Gründung von Gewerkschaften. Sie können aktiv an Sozialwahlen, Wahlen zu den berufsständischen Selbstverwaltungskörperschaften und in den Hochschulen teilnehmen; sowie aktiv und passiv an Betriebsratswahlen. Weiterhin ist eine Mitarbeit in AusländerInnenbeiräten bzw. Integrationsbeiräten auf kommunaler Ebene möglich. Auch die Mitgliedschaft und Mitarbeit in deutschen Parteien ist grundsätzlich erlaubt.

Es ist aber nicht möglich, sich als Parteimitglied ohne deutsche Staatsangehörigkeit an der Nominierung von KandidatInnen für politische Ämter zu beteiligen.

Grundsätzlich ausgeschlossen bleiben Ausländer auch von der Teilnahme an allgemeinen politischen Wahlen auf allen Ebenen. Eine Ausnahme besteht aufgrund des europäischen Rechts für EU-Staatsangehörige, die auf kommunaler Ebene und bei Europaparlamentswahlen wahlberechtigt sind. Ausdrücklich verboten ist AusländerInnen die politische Betätigung in Fällen, in denen sie das Völkerrecht verletzen oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik gefährden.Diese Verstöße gelten auch als Ausweisungstatbestände.

Einwanderinnen genießen auch ohne deutsche Staatsangehörigkeit in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens und im politischen Willensbildungsprozess im weiteren Sinne durchaus beachtliche Partizipationsrechte. Sie bleiben als AusländerInnen allerdings von der für demokratische Gesellschaften zentralen Beteiligung an allgemeinen politischen Wahlen, der politischen Willensbildung im engeren Sinne dauerhaft ausgeschlossen. Im Augenblick öffnet allein die Einbürgerung den Zugang zur vollen politischen Gleichberechtigung.