SPD-Parteitag: CHP-Chef Özel hält flammende Rede in Berlin

         Artikel von dw.com

Deutschlands Sozialdemokraten haben einen Gast aus der Türkei: Der Vorsitzende der oppositionellen CHP, Özgür Özel, fordert Solidarität - und bekommt sie von den SPD-Delegierten.

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                                      CHP-Chef Özel: © Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Die sozialdemokratische Cumhuriyet Halk Partisi, kurz: CHP, ist die größte Oppositionspartei der Türkei. Sie steht aber zunehmend unter staatlichem Druck. Viele Gründe also für Deutschlands Sozialdemokraten, den CHP-Vorsitzenden Özgür Özel zum SPD-Parteitag an diesem Wochenende einzuladen.

Am Rednerpult in Berlin rief Özel die Delegierten auf, die bedrängte Opposition in seinem Land zu unterstützen. Der Aufstieg der CHP habe die Regierung der Türkei "in große Panik" versetzt, sagte Özel als Gastredner auf dem SPD-Bundesparteitag. "Seit Oktober vergangenen Jahres haben sie ihren Druck und die Angriffe gegen unsere Partei und die gesellschaftliche Opposition massiv ausgeweitet."

Özel bedankte sich in seiner auf Deutsch gehaltenen Rede für die Unterstützung der deutschen Schwesterpartei. Er wies darauf hin, dass die Inhaftierung seines Parteifreundes, des Oberbürgermeisters von Istanbul, Ekrem Imamoglu, zu dem Zeitpunkt erfolgt sei, als dieser zum Präsidentschaftskandidaten der CHP nominiert wurde.

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                               Solidaritätsbekundung auf SPD-Parteitag: © Political-Moments/IMAGO

Der populäre Imamoglu galt als sehr aussichtsreicher Herausforderer von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Im Zusammenhang mit angeblichen Korruptions- und Terrorermittlungen wurde er Mitte März in Gewahrsam genommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft.

Zunehmend flammende Rede

Wegen der guten Umfragewerte für die CHP habe die Regierung in Ankara damals ihre Repression gegen die Opposition deutlich ausgeweitet, sagte Özel in Berlin. "Wir erleben einen der schwersten Angriffe auf die Demokratie in der Geschichte unseres Landes", warnte er. "Aber die Menschen halten an ihrem demokratischen Willen fest", fügte Özel hinzu. "Wir kämpfen bis zum Ende".

Özel bekannte sich in seiner Rede auch klar zu dem Ziel einer Vollmitgliedschaft seines Landes in der Europäischen Union. Seine Partei strebe nach einer demokratischen, auf Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit basierenden Türkei. "Wir leben in einer Zeit großer Unsicherheit. Die Demokratie ist weltweit bedroht. Geopolitische Spannungen nehmen zu, regionale Konflikte verschärfen sich. Unsere Region gleicht einem Feuerring", warnte er. Es sei entscheidend, dass die Türkei als Demokratie und Rechtsstaat gestärkt werde.

Seine zunehmend flammende Rede beendete Özel mit einem Zitat von Bertolt Brecht: "Einer kann sich da nicht retten. Keiner oder alle", rief er den SPD-Delegierten in Berlin mehrmals und auch auf Türkisch zu.

SPD fordert Freiheit für Istanbuls Bürgermeister Imamoglu

Die Sozialdemokraten in der Halle applaudierten heftig, hielten vorbereitete Schilder hoch mit der Aufschrift "Free Imamoglu" ("Lasst Imamoglu frei") - und dankten mit einem besonderen Zeichen der Solidarität: Der Parteitag beschloss einstimmig einen Antrag. Darin fordert die SPD türkische Stellen auf, den Istanbuler Oberbürgermeister und alle anderen politischen Häftlinge in der Türkei sofort aus der Haft zu entlassen.

 

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                            SPD-Chef Klingbeil: © Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

"Das ist etwas, was uns alle betrifft, wenn Demokratinnen und Demokraten weggesperrt werden", verurteilte SPD-Chef und Deutschlands Vizekanzler Lars Klingbeil das Vorgehen der Regierenden in der Türkei. Er wies darauf hin, dass sich Imamoglu nun bereits 100 Tage im Gefängnis befinde.

Die SPD wolle dagegen "ein klares Zeichen der internationalen Solidarität setzen", sagte Klingbeil. Er kündigte an, die deutschen Sozialdemokraten wollten ihre bereits bestehende Partnerschaft mit der CHP weiter vertiefen.

AR/jj (dpa, afp)